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(Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi alle.

Im Rahmen des "Rock am Ring"-Threads ist doch wieder eines meiner Lieblingswörter aufgetaucht: INNOVATIV (kommt gleich nach meinem all-time-favourite-word EIGENTLICH :-)))

Mein Problem mit diesem Wort ist, dass ich es in Bezug auf Musik nicht verstehe. Ab wann und warum ist etwas innovativ? Warum ist es beispielsweise "innovativ", wenn man statt einer Bassdrum 'nen Vorschlaghammer und 'ne Stahltür benutzt? Aus welchem Grund war/ist Grunge innovativ? Ich habe keine Ahnung, wer Sonic Youth ist, noch was die machen - kann mir mal einer erklären, was die "innoviert" haben - also insofern, dass es einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt hat?

Ist etwas gleich innovativ, nur weil es noch niemand so gemacht hat?

Ich werde leider das Gefühl nicht los, dass sehr oft Dilettantismus als Innovation verkauft wird (ohne Bezug auf Sonic Youth).

Ich meine es jetzt vollkommen ernst, wenn ich euch frage: was ist in der Musik innovativ?

Ach ja - ich will an dieser Stelle Rolli zitieren:

:Ach was, mittlerweile bin ja ein alter, traditioneller sabbernder Sack, der sogar den Urlaub in den Bergen verbringt. Aber ich wahr ja auch mal jung und hatte Eier.

Das hätte von mir sein können :-)))

Gruß

Oly


Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi.

Vielleicht liegt es in der Natur der Innovation, dass es die vorige Generation - wenn ich mal so frech sein darf - nicht versteht, weil sie Innovation und überhaupt Qualität nur an der Erfüllung jener Normen messen kann, die jene neue Musik gerade als irrelevant ablehnt.

Oder - umgekehrt - dass die neue Musik von den Fans alter Musik gar nicht verstanden werden will, sich also durch Opposition definiert.

Vor meinem Lieblingsplattenladen zeterte einmal ein vorbeigehender Greis, diesen dilettantischen Krach (Jimi Hendrix) der da aus der offenen Ladentür herausweht, also den verstehe ja kein Mensch. Heideröschen, ja das lasse er sich ja gerade noch gefallen. Aber dieses Getrommel und Gejaule, neh, neh.

Am liebsten an dieser wahren Geschichte gefällt mir dass er "gerade noch" geasgt hat. Heideröschen ist das Äußerste. Es ist schon fast zu radikal.


Ob ihm sein Enkel mal Slipknot vorstellt?


Gruß,
groby
*

Re: (Meinung) Mein Problem mit


: Sorry - das mag eine wie auch immer geartete Kunstform sein - aber was ist daran, musikalisch gesehen, innovativ?
:
: Gruß
:
: Oly


Ich glaube, wir Musiker machen immer den Fehler, alles "musikalisch" zu sehen. Ich habe mich mit dem Auftauchen der ersten Rapper auf MTV (die dann den Grunge und "meine" Hardrocker langsam verdrängten) auch gefragt: was soll der Müll? Dieses Bassgeschranze ist doch keine Musik, die singen ja nicht einmal!

Mittlerweile habe ich für mich begriffen, dass innovativ nicht musikalisch zu sehen ist, sondern in Bezug auf Musik immer das ist, was das Alte, Etablierte verdrängt und durch etwas Neues ersetzt. Dafür muss man keine neuen Akkorde erfinden, keine neuen Instrumente benutzen und auch keine neuen Songstrukturen ausbaldowern. Anstelle dessen muss das Innovative aber Einfluss auf die Gesellschaft nehmen (sprich: die Jugendlich haben plötzlich die Buchse in den Kniekehlen hängen, man sieht die von Muttern ausgesuchten karierten Unterbuchsen und Goldkettchen werden wieder modern...).

So sehe ich das zumindest. Wer allerdings tatsächlich heute noch Grunge als innovativ beschreibt, hat irgendein Problem mit der Vergangenheitsbewältigung... :-p

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Noch was generelles zum Thema "Innovation in der Musik".

Letztendlich ist auch Innovation keine absolute Grösse. Egal, was man so macht: irgendeiner kommt immer und behauptet, dass Captain Beefheart das '67 schon längst eingeführt hat.

Zunächst würde ich 2 Ebenen unterscheiden: Technische und musikimmanente Innovationen. Technische sind z.B. die Benutzung eletronischer Klangerzeuger gewesen, oder z.B., frei nach dem Beuys'schen Kunstbegriff - die Einbindung arbitärer Klangerzeuger in einen musikalischen Kontext, siehe Einstürzende Neubauten.

Musikimmanente Innovationen sind da schon schwieriger rauszuhören. Grunge z.B. war m.M. nach alles andere als innovativ. Das waren die 70 mit mehr verzerrten Gitarren. /Siehe auch Mike Watts'Song "The Kinds Of Today Should Defend Themselves Against The 70ties")

Aber nehmen wir nochmal Sonic Youth. Da wurde - zumindest sehe ich das so - aus Punk und Proto-Punk (wie Stooges, MC5) und Lärm mithilfe dekonstruktivistischer Methoden durchaus etwas innovatives geschaffen: Man konnte sich wieder der Rockmusik bedienen, ohne in die typischen rockistischen Fallen zu tappen - eben genau jenes Gesicht-Verzerren bei Gitarrensoli.

Dekonstruktivistisch dran war die Idee, "Rock" mit seinen eigenen Ausschliessungen zu konfrontieren. Z.B. Gitarren nach eigenen Vorstellungen zu stimmen, um eigene Klangästhetiken zu erreichen (jaja, Beefheart, ich weiss), um den üblichen Schweinerockklischees zu entgehen. Oder Songs zu steigern, ohne, dass es zum Höhepunkt kommt. Oder das outro doppelt so lange zu spielen, wie den eigentlichen Song.

Eine weitere Idee, die z.B. auch mit kunsttheoretischen/psychoanalytischen Überlegungen dieser Zeit einherging, war, den Aspekt des "Rests" wieder in's Zentrum zu Rücken. Die Fragestellung war also: Was kommt beim Rock hinten raus? Was passiert, wenn man versucht, ROCK ohne Rock zu spielen? Wenn man den Stil als Text liesst: Wodurch wird er bedingt? Was muss er auslassen, um sich selbst zu konstituieren? Oder, wie bei den Kollegen der "ernsten" Musik: Wie kann man denn heute komponieren, ohne, dass man in die Klischees vorheriger Generationen verfällt? Branca und Young waren da sicherlich das eine Extrem, Philip Glass das andere.

Andere Bands/Künstler sind andere Wege gegangen, um da raus zu kommen, wie z.B. sich einer verfremdeten Heavy Metal Ästhetik zu bedienen (Napalm Death, John Zorn), oder haben sich der Country Musik zugewandt (Uncle Tupelo, die alt.country-"Bewegung")

Wie gesagt: Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Undmögen muss man das alles auch nicht.

MAddin

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"


: Ich meine es jetzt vollkommen ernst, wenn ich euch frage: was ist in der Musik innovativ?

Salve Oly,

Innovation bedeutet ja eigentlich "Erneuerung", also sollten Musiker die innovativ sein wollen, z.B. eine Stilistik (o.ä.) begründen oder eine vorhandene so mit eigenen Ideen anreichern, dass sie diesen Stil/Bereich stark prägen. Also im Jazz waren sicher Leute wie Coltrane oder Miles Davis innovativ und haben zur Entwicklung viel wichtiges beigetragen. Oder Jeff Buckley und vielleicht Rufus Wainwright bei den neueren Songwritern???

Kann gut sein, dass Sonic Youth für ihre Stilistik prägend und innovativ waren. Kann ich nicht beurteilen, da ich von Sonic Youth schon derart angeätzt bin, dass meine Motivation anderen Bands aus dem gleichen Bereich eine Hörchance zu geben fast null ist. Leider muss ich sagen! Vielleicht verpasse ich was tolles?!?!? Aber ich will meine Zeit halt nicht weiter mit dergleichen verbringen, weil die Chance das solche Acts mich in keinster Weise berühren oder ansprechen sehr hoch ist, oder?

So, ich werde mal gleich "innovativ" zu meiner Gitarre sein und neue Saiten aufziehen und vielleicht schaff ich heute ja was aufzunehmen.

Schönen Abend,

Rolli

NP: K.D. Lang - Live by request

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi oly und alle !

Auch ich habe diesen überstrapazierten Begriff "Innovativ" ja benutzt.
Nun möchte ich nicht noch eine theoretische Definition geben, da findet sich hier ja bereits etlich gut formuliertes Wort (und manch recht kompliziertes)

Was ich - für mich ganz persönlich - damit ausdrücken wollte, war, dass ich immer auf der Suche nach "Neuem" bin.

Nehmen wir dazu ein Genre, welches per se eigentlich innovativ sein sollte, inzwischen aber teilweise schion recht anachronistisch daher kommt: den Progressive Rock

Als 1994 die erste Flower Kings erschien, war das eine Kombination von Elementen der 70ger (Yes, King Crimson u.ä.) mit neuerem Sound, extrem gut komponiert, tolle Meleodien, geiler Gesang usw. usf. Damit waren die Flower Kings für mich eine Neuentdeckung und GEIL.
Das gleiche galt 1996 für die erste Spock's Beard (diese Band war ja während der ersten beiden CD'S noch ein wahrer Geheimtipp.
Inzwischen muss ich sagen, dass mich die 10. FloKi Scheibe einfach nicht mehr von Hocker hauen kann, weil "alles irgendwie schon mal gehört".

Das waren Neuerungen , also Neuentdeckungen für mich. Ob diese Bands nun wirklich innovativ sind, mag (stark) bezweifelt werden.

Wirklich innovativ in diesem Genre sind z.B.

Taal - Skymind
Discus - Tot licht

falls irgendwer dieses kaputte zeug kennt.....

Was aber keinesfalls innovativ ist, ist, weder seine Gitarre richtig zu stimmen, geschweige denn diese annähernd spielen zu können und diesen Diletantismus dann als "Kunst" zu verkaufen......

Wie gesagt:

Miles Davis, John Coltrane, Jimi Hendrix...... und dann wird es schon recht schwer, anderes auf diese Stufe zu stellen.
Denn diese drei waren innovativ und GROSS.

Gruß Uli


Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi !

Ein Nachtrag:

es ist schon seltsam, dass in diesem Forum an sich Gleichgesinnter gleich mehrere Threads relativ heftige Auseinandersetzungen zu per se subjektiven Dingen, wie geschmack und innovation hervorbringen.

Dabei müsste uns eigentlich eine ganz wichtige Eigenschaft einen:

Wir "verstehen" mehr von Musik (und ihrer Theorie) als der gemeine Bürger, weil wir ein Instrument spielen.

Ich gehe mal davon aus, dass die meisten hier (und das ist ja sowohl an den Aussenjams als auch an vielen Threads deutlich zu merken) sich seit geraumer Zeit als aktive Musiker intensiv mit diesem sujet beschäftigen. Wir haben (mdst.) ein Instrument erlernt (ich gehe mal davon aus, dass hier keiner mitmacht, der sich die Gitarre zwischen die Kniekehlen hängt um bloss krass geil zu posen), wobei es vollkommen egal ist, ob man das mit viel Gefühl und gutem Raushören oder mittels fundierter theoretischer Ausbildung oder beidem getan hat.

Und damit unterscheiden wir uns von den Nichtmusikern:

Der Nichtmusiker hört Musik und findet die gut oder schlecht und weiß eigentlich nicht (wirklich), warum. Bei uns hingegen müsste das anders sein.
Beispiel: ich höre ein Stück, dass groovt toll und plötzlich denke ich, hey, geschuffelter 3/4.... oder erkenne geile Harmonien oder oder usw....
Ist es nicht so, dass wir Musiker, egal ob bewusst oder unbewusst, jegliche Musik immer ein kleines Stück analytischer hören als Andere?

Und daher erkennen wir "Musik", die langweilig, schlecht gespielt, diletantisch hingerotzt oder was weiß ich....

Der "Streit" hierüber zwischen (kommt mir so vor) den Altsäcken und den Jüngeren befremdet mich daher auch ein wenig.....

Noch eine Anmerkung zum Generationenproblem "Heideröschen"
Wenn ich daran denke, dass die Musik, die mich wesentlich gepägt hat, nun mittlerweile 30 + x Jahre alt ist, dann muss das eigentlich für meine Söhne (17 / 15J.) so sein wie für mich damals die Mucke von meinem Vater (der hörte am liebsten Glenn Miller). Das war zwar immer noch besser wie Volks- oder Marschmusik, aber dennoch für mich nicht der Brüller, hörte ich doch Deep Purple und Led Zepellin...

Es gibt bei dieser Betrachtung jedoch einen ganz gewaltigen Unterschied: Ob Deep Purple oder Linkin Park. Es ist beides Rock 'n' Roll Und Glenn Miller ist eine ganz andere Baustelle.

Alles was man heute so hören kann, ist eigentlich in den 60gern oder 70gern entstanden und wird nur irgendwie neu kombiniert....
Daher ist es für meine Söhne auch selbstverständlich, aus dem Fundus des Vaters sich die Sachen auf den Rechner zu ziehen......

So, schluss jetzt mit der Doktorarbeit....
.... wenn der muelrich einmal labert, findet der eh kein Ende mehr...


Gruß & Grins
Uli M

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hallo Uli,


:
: Was aber keinesfalls innovativ ist, ist, weder seine Gitarre richtig zu stimmen, geschweige denn diese annähernd spielen zu können und diesen Diletantismus dann als "Kunst" zu verkaufen......
:


Und ich wage mal zu behaupten, dass man auf diese Weise ganz große Kunst machen kann. Es kommt nicht darauf an, was Du für Werkzeuge hast, sondern wie Du sie einsetzt.

Schönen Gruß,
Johannes


Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hallo!

Wir "verstehen" mehr von Musik (und ihrer Theorie) als der gemeine Bürger, weil wir ein Instrument spielen.

Das bestreite ich.

Der Nichtmusiker hört Musik und findet die gut oder schlecht und weiß eigentlich nicht (wirklich), warum. Bei uns hingegen müsste das anders sein.
Beispiel: ich höre ein Stück, dass groovt toll und plötzlich denke ich, hey, geschuffelter 3/4.... oder erkenne geile Harmonien oder oder usw....


Und ich höre Musik und empfinde sie als imho im Moment gut oder imho im Moment nicht gut. Einige Musikstücke liebe ich und werde sie wohl immer lieben.

Ich habe versucht, die zu analysieren und ich bin gescheitert. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich über dieses Scheitern froh. Ich weiß nicht, was Musik gut macht, ich muss probieren und bekomme irgendwann eine Gänsehaut, ein Grinsen oder sonstwas für einen Ausdruck einer starken Emotion. Dann ist für mich in dem Moment Musik gut. Mit Wissen hat das bei mir nichts zu tun.

Gruß

Matthias

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hallo.

Entschuldige, aber das finde ich überhaupt nicht.


"Ich verstehe ja mehr vom Essen als Du, weil ich in meiner Freizeit oft koche und Du nicht. Einige von uns Köchen haben sogar eine fundierte theoretische Ausbildung. Wir wissen daher worauf es ankommt und können Essen viel besser einschätzen und würdigen als Du."


Wenn mir ein Koch so käme, würde ich ihn für sehr arrogant halten. Ich würde sagen, dann koche doch für jemanden der Dich zu schätzen weiß, am besten nur Dich selbst.

Tja, das würde ich sagen.


Gruß,
groby
*

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi Uli,

Der Nichtmusiker hört Musik und findet die gut oder schlecht und weiß eigentlich nicht (wirklich), warum. Bei uns hingegen müsste das anders sein.

Beispiel: ich höre ein Stück, dass groovt toll und plötzlich denke ich, hey, geschuffelter 3/4.... oder erkenne geile Harmonien oder oder usw....

Ist es nicht so, dass wir Musiker, egal ob bewusst oder unbewusst, jegliche Musik immer ein kleines Stück analytischer hören als Andere?

Und daher erkennen wir "Musik", die langweilig, schlecht gespielt, diletantisch hingerotzt oder was weiß ich....


Also ich kann natürlich nur über mich reden, aber genau das trifft bei mir eigentlich nicht zu. Ich denke ich kann halbwegs die "technische Qualität" (was man jetzt auch immer darunter verstehen mag) von Musikstücken/Musikern beurteilen, aber das Urteil ist (für mich) völlig irrelevant ob mir was gefällt oder nicht. Wen das so wäre könnte ich glaub ich die mehr als die Hälfte meiner Lieblingslieder nicht mehr hören.

Also ich als Musiker weiß auch nicht genau warum mir was gefällt und was anderes nicht, jedenfalls kann ich es nicht an einer wie auch immer gearteten musikalischen Qualität festmachen. Ich glaube für mich ist Musik gut wenn sie mich emotional berührt und das hängt von ganz anderen Faktoren ab.

Vielleicht passiert mir auch daher öfter mal sowas wie (frei erfundenes Beispiel, aber so ähnlich schon x-mal erlebt): Hey du findest Hendrix, SRV o.ä, gut, aber Tocotronic? :-) Für mich ist beides gleich gut.

Rock'n'Roll

Guido

N.P. Tocotronic, Ich habe Stimmen gehört scnr ;-) liegt aber gerade wirlich im Laufwerk.

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Johannes !

Und ich wage mal zu behaupten, dass man auf diese Weise ganz große Kunst machen kann. Es kommt nicht darauf an, was Du für Werkzeuge hast, sondern wie Du sie einsetzt.

Schwierig, schwierig, die Diskussion hierüber ist zudem sowieso müßig..... weil wir im Rheinland sagen: jeder Jeck is anders !

Ich könnte ja antworten: Beuys ist auch große Kunst und trotzdem würd ich mir keinen in die Wohnung hängen/stellen...

Ich möchte Dich aber anders "kriegen":

Nimm Trey Gunn - Rune Song.
Da ist auf der einen Seite so viel Stimmung und Emotion drin und auf der anderen Seite ist das technisch auf einem dermaßen hohen Niveau. Das spricht mich bauch-, herz- und kopfmäßig total an. Das ist die künstlerische Apotheose... (häää, schon wieder so'n Fremdwort...)

Oder andere Baustelle:
Wenn Paul Rodgers oder Glenn Hughes singen, dann stimmt da alles. Stimmlage, Melodieführung, Phrasierung, Groove. Das ist schlicht und einfach genial. Wenn dagegen der Kurt C. sein Ein-Oktaven-Genuschel abdrückt, dann ist das .... (jedes weitere Wort wäre rein subjektiv)
Aber unter uns Musikern gefragt: Warum soll ich dem Kurt beim Nölen zuhören, wenn ich den Glenn hören kann ?????

Wobei wir wieder beim Thema Zeitverschwendung wären.

Zurück zu deinem Spruch von oben: jegliche Diskussion, ob man erst das (technische) Rüstzeug lern sollte, ist rein akademisch. Skalen und Harmonien sind in der Musik das, was in der Sprache Grammatik und Vokabular.... und ohne das kann ich mich nicht vernünftig ausdrücken. Klar kann ich mich z.B. in Italien verständlich machen und was zu essen ordern. Ein ordentliches Gespräch mit einem Italiener über ein (beliebiges) Sachthema zu führen, ist aber was ganz anderes....
Klar: Grammatik und Vokabular machen aus mir auch noch keinen Dichter....

Hier erstmal Ende der Durchsage....Finger wund

Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Sorry, so sollte das nicht klingen.

Es gibt sicherlich menschen, die kein Instrument spielen und dennoch ne Menge von Musik verstehen und damit meine ich nicht mal theoretische Kenntnisse, sondern die fühlen das einfach.

Dennoch denke ich, dass wir Musiker (aus der Natur der Sache heraus) immer etwas analytischer hören.....

Verständlich, nachvollziehbar ???????


Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi Guido

Ich glaube für mich ist Musik gut wenn sie mich emotional berührt und das hängt von ganz anderen Faktoren ab.


Du hast ja Recht.

Wie ich schrub, finde ich als Sänger Paul Rodgers und Glenn Hughes gut. Weil das terisch gute Sänger sind.

John Martyn und Van Morrison find ich aber auch gut und das sicherlich nicht, weildas so tolle Sänger sind, sondern weil die Mucke mich emotional berührt.

Gruß Uli

Ich habe übrigens eben bei jpc mal schnell reingeschnüffelt in Sonic Youth und Tocotronic. Wobei die ja beide relativ viel gemacht haben und ich keine Ahnung habe, was man davon so hören sollte.

Sonic Youth (der Ausschnitt je 30 Sek. war von 1983) war nicht uninteressant, aber der Gesang nicht wirklich meine Wellenlänge. Und Mucke mit "nicht"-ansprechendem Gesang hats bei mir sehr sehr schwer.

Totcotronic klang nach zwei netten Gitarren, mittelmäßigem gesang und eher Brit-Gitarren-Pop.... Das ist auch wieder so ne Richtung, bei der ich mich schwer tue, weil es das original schon in den 60gern gab, und ich auch diese Mucke nicht wirklich höre.
Als deutsche Band dann schon eher Königwerq. Das ist zwar auch nur die hundertste Version einer Soul/Funk/Pop-Kapelle, aber schöner Gesang, gute Melodien, geile lockere Grooves... was will ich mehr ?????

Für spezielle Anspieltipps bzgl. der beiden o.g. Bands wäre ich dennoch dankbar....

Re: (Meinung) Mein Problem mit

:
: Oder andere Baustelle:
: Wenn Paul Rodgers oder Glenn Hughes singen, dann stimmt da alles. Stimmlage, Melodieführung, Phrasierung, Groove. Das ist schlicht und einfach genial. Wenn dagegen der Kurt C. sein Ein-Oktaven-Genuschel abdrückt, dann ist das .... (jedes weitere Wort wäre rein subjektiv)


Genau, subjektiv. Für mich war Nirvana das beste, was der Pop-/Rockmusik nach den gräßlichen 80ern passieren konnte.
Genauso wie der Punk nach den Exzessen von Yes und ELP das beste war, was der Musik damals passieren konnte (und ich habe sowohl Yes- als auch Punkplatten in meinem Schrank stehen :-) ).

: Zurück zu deinem Spruch von oben: jegliche Diskussion, ob man erst das (technische) Rüstzeug lern sollte, ist rein akademisch.

Ich finde das überhaupt nicht akademisch, sondern von sehr praktischer Relevanz.

Skalen und Harmonien sind in der Musik das, was in der Sprache Grammatik und Vokabular.... und ohne das kann ich mich nicht vernünftig ausdrücken. Klar kann ich mich z.B. in Italien verständlich machen und was zu essen ordern. Ein ordentliches Gespräch mit einem Italiener über ein (beliebiges) Sachthema zu führen, ist aber was ganz anderes....
: Klar: Grammatik und Vokabular machen aus mir auch noch keinen Dichter....
:


Genau, Ernst Jandl hat z.B. sehr einfache Strukturen in seinen Gedichten benutzt, die Grammatik von "Ottos Mops" oder ähnlichen Gedichten beherrscht auch ein kleines Kind. Aber wie er sie einsetzt, das ist seine Meisterschaft.

Genauso kommt es darauf an, wie jemand das einsetzt, was er auf seinem Instrument kann. Mich kann eine Punkband mit einem drei-Akkord-Stück womöglich mehr berühren ( als Yngwie Malmsteen mit seinem technisch brillanten Gitarrenspiel.

Viele Grüße,
Johannes

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hallo Johannes,

"Und ich wage mal zu behaupten, dass man auf diese Weise ganz große Kunst machen kann. Es kommt nicht darauf an, was Du für Werkzeuge hast, sondern wie Du sie einsetzt."

dabei muß ich an eine meiner Langspielplattten denken, AMM III, I had been an ordinary enough day in pueblo, colorado. Einer der beiden (müßte jetzt suchen) spielt Gitarre und "prepaired guitar" der andere spielt ein Transistorradio.

Ob das nun innovativ war sei dahingestellt, machmal aber schön zu hören und immer ein sicherer Garant die Hütte leer zu bekommen, wenn ich es wollte.

Und überhaupt, geht mir wech mit innovativ, ich lege jetzt mal die Who auf. :-)

Viele Grüße

Jochen
hinke etwas hinterher

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hallo.

Ja, kann ich nachvollziehen, lehne ich aber für mich als Meinung ab.

Ich arbeite ein wenig im Bereich englische Sprachwissenschaft. Ich weiß was Null-Derivationen sind, resultative Konstruktionen, sematische Teilkomponenten. Blahblah.

Niemals aber würde ich mir herausnehmen zu behaupten, ich könne dadurch bessere Romane schreiben oder wisse Literatur ja viel besser einzuschätzen als der normale Mensch.

Und einen Satz der anfängt mit "Im Gegensatz zum Normalleser können wir Sprachwissenschaftler ja viel besser ....[irgendwas]" würde ich weder denken, noch sagen, noch das Buch dessen, der es gesagt hat, kaufen wollen.

Find' ich einfach Quatsch, sowas.

Ich kenne allerdings zwei Leute die so denken. Sie machen Musik und schreiben Gedichte. Was meinst Du was dabei herauskommt?

Genau. Grauenvoll angestrengte Selbstdarstellungen und Angebereien oberster Kajüte.

Selbst ihre Bescheidenheit ist ein sorgfältig einstudierter Teil ihrer stickigen eigenen Sich-In-Szene-Setzung.

Ich lehne das ab.


Kenntnisse von Musiktheorie oder -geschichte können helfen in der Umsetzung eigener Musik. Zum besseren Richter über Musik macht es einen nicht. Zum besseren Musiker auch nicht, denn wer nichts zu sagen hat, dem nützt das Wissen nichts. Er könnte höchstens der Versuchung unterliegen, das reine Vorzeigen des Könnens schon zum musikalischen Inhalt zu machen.

Och, nöh. Dann lieber Bob Dylan.


Gruß,
groby
*

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

: Wir "verstehen" mehr von Musik (und ihrer Theorie) als der gemeine Bürger, weil wir ein Instrument spielen.
:
: Das bestreite ich.
Ich auch!

: Und ich höre Musik und empfinde sie als imho im Moment gut oder imho im Moment nicht gut. Einige Musikstücke liebe ich und werde sie wohl immer lieben.

Genau, bei mir ist das von Willi Schneider "Hab in meinem Herzen" über Ella Fitzgeralds Version von "Misty" zu Rickie Lee Jones "last chance texaco"... und das nicht weil da jemand nur geil singt und sich ein Stimmband 4712 die Minute reibt... Emotionen, that's it. Analytisch hören habe ich ganz schnell wieder verlernt und packt das nur aus, wenn ich einen Song raushöre.

: Ich habe versucht, die zu analysieren und ich bin gescheitert. Und wenn ich ehrlich bin, bin ich über dieses Scheitern froh. Ich weiß nicht, was Musik gut macht, ich muss probieren und bekomme irgendwann eine Gänsehaut, ein Grinsen oder sonstwas für einen Ausdruck einer starken Emotion. Dann ist für mich in dem Moment Musik gut. Mit Wissen hat das bei mir nichts zu tun.

200,78941 Prozent Zustimmung,


Grüße
Rolli

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hallo!

Wenn Paul Rodgers oder Glenn Hughes singen, dann stimmt da alles. Stimmlage, Melodieführung, Phrasierung, Groove. Das ist schlicht und einfach genial. Wenn dagegen der Kurt C. sein Ein-Oktaven-Genuschel abdrückt, dann ist das .... (jedes weitere Wort wäre rein subjektiv)

Aber unter uns Musikern gefragt: Warum soll ich dem Kurt beim Nölen zuhören, wenn ich den Glenn hören kann ?????


Unter uns Musikern geantwortet: Weil Kurt etwas konnte, was Paule und Glenn nicht können. Kurt konnte Unmengen Menschen emotional berühren und das Sprachrohr wenn nicht einer Generation, dann wenigstens einiger Jahrgänge werden.

Paul Rogers ist nur "der Neue bei Queen, der nicht so gut ist wie Freddie". scnr

Noch ein Beispiel gefällig? Wenn Billy Cobham endlich mal was über Groove lernen will, soll er sich an Charlie Watts wenden. Oder zur Not Ringo Starr.

Das ist nur meine Meinung, klar. Ich akzeptiere auch jede andere - nur diese Tendenz, Musik nach instrumentalem Können zu beurteilen, hat etwas von Sport und Wettbewerb. Und davon ist Musik als Kunstform weit entfernt.

Gruß

Matthias

Re: (Meinung) Mein Problem mit

: Aber unter uns Musikern gefragt: Warum soll ich dem Kurt beim Nölen zuhören, wenn ich den Glenn hören kann ?????

Hi Uli,
und da kommt jetzt ausgerechnet der liebe Rolli und fällt Dir mal richtig satt in den Rücken :-)

Weil der Kurt mit dem Nölen u.U. das Lebensgefühl einer "fast" ganzen Generation ausgedrückt hat, während bei Glenn halt vokalisierte Noten kommen.

: Zurück zu deinem Spruch von oben: jegliche Diskussion, ob man erst das (technische) Rüstzeug lern sollte, ist rein akademisch. Skalen und Harmonien sind in der Musik das, was in der Sprache Grammatik und Vokabular.... und ohne das kann ich mich nicht vernünftig ausdrücken. Klar kann ich mich z.B. in Italien verständlich machen und was zu essen ordern. Ein ordentliches Gespräch mit einem Italiener über ein (beliebiges) Sachthema zu führen, ist aber was ganz anderes....

Hach, das sehe ich auch schon wieder anders....
Sprache hat mehr als die vokale Ebene, genau wie Musik nicht nur Noten sind! Ich behaupte, dass es möglich ist einen anderen - in diesem Fall Italiener - tiefer zu verstehen auch ohne dessen Sprache zu sprechen. Du magtst formal recht haben, wenn es um eine verstopfe Klospülung oder z.B. einen technisch komplexen Sachverhalt geht, aber emotional bist Du imho auf'm falschen Dampfer, denn in der menschlichen Beziehungen spielen halt mehr Dinge eine große Rolle als Grammatik, Sprache, Vokabular. Und das ist vorallem Sinnlichkeit oder so was wie Geistes/Seelenverwandschaft und da gibt es Kommunikation jenseits der vokalen Sprache.... Aber das führt vielleicht zu weit, kann aber mal als Anregung dienen, weiterzudenken....

Liebe Grüße

Rolli

PS: Aber ich bin natürlich auch der Meinung, dass es sehr nützlich sein kann, ein Instrument möglichst "gut(?)" zu beherrschen.... Andererseits - Neil Young wäre wahrscheinlich mies, wenn er gut wäre?!?!?!?



Re: (Meinung) Mein Problem mit

Mojn 2T,

nur diese Tendenz, Musik nach instrumentalem Können zu beurteilen, hat etwas von Sport und Wettbewerb. Und davon ist Musik als Kunstform weit entfernt.

Na prima, sind wir ja wieder einer Meinung. Dann versteh ich aber wirklich nicht, was Du gegen die A*jams hast.

Schöne Grüße y nos vemos en paraiso (Berlin), 1T

NP: AJ 22, Burke from outer space


Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hallo zusammen,
die Frage, die sich mir gerade stellt, nachdem ich den ganzen Thread gelesen habe, ist, ob "innovativ" überhaupt was über Qualität aussagt.
Ich persönlich kenne zwei Sorten von Musik.
Musik, die mir Spaß macht, und Musik, die mir keinen Spaß macht.
Wobei der Begriff "Spaß" dabei ähnlich stark schwankt, wie die Zuordnung der Musik in die eine oder andere Kategorie.
Gruß,
Woody

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Tach Groby!

Tja, diesmal halte ich's eher mit Uli - muss ja auch mal sein, schliesslich ist bald Session, und ich will ja nicht nur schwarze T-Shirts mitnehmen ;-)

Dein Vergleich trifft nämlich genau den Nagel auf den Kopf, hab ich erst dieses Wochenende wieder gemerkt.

Ich höre Musik definitiv nicht so wie ein "normaler", d.h. musikpraktisch und -theoretisch unbeleckter Durchschnittskonsument. Ich höre "aha, Tonartwechsel" oder "interessante Modulation", "schöner Rhythmuswechsel" oder "gutes Arrangement", manchmal auch "yess, Schlagertrick (der berühmte Halbton höher kurz vor Ende)". Das kriegt der Durchschnittshörer nicht mit. Ihm gefällt's trotzdem, mir auch.

Ich maße mir deshalb aber nicht an, Musik als gut oder schlecht zu bewerten, jedenfalls nicht wegen der Kriterien.

Ganz genauso ist es mit der Sprache - ich war dieses Wochenende mit der Firma auf 'nem Betriebsausflug und habe Samstag abend noch mit einem französischen Kollegen bis um drei bei einigen Bieren ein wenig geschnackt. Meistens lief die Konversation auch von mir unbewusst ab, aber manchmal kam der Grammatikflash ("aha, Null-Derivation, resultative Konstruktion, semantische Teilkomponente", auch wenn das jetzt Grammatiklevel 2 ist und ich eigentlich gar nicht weiß, was das heißt, aber die einfachen Sachen halt "aha, Subjonctif", du weißt, worauf ich raus will). Ich nehme auch die deutsche Sprache wegen der intensiven Beschäftigung mit Fremdsprachen gelegentlich bewusster wahr als 90 % der Bevölkerung (naja, eher noch mehr :-) ).

Wenn ich Uli richtig verstanden habe, ist das seine Kernaussage - wir hören Musik anders. Wir wissen, dass die Großen auch mit Wasser kochen, manchmal sogar, mit welchem Wasser. Das erlaubt uns dann, das Ganze tiefergehend als "schön" oder "doof" zu beurteilen. Häufig kommt bei mir im Ergebnis aber ein "trotzdem schön" raus :-)

Uli ging es in seinem Posting um das Beurteilen, nicht um das Machen von Musik. Wenn ich das richtig verstanden habe.

Naja. ad infinitum

Nos vemos en infierno, Pepe

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi.

Ach, ja, ich schreib mal ein bißchen was, okay?


Es ist schön, wenn man Musik auch mal nur mit der linken Hirnhälfte betrachtet. Aber das macht doch Musik nicht wirklich aus, oder? Für mich zumindest nicht.

Daß grammatische Kenntnisse bei Fremdsprachen helfen und den Sinn für die deutsche Sprache schärfen, ist sicher richtig. Viel wichtiger für den Zuhörer ist doch aber, hast Du was zu sagen und ist es interessant?

Es gab mal einen Autor - ich könnte jetzt besser prahlen wenn mir sein Name noch einfallen würde - der schrieb in einer für ihn fremden Sprache die er selber schlecht beherrschte, mit der Begründung, das erfrischte seine Sichtweise und die Worte klingen für ihn dann viel bewußter, deutlicher und klarer.

So ähnlich ist es doch auch, wenn man mal ein Instrument in die Hand nimmt, dass man sonst nicht spielt. Melodien die man auf seinem Hauptinstrument vielleicht banal finden würde, klingen frisch und interessant. Ich behaupte also, dass auch mal das Gegenteil von Ulis These zutreffen kann: Instrumentenkenntnisse können den Sinn für interessante Musik nicht nur schärfen, sondern auch trüben und verzerren.

Aber warum habe ich mich eigentlich ursprünglich eingemischt?

Ach ja, ich weiß wieder: Mein alter Musiklehrer


Ich hatte auf dem Gymnasium einen alten, verknarzten Musiklehrer, äußerlich dick aber innerlich karg. Er war 64, gefühlt 85, und ein verbiesterter alter Knarz, der sich um ein Leben als Künstler und Pianist betrogen fühlte, sich mit einer weniger umjubelten Stelle als Musiklehrer eines Kleinstadtgymnasiums eher schlecht arrangiert und sich daher in seine Rolle als Richter über den richtigen, weil musiktheoretisch-fundierten, Geschmack hinein-verbittert hatte.
Für ihn bestand Musik aus Noten auf Papier, nicht aus Klängen und Tönen im Raum und moderne Pop-Musik war ihm ein Gräuel. Die einzigen Seiten unseres Musikbuches die uns wirklich interessierten und magisch anzogen - das Populärmusik-Kapitel mit dem ethnischen, daher kulturhistorisch legitimiertem Bob Marley und den wenigstens quasi-symphonischen Pink Floyd - waren dann auch die einzigen die unser Lehrer durch drei Jahre Unterricht hindurch ignorierte. Vermutlich hegte er sogar einen Groll gegen den Verleger, dass er den jungen Leute diese Flausen in den Kopf setzt, auch diese Musik könne im Unterricht irgendwie erwähnenswert sein.
Dann und wann im Unterricht ging er für ein paar Sekunden nach nebenan in sein abgretrenntes Büro und wenn er wiederkam stank er nach Schnapps. Seine Pantoffeln, seine Pullover, seine Haare und sein Gesicht hatten alle einen ähnlichen Grauton.
Er sagte Sachen wie "Teleman enttäuscht nie" und bescheinigte mir komplette Unmusikalität da ich weder in Akkordinversionen noch im Transponieren glänzte, wobei diese Dinge für mich soviel mit Musik zu tun hatten wie das Lernen von biochemischen Vorgängen der Nebenhoden in Sexualkunde mit echtem Sex zu tun hat. Irgendwie schon aber eigentlich nicht. Eigentlich sogar hauptsächlich überhaupt nicht.
Musik fand ich immer schon fast das tollste was es gibt und ich hätte gerne im Unterricht interessantes über Musik erfahren. Aber so war es das erste was ich abgewählt habe als ich die Chance hatte. Schnell weg von diesem kalten Menschen, der sich Urteile anmaßt die ihm nicht zustehen, der alleine entscheiden will, was musikalischer Wert ist und wer ihn hat, schnell weg von diesem Mann, der über Musik nur denken kann wie über den Kadaver eines toten Tieres.

"Bloß nicht so werden wie der", habe ich mir gesagt. "Bloß nicht einbilden, mein Urteil über Musik sei gewichtiger oder 'wahrer' als das eines anderen. Bloß nicht von Theorie auf Musik schließen, bloß nicht Geschmacksurteile mit Werturteilen verwechseln."




Gruß,
groby
*

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Johannes !

: Genau, subjektiv. Für mich war Nirvana das beste, was der Pop-/Rockmusik nach den gräßlichen 80ern passieren konnte.

So schlecht waren die 80ger auch nicht. Das tut einem alten Toto-Fan sonst weh.....;-)

: Genauso wie der Punk nach den Exzessen von Yes und ELP das beste war, was der Musik damals passieren konnte (und ich habe sowohl Yes- als auch Punkplatten in meinem Schrank stehen :-) ).

Sorry, hier scheiden sich jetzt unsere Geister.
Punk, Grunge, Brit-Pop:
hammer nitt, kri'emer nitt, bestelleme nimmer ;-)

Wahrscheinlich ist es so, dass die Kopf-Fraktion in meinem Kopf die absolute Mehrheit inne hat.
Selbst bei Tower of Power, wo der Fuß wippt, denke ich daran, was der Prestia für geile Bassläufe spielt.....

Thema Malmsteen:
Er kam raus, war neu (innovativ will ich ja nicht mehr missbrauchen), die "Marching Out" von 85 ist einfach ne geile Scheibe.......und alles danach ist Langeweile, weil die Wiederholung der Wiederholung.

Thema 80ger:
Ich sage ja auch immer, die 70ger waren das Beste (da nbin ich ja auch aufgewachsen....), und alles danach nicht mehr so prickelnd, aber auch in dieser Zeit gab es "gute" Musik.

Ohne das aufzählen zu wollen.... wenns Dich interesseirt, findest Du meine persönliche Rock History unter hans-ulrich-mueller.de im Menu Einflüsse....

Freundliche Grüße

Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Morgen Robert,

Vielleicht liegt es in der Natur der Innovation, dass es die vorige Generation - wenn ich mal so frech sein darf - nicht versteht, weil sie Innovation und überhaupt Qualität nur an der Erfüllung jener Normen messen kann, die jene neue Musik gerade als irrelevant ablehnt.

Sagst du damit auch (so zwischen Zeile 2 und 3), dass es ein kriterium "inovativer Musik" ist, anders zu sein als bereits Bestehendes? Da ja die "bestehenden Normen" so irrelevant sind?

Falls dem so ist, muss ich mal kurz kichern. Seine Zielvorgabe daran auszurichten, etwas anders zu machen als andere ist fremdbestimmt bis zum Anschlag und nicht innovativ, sondern das negative Abziehbild der Konvention. Die 13 und 14-jährigen machen das so... die werfen ihre Coladose nicht in den Müll, sondern stellen sie auf die Mittellinie der Straße, um sich *anders* zu verhalten...



Ich muss gleich erstmal ne Runde Lance Lopez hören. Ob das innovativ ist, weiß ich nicht (mehr), aber ein Killer-Gitarrist.

Gruß, ferdi


Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi Pepe !

: Wenn ich Uli richtig verstanden habe, ist das seine Kernaussage - wir hören Musik anders.

Danke für diesen Beitrag, denn genau das und nix anderes wollte ich sagen, auch wenn ich's scheisse ausgedrückt habe....

Und jetzt sag' ich nix mehr dazu, sonst erzähle ich noch, dass Billy Cobham auf der neuen Frank Gambale groovt wie Sau *grinsmodus=on*

Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi,

Ich weiß was Null-Derivationen sind, resultative Konstruktionen, sematische Teilkomponenten. Blahblah.

[...]

Ich kenne allerdings zwei Leute die so denken. Sie machen Musik und schreiben Gedichte. Was meinst Du was dabei herauskommt?

sind das solche, die bei Stichworten wie "transformative Generationsgramatik" interessiert den Bart zupfen?

Ich finde auch, dass Literatur zum Lesen da ist, und nicht so seht zum Schreiben... mir persönlich hat das Litarturstudium zweier Fächer 80% meiner Lesemotivation geraubt, und jetzt muss ich dermaßen viel für die Schule lesen und analysieren, dass ich fast gar nichts mehr lese. 2 private Bücher letztes Jahr.

Als Musiklehrer würde ich wohl nur noch Ramones hören, wenn überhaupt. Wäre übrigens keine innovative Musik, wenn ich das jetzt richtig verstanden habe. Ob sie es mal war, will ich dahingestellt sein lassen.

Gruß, ferdi

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Tach Groby!

: Ach, ja, ich schreib mal ein bißchen was, okay?

Oh, ich bitte darum. Deine Beiträge geniesse ich immer, auch wenn wir gerade mal nicht einer Meinung sind.

Und wie immer hast du Recht - die Tatsache, dass man Ahnung von Musiktheorie hat, lässt einen nicht zu einem besseren oder interessanteren Musiker werden, genausowenig, wie die vertiefte Grammatikkenntnis dazu führt, dass man auch was zu sagen hat.

Das ist ja auch die aktive Seite - ich sprach aber nur von der passiven. Und weil da jetzt die Hirnhälften ins Spiel kommen: Genau das ist doch der Punkt. Wir (also ich jedenfalls) höre Musik und Sprache eben auch mit der linken Hirnhälfte (keine Ahnung, ob man das nicht sowieso tut, man hat ja schon Pferde ... Apotheke ...), während die "normale" Bevölkerung das eben nicht macht. Natürlich hören wir nicht AUSSCHLIESSLICH mit der linken Hirnhälfte (um Gottes Willen), aber eben AUCH.

Mehr wollte ich eigentlich gar nicht sagen :-)

Nos vemos en infierno, Pepe

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi Pepe !

Ganz meine Meinung !

Anderer Problem:

Warum denke ich immer, dass es nos verremos en infierno heißen muss? "vemos" ist natürlich richtig, weil präsens 1 Person Plural: wir sehen.
Vielleicht ist verremos ja Futur.
Kann leider kein Spanisch, sondern nur Italienisch.

Aber könnte irgendjemand die Synopsen meiner linken Gehirnhälfte stimulieren, will sagen, mir das erklären....

Gruß Uli M

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Moin Uli,

: : Genau, subjektiv. Für mich war Nirvana das beste, was der Pop-/Rockmusik nach den gräßlichen 80ern passieren konnte.
:
: So schlecht waren die 80ger auch nicht. Das tut einem alten Toto-Fan sonst weh.....;-)


Naja, es gab natürlich auch gute Musik, es gab auch Talk Talk, oder die Talking Heads, King Crimsons Platten aus den 80ern sind auch echte Highlights, aber Toto fiel damals bei mir auch unter "gräßlich". ;-)

Viele Grüße,
Johannes



Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Johannes,

bin zwar schon lange nicht mehr hier dabei, aber dieser Fred bringts auf den Punkt. Ein Erlebnis vor zwei Wochen:
Ich, Baujahr 1951, war host und Musiker bei einer Offenen Bühne zwischen Baden-Baden und Freiburg. Sehr gut besucht, die Bluespolizei war auch da – aber eben auch zwei junge Bands mit einer Interessenslage zwischen Nirvana und Beatsteaks. Ich lies die Jungs schon ziemlich früh je vier Songs abledern, gottvoll war eine Fun-Punk-Version von Paul Ankas "Dianas". Wurde alles recht wohlwollend aufgenommen… Danach sagte ich dem recht gemischtalterigen Publikum, wie ich es toll fände, dass junge Bands bei uns im Landkreis inzwischen auch mal etwas anderes als Blues und Boogie machen würden. Und das es sehr anständig war, wie das Publikum das akzeptiert, goutiert und applaudiert hat.
Einer von der Bluespolizei – ein sehr fähiger Gitarrist, der auch spielte – sagt zum Abschied zu mir: "Alter, deine Bemerkung vorhin fand' ich richtig Scheiße!"
Mehr Worte nötig?

Beste Grüße, Jo

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Tach Uli!

: Warum denke ich immer, dass es nos verremos en infierno heißen muss? "vemos" ist natürlich richtig, weil präsens 1 Person Plural: wir sehen.
: Vielleicht ist verremos ja Futur.
: Kann leider kein Spanisch, sondern nur Italienisch.

Deine Synapsen funktionieren durchaus richtig und logisch - allerdings sagt man ja auch im Deutschen "man sieht sich", wenn man eigentlich meint "man wird sich sehen".

Ist halt so :-)

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Jo,

: Hi Johannes,
:
: bin zwar schon lange nicht mehr hier dabei,


Umso schöner, Dich mal wieder hier zu lesen. :-)

aber dieser Fred bringts auf den Punkt. Ein Erlebnis vor zwei Wochen:[schnipp]

Kein Kommentar, solchen Leuten ist nicht zu helfen. Aber Intoleranz gegenüber anderen Musikstilen gibt's ja nicht nur auf dem Lande. Man muss sich nur mal anhören, was Wynton Marsalis für Ansichten zum Jazz hat. Dem kann es ja auch nicht puristisch genug sein.

Viele Grüße,
Johannes

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Johannes
Naja, es gab natürlich auch gute Musik, es gab auch Talk Talk, oder die Talking Heads, King Crimsons Platten aus den 80ern sind auch echte Highlights, aber Toto fiel damals bei mir auch unter "gräßlich". ;-)

Von den drei von dir genannten Bands kenn ich eine nicht wirklich, eine find ich "Geht so" und eine genial... iss ja klar, welche, neeee???

Und sorry, aber Toto, ob mit Jeff Porcaro oder mit Simon Philips hat eine dermaßen groovende Rhythmusgruppe. Daher, sorry, dass ich es nicht nicht nachvollziehen kann, wie man die scheisse finden kann (nicht mögen kann ich noch grad gelten lassen *grins*)

Ich denke bei den 80gern z.B. an:

1980: Ozzy Osbourne - Blizzard of Ozz (mit dem geilen Randy Rhoads an der Gitarre)
1981: Judie Tzuke - I am the Phoenix (ist meine Lieblingssängerin seit vielen Jahren)
1982: Pekka Pohjola - Urban Tango (finnischer symphonischer Jazz-Rock)
1985: Allan Holdsworth - Metal fatigue
1986: It Bites - The big lad
1986: Eric Johnson - Tones (ein Jahrzehnt, welches diesen meinen Lieblings-Gitarristen hervorgeracht hat, muss ein gutes Jahrzhnt sein)
1988: Living Colour - Vivid (das war für mich eine innovative Platte, weil das die Geburtsstunde von Crossover war)
.... nur um mal einige Beisiele zu nennen.

Dann denke ich natürlich an das, was mich in diesem Jahrzehnt als aktiver Gitarrist so beeinflusst hat: Triumph, Pat Travers, Whitesnake, Max Webster, Saga, Rush.

Also, das war schon eine tolle Zeit.
Aber gewiss hat jeder seine ganz persönlichen Erinnerungen an Musik, die einen in einer Zeit begleitet hat.

Daher gilt wie immer: ALLES IST RELATIV

Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Morgääähn Männer,


: So sehe ich das zumindest. Wer allerdings tatsächlich heute noch Grunge als innovativ beschreibt, hat irgendein Problem mit der Vergangenheitsbewältigung... :-p

Hey? Grunge war DIE Innovation! Endlich nicht mehr solange sparen, weil: ein halfstack und ne Schrottschraddel tuts auch ;-)

Aber... durchaus ernstgemeinte Beobachtung: dieser Wechsel der Garagenbands in den Mittelpunkt der Marketingwelt Anfang der 90er hat für einen großen Teil der "Jugend" einen Schlußstrich unter die "verstaubten" Nachkommen der 80er-Gniedelfatzkes gesetzt und vielen gezeigt, daß es rohe (wenn auch musikalisch nur zum Teil vertretbare), emotional motivierte Musik gibt, die herausbrechen will.

Ich will mich da garnicht groß auslassen, weil eh schon zu viel geschrieben wurde, als daß ich da noch zu allem meinen Senf gebe, geschweige denn neue Grundsatzfragen aufwerfe.
Nur soviel, Kurt C. naja... kein Meister, aber ein Ventil für Gedanken, die offensichtlich von vielen geteilt wurden. Interessanter (nicht nur weil musikalischer): Dave Grohl. Der gute Mann hat es geschafft (...nein nein, ich sag nicht innovativ! Wär auch falsch), über inzwischen bald 15 Jahre konstant in einer Vielzahl von Bands und Projekten zu spielen, die z. T. früher oder später prägend für aktuelle musikalische Entwicklungen wurden.
Find ich geil...

Ich bin ja noch einer von den Jüngeren hier und hab nach dem Blues von GnR (meine erste Platte mit 8) doch ordentlich zu dem "neuen Krach" Grunge abgefeiert. Wahrscheinlich sogar deswegen begonnen Gitarre zu spielen.
Conclusio: Grunge = supi, weil ich spiel jetz Gitarre. Danke

Grüßle, Noelch
(der StoneTemplePilots immer viel geiler fand als Nirvana)

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Noelch

: Conclusio: Grunge = supi, weil ich spiel jetz Gitarre. Danke

Sag ich doch: Jeder hat seine persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen.
Von Ende der 80ger bis Mitte der Neunziger hab ich geheiratet, bin Vater geworden, hab mich selbständig gemacht, bin vom Rheinland nach Sachsen-Anhalt gezogen, habe dort mit Familie, Haus und Firma komplett neu angefangen und von ca. 1994 bis 2000 war mein Status als aktiver Musiker im Dauerstandby..... kann es daran liegen, dass ich mit diesem Jahrzenht musikalisch nicht viel am Hut habe ??????

Obwohl ich da immerhin u.a. folgendes entdeckt habe:
Rage against the machine, Dream Theater, John Scofield(ja den gabs auch schon vorher....), Vanden Plas, Spock's Beard und Gov't Mule....

Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Mahlzeit Uli,

jo, da nick ich zustimmend. Musik ist im Grunde für jeden eine andere hörbare Emotion und ist untrennbar mit Erfahrungen und Lebensabschnitten verknüpft.
Auch wenn ich erst Mitte 80 zu einem bewußten Musikkonsumenten wurde, kam meine musikalische Früherziehung von meinem Bruder (*71). Also viel "80er". Trotzdem kann ich da nur wenig ab.
Dein Liebling - mein Feindbild: Toto. Super gemacht, zweifelsfrei eine Heldenband, aber mich läßts kalt wie Superstar-Alexander. So sind Geschmäcker und Vorlieben.

Aber wenn du den Zeitraum '94-2000 ansprichst - da liegen schon einige meiner "Gänsehaut-Platten" (gerade wieder aufm Plattenteller: Radiohead "the bends" und MUSE *alles*... Geschmackssache)

btw. schön, daß du nach 6 Jahren standby wieder "on" bist.

Grüßle, Noelch

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hallo Johannes, Hallo JoNec,

"Umso schöner, Dich mal wieder hier zu lesen. :-)"

finde ich auch.

"Aber Intoleranz gegenüber anderen Musikstilen gibt's ja nicht nur auf dem Lande. Man muss sich nur mal anhören, was Wynton Marsalis für Ansichten zum Jazz hat. Dem kann es ja auch nicht puristisch genug sein."

in der Juni-Ausgabe des Guitar Player ist ein Interview mit Carlos Santana und u.a. geht es auch um die Kritik, die er für seine Zusammenarbeit mit bekannten Mainstreamstars und auch berühmten Jazzgrößen eingefangen hat.

Wynton Marsalis hat wohl gesagt, daß jemand wie Santana nicht mal auf einer Bühne mit Personen wie Shorter (ich glaube es war Shorter, müßte ich nachsehen) stehen sollte, da er, Santana, ja Rock spiele. Shorter soll dazu gesagt haben, daß man Kinder aus allen Ecken der Welt in einen Sandkasten packen könnte und sie würden dann alle mit derselben Schüppe und demselben Eimer spielen.

Gruß

Jochen


Re: (Meinung) Mein Problem mit

ja und wie du das solltest ;-)
Vorallem live... eine der absolut besten Livebands, die ich bisher zu Gesicht (inkl. Ohr) bekommen habe.

Ich bin auf die Jungs gestossen, als ich WDR-Mitschnitte vom RockamRing gesehen habe und beim Umschalten maximal 8-10 Sekunden von einem Song lief. Das wars - mehr war nicht nötig.

Für mich (!)

Grüßle Noelch

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"


Morgen, Grobert

: Es gab mal einen Autor - ich könnte jetzt besser prahlen wenn mir sein Name noch einfallen würde - der schrieb in einer für ihn fremden Sprache die er selber schlecht beherrschte, mit der Begründung, das erfrischte seine Sichtweise und die Worte klingen für ihn dann viel bewußter, deutlicher und klarer.

Cortazar?

Re: (Meinung) Mein Problem mit



Genau, Woody (das wollte ich nämlich auch gerade schreiben):


: ... ob "innovativ" überhaupt was über Qualität aussagt.


"Innovativ" ist ja nett, aber gar nicht wichtig. Viel besser ist es, wenn Musik erkennbar ist. Wenn einer dann noch was kann und das ganze ein bisschen beherrscht, prima. Aber "innovativ": das klingt doch nach Pubertätsstau. Oder nach Werbefritzen.


Gruß,

Michael (J.)

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Michael

erkennbar

Auch ein komplziertes Wort. Könnte mehreres bedeuten:

Wenn ich ein Gitarrensoli von Eric Johnson erkenne, finde ich das klasse, weil der seinen eigenen Stil hat (wie macht der das bloß, so eigen zu klingen, dabei spielt der doch auch meistens Pentatonik.....)

Wenn ich Musik "erkenne", weil die 5. CD der Band XY genauso klingt wie die 4., die schon so klang wie die 3. .....
Naja, dann würde für mich "erkennbar" eigentlich eher langweilig bedeuten.

Ob (technisch) gut oder emotional berührend (oder beides), Musik kann mich begeistern, wenn sie mich überrascht !
Irgendetwas "neues" muss da passieren, dann ist die Chance, dass es mich anspricht, relativ groß.....

Vielleicht umschreibst Du "erkennbar" noch mal etwas näher...

Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Michael,

:"Innovativ" ist ja nett, aber gar nicht wichtig. Viel besser ist es, wenn Musik erkennbar ist. Wenn einer dann noch was kann und das ganze ein bisschen beherrscht, prima. Aber "innovativ": das klingt doch nach Pubertätsstau. Oder nach Werbefritzen.


Uuuups - da hat doch einer erkannt, was ich mit meinem Posting wollte :-))))

Mir geht es eigentlich nur auf den Senkel, wenn teilweise der größte Dreck als innovativ verkauft wird (und wie Woody imho richtig schrieb, Innovation nichts über Qualität aussagt). Falsch singen, out of time spielen, mit verstimmten Gitarren spielen etc. ist in meinen Augen NICHT innovativ. (Hey, ich will es keinem verbieten - ich möchte nur nicht hören, was ich doch für ein ewig gestriger bin :-))))

Gruß

Oly

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Soulbrother Oly, Johannes, Jochen

manchmal wäre es mir in der Tat lieber, mit Kindern zu spielen (nicht Jacksonmäßig). Ich meine, die Typen von dieser einen Band waren so 15 bis 17. Wie kamen die auf den ollen Schmachtfetzen "Diana"?! Das zeugt doch – egal wie gespielt – von einer Offenheit, die ich mal früher irgendwann in der Musik gesucht habe.
Übrigens, die natürlich durchaus auch musikalisch anwesende Toto-Fraktion guckte selbstverständlich gequält. So nach dem Motto: "Wie kann man nur!" Aber die denken auch, Totofeind Nec spinnt ein bisschen…

Johannes, die Rede ist vom "Tarantino" in Allmannsweier. Da waren auch schon Leute aus Freiburg. Aber ohne Stick…

Beste Grüße, Jo

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hi Oly,

:
Ich meine es jetzt vollkommen ernst, wenn ich euch frage: was ist in der Musik innovativ?

Der Ausdruck "innovativ" gefällt mir sowieso nicht. Das ist eine Worthülse, die Politiker und Musikkritiker verwenden.

Im Zusammenhang mit Musik würde ich eher von "originell" oder "kreativ" sprechen. Was originell ist, darüber kann man sich streiten. Hier mein Vorschlag zur Abgrenzung: originell ist ein Musiker dann, wenn er etwas hinbekommt

- was man vorher noch nie so gehört hat,
- was sich trotzdem (oder gerade deshalb) gut anhört
- was normalerweise nicht im WDR, bei HR3, SWR, Bayern 3 gesendet würde (oder höchstens in Auszügen 2 Minuten vor den Nachrichten).


Unter diese Definition fallen dann für mich z.B. die Beatles, Johann Sebastian Bach, Jimmy Hendrix, Dire Straits...


Innovative Grüße
Bernd

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

: :Unter diese Definition fallen dann für mich z.B. die Beatles, Johann Sebastian Bach, Jimmy Hendrix, Dire Straits...
:
: Wobei ja dann mind. 3 von den genannten Interpreten recht regelmäßig in den o.g. Sender laufen :-)
:
: Grüße
: Rolli

Inzwischen ja - seit die genannten Herren groß rauskamen sind ja ein paar Jahre vergangen. Als Newcomer hätte es Jimmy H. heute im Formatradio bestimmt nicht so leicht.

Grüße
Bernd




Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

: Hi,
:
: [Korinthenkackerklugscheißmodus AN]
: eigentlich muss es heißen "nos ve(re)mos en EL infierno".
: [Korinthenkackerklugscheißmodus AUS]

Oh, da hab' ich mich mit Burke auch schon trefflich drüber gestritten.

Der Spanier, der das zu mir gesagt hat, hat aber definitiv nicht "el" gesagt. Auch der Vergleich mit dem Französischen gibt eher mir Recht - dort sieht man sich "en enfer" und nicht "en l'enfer". Auch im Englischen sieht man sich "in hell". "In DER Hölle" sieht man sich eigentlich nur im Deutschen :-)

Nos vemos en infierno, Pepe

Re: (Meinung) Mein Problem mit



Lieber Uli,


: Vielleicht umschreibst Du "erkennbar" noch mal etwas näher ...


Gerne; das Wort löst für mich nämlich ein paar Fragen.

"Erkennbar" bedeutet, dass einerseits die Musik als solche, andererseits die Person in der Musik erkannt werden kann. Damit ist auch klar, dass "erkennbar" nicht "wiedererkennbar" bedeutet. Es ist vielmehr etwas ähnliches wie "eigen", aber nicht ganz: Auch Interpretationen/Coverversionen können Musik und Personen erkennbar machen. Nur ist es eben die Beziehung der Musik zum Menschen, was sie ausmacht.

Nebenbei ist Erkennbarkeit auch nicht auf ganze Stücke beschränkt, sondern kann sich durchaus auf einzelne Töne, Phrasierungen o.ä. beziehen. Die Musik oder Musiker, die ich gerne höre, haben immer etwas von dieser Erkennbarkeit, und was mich abstößt, ist zumeist das nur-nachgemachte, fremdorientierte, normierte.

Wichtig ist dabei, dass Erkennbarkeit kein 100-Prozent-Kriterium (absolut) ist: Jeder Ton hat etwas erkennbares; nicht-erkennbare Musik existiert nicht. Es gibt in der Musik jedoch (relativ) mehr oder weniger von dieser Erkennbarkeit. Schwer objektiv nachweisbar natürlich, aber für mich, wie angedeutet, ein vielsagendes Kriterium. Bei Gesang z.B. liegt es oft auf der Hand, aber je mehr man sich mit Musik befasst, desto deutlicher wird die Erkennbarkeit auch in anderen Elementen: Komposition, Sound, Improvisation, Performance etc.

Um ein Beispiel zu geben: Bei den meisten dieser Casting-Shows aus den letzten Jahren schien es mir, dass jede Form von Erkennbarkeit geradezu weggedrillt wurde - was aber nicht verhindern konnte, dass bei einzelnen Kandidaten doch immer wieder etwas davon aufschien; das waren dann manchmal richtig schöne Momente. Ein anderes Beispiel wäre auf genormt/nicht erkennbar getrimmte Musik in irgendeiner Essensabteilung im Kaufhaus.

Ich kann diese Dinge für mich übrigens auch ganz gut auf eigene Sachen anwenden: Gut ist es immer dann geworden, wenn ich mich selbst in einem Stück oder einem Ton erkennen kann; schlecht sind die Sachen, in denen die Beziehung zu den Tönen verlorengegangen ist. (Kommt natürlich hinzu, dass mir nebenbei auch noch handwerkliche Fähigkeiten und Kenntnisse wichtig sind, aber das ist eine andere Baustelle.)

Erkennbarkeit und Innovation schließen einander schließlich nicht aus - natürlich. Der wesentliche Unterschied liegt nur darin, dass Innovation ein außen- und Erkennbarkeit ein innenorientiertes Kriterium ist: Von Innovation kann man nur sprechen, wenn man das schon vorhandene kennt. Erkennbar wäre Musik auch dann schon, wenn es vorher noch gar keine Musik gegeben hätte.

Hieraus wiederum folgt, dass Innovation ein ephemeres (zeitgebundenes) und damit letztlich völlig irrelevantes Kriterium ist. Erkennbarkeit hingegen ist zeitlos.


Gruß nach Zerbst,

Michael

Re: (Meinung) Mein Problem mit



Lieber One-"l"


: Aber ist dann nicht auch Erkennbarkeit subjektiv, wenn (siehe anderer Beitrag) für mich Glenn Hughes einer der geilsten Sänger überhaupt ist und jemand anderes dies ganz anders sieht ???


Also, wenn ich es geschafft hätte, ein objektives Kriterium für geile Musik zu finden, könnte ich mich Ratzinger nennen. Aber leider ....

Objektiv kann es nicht sein, klar. Aber vielleicht vermittelbar? Kommunizierbar? Relevanter als "innovativ"?

Gruß,

Michael

Re: (Meinung) Mein Problem mit

: Hallo!
:
Ich bins nochmal. Mir geht nämlich EIN Satz nicht aus dem Kopf, dem ich freundlichst meine eigene (andere) Meinung entgegenhalten möchte:

Noch ein Beispiel gefällig? Wenn Billy Cobham endlich mal was über Groove lernen will, soll er sich an Charlie Watts wenden. Oder zur Not Ringo Starr.

Das ist nämlich ziemlich "böse" formuliert, so mit dem Tenor, was ist B.C. doch für ein Scheissdrummer.

Ich kann es durchaus nachvollziehen wenn das Gebolze, genauso wie das Von John Portnoy nicht jedermanns Sache ist, aber Charlie Watts bzw. Ringo Starr ???? Halllooooo???

Ich möchte nichts gegen die Beatles (genial) oder die Stones (irgendwie auch) als Gesamtkunstwerk sagen, Gott bewahre, aber ich habe in meinem leben schon mit einer ganze Menge Drummer zusammengespielt, und unter der Bezeichnung "geiler Drummer" liefen z.B. Jeff Porcaro, Simon Phillips, Neal Peart, Matt Abts, Chad Wackerman, Rod Morgenstein oder Billy Kilson um nur einige zu nennen. Als Drums-Leihe hab ich natürlich immer gefragt, warum dieser oder jener Drummer "geil" sei. Weil er abgesehen vom technischen Level relativ eifache Patterns so spielen kann, dass es groovt....
DIe beiden oben genannten waren da aber nicht dabei.

Ich denke aber, dass weder die Aussage "Billy Cobham ist ein technisch überkandidelter Bolzbruder" noch "Ringo Starr ist ein mittelmäßiger minimalistischer Grundrhythmusbeschränkter" jeweils die Wahrheit gepachtet haben. Das sind halt nur die reduzierten Extreme möglicher Betrachtungsweisen....

Feierabend für heute

Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem muelrich

Hallo Uli,

sorry, aber ich geb´s bei dir auf. Nicht, beileibe und um Gottes Willen nicht, weil ich auch nur im kleinsten Ansatz von dem überzeugt wäre, wovon du hier schreibst, sondern weil ich merke, dass ich gegen eine Wand anschreibe.

Für dich sind Technik und Musikalität eng miteinander verknüpft, für mich nicht. Für dich ist Komplexität wichtig, mir ist das völlig egal. Du hast für dich absolute Parameter für gute Musik festgelegt, das lehne ich in schärfster Form ab. Wir haben ein völlig gegensätzliches Musikverständnis und davon mal abgesehen einen total unterschiedlichen Musikgeschmack.

Ich muss zugeben, dass deine Meinung und deine Art der Diskussion mich auch ein wenig nervt, daher möchte ich mich hier lieber ausklinken. Nur eine Frage noch:

aber ich habe in meinem leben schon mit einer ganze Menge Drummer zusammengespielt, und unter der Bezeichnung "geiler Drummer" liefen z.B. Jeff Porcaro, Simon Phillips, Neal Peart, Matt Abts, Chad Wackerman, Rod Morgenstein oder Billy Kilson um nur einige zu nennen.

Noch einmal zusammengefasst: Du hast mit Jeff Porcaro, Simon Phillips, Neal Peart, Matt Abts, Chad Wackerman, Rod Morgenstein oder Billy Kilson um nur einige zu nennen, zusammengespielt? Wie soll ich mir das jetzt vorstellen? Waren die in deinem Probenraum oder warst du bei denen? Oder hast du nur zu Platten gespielt, auf denen die gespielt haben?

Gruß

Matthias



Re: (Meinung) Mein Problem mit Verallgemeinerungen

Tach Uli!

: aber ich habe in meinem leben schon mit einer ganze Menge Drummer zusammengespielt, und unter der Bezeichnung "geiler Drummer" liefen z.B. Jeff Porcaro, Simon Phillips, Neal Peart, Matt Abts, Chad Wackerman, Rod Morgenstein oder Billy Kilson um nur einige zu nennen.

Und -zack! - sind wir schon wieder meilenweit auseinander. Ich erkenne sofort an, dass die oben genannten Herren (obwohl ich von denen nur Porcaro und Phillips einordnen kann) hervorragende Schlagzeuger sind. Die spielen nämlich wie ein Uhrwerk.

Meine Uhr macht übrigens "tick-tack-tick-tack".

Auch wenn du's nicht glaubst, aber Ringo Starr hat durchaus mal absichtlich kurz neben dem Beat gespielt, und schwupps war Leben im Song. Ich kenne leider bisher keine einzige Nummer, auf der Porcaro oder Phillips mitgespielt haben, bei der ich persönlich ansatzweise etwas wie Groove entdecken würde. Aber unsere Geschmäcker sind verschieden und unsere Definitionen von Groove auch.

Wäre schon ganz gut, wenn du den letzten Satz gelegentlich mehr beherzigen würdest, als du es in diesem Posting getan hast.

Ach so, meine Lieblingsdrummer (und als Bassist sollte man sich zwangsläufig mit Drummern auseinandersetzen) heißen übrigens Ulrich Hilsamer und Joachim Hoffmann :-)

Nos vemos en Berlin, Pepe

Re: (Meinung) Mein Problem muelrich

Hi Matthias

eine Antowrt noch:

Die von mir gelisteten Drummer waren die Namen, die mir die Drummer, mit denen ich so zusammengespielt habe, als Einflüsse genannt haben.....
Präziser formuliert ????

Im wesentlichen hast Du natürlich recht, dass mein Musikgeschmack vorwiegend kopflastig geprägt ist.
"Absolute Paramter" möchte ich jedoch ablehen, da mein CD-Regal dafür viel zu unterschiedliche Musik enthält (von bretonischer Folklore bis Conlon Nancarrow oder vom Schandmaul bis Strawinsky). Wie will ich da Parameter definieren? Das einzige, was ich dort nicht stehen habe, ist Musik, die mich langweilt. Wie immer sich das definieren mag.

Gruß Uli

P.S. Ich vermute mal, dass wir trotz unterschiedlicher Herangehensweise in Berlin zusammen jammen können und Spaß haben werden.....und in de Praxis ist dieser theoretische Disput dann gar nicht mehr gegeben, oder ????

Re: (Meinung) Mein Problem muelrich

Hallo!

Ich vermute mal, dass wir trotz unterschiedlicher Herangehensweise in Berlin zusammen jammen können und Spaß haben werden.....

Das ist gar keine Frage. Lass uns da einfach nicht über Musik reden. ;-)

und in de Praxis ist dieser theoretische Disput dann gar nicht mehr gegeben, oder ????

Das werden wir sehen, wenn unsere musikalischen Welten gar nicht zusammen passen, kann es sein, dass auch nix Musikalisches passiert, wenn wir zusammen spielen. Oder es wird richtig spannend.

Bis dann.

Gruß

Matthias


Re: (Meinung) Mein Problem muelrich

Hi !

Jaa, deshalb sind wir Aussensaiter.

Wir machen Musik UND reden darüber. Oder über Gitarren oder Sounds...

Und sooo stur wie es den Anschein hat, bin ich gar nicht,
habe heute zwei Muse-CD's und eine Silverchair gehört. Alles Mucke aus "Nicht-meine-Generation" ha ha ha....

Guß Uli


Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hallo Gemeinde,

: Der Ausdruck "innovativ" gefällt mir sowieso nicht. Das ist eine Worthülse, die Politiker und Musikkritiker verwenden.
:
: Im Zusammenhang mit Musik würde ich eher von "originell" oder "kreativ" sprechen. Was originell ist, darüber kann man sich streiten. Hier mein Vorschlag zur Abgrenzung: originell ist ein Musiker dann, wenn er etwas hinbekommt
:
: - was man vorher noch nie so gehört hat,
: - was sich trotzdem (oder gerade deshalb) gut anhört
: - was normalerweise nicht im WDR, bei HR3, SWR, Bayern 3 gesendet würde (oder höchstens in Auszügen 2 Minuten vor den Nachrichten).
:
:
: Unter diese Definition fallen dann für mich z.B. die Beatles, Johann Sebastian Bach, Jimmy Hendrix, Dire Straits...


Dem würde ich mich auch anschließen. "Innovativ" klingt so nach Wirtschaftsleistung/produktiv. Der Begriff "originell" ist offener, "kreativ" paßt am besten zu unserem Genre.

"Innovativ" ist natürlich auch eine Frage der Zeit: Wer heute Beat-Musik à la Lennon/McCartney macht oder gar covert, ist nicht innovativ. "Kreativ" ist schon, wer selbstkomponierte Beat-Musik spielt - oder sie eben originell covert.

Die ganze Diskussion hier ging doch los, weil Rolli Kritik an "Rock am Ring" geübt hat:

1. es hat ihm (weitestgehend) nicht gefallen --> persönliche Geschmackssache (?)
2. er hat genau hingehört und analysiert: aha, die Jungs spielen einfache Akkordfolgen, jedes Stück ist harmonisch gleich aufgebaut --> Banale und langweilige Kompositionen
3. er hat genau hingehört und hingesehen und festgestellt: die Jungs spielen technisch nicht sauber (greifen falsch) und/oder können nur Lagerfeuer-Akkorde, --> sie beherrschen ihr Instrument nicht
4. er hat in seinem Leben schon viel Musik gehört und stellt fest: das ist nix neues, das sind aufgewärmte Kamellen --> die Jungs sind nicht innovativ oder kreativ.
5. er hat genau hingehört und die Musi auf sich wirken lassen: die Jungs berühren mich emotional nicht, sie bringen nix rüber


Meine Meinung zu diesen 5 Punkten:

ad 1) Geschmack - guten oder schlechten, wer mag das beurteilen - hat jeder, ob Musiker, Musiktheoretiker oder Laie. Das hat nix mit "guter" oder "schlechter", innovativer oder kreativer Musik zu tun. "Telemann enttäuscht nie" - daß Telemann ein begnadeter Barock-Kompositeur war, ist gemeinhin unbestritten, aber es ist für jedermann legitim zu sagen: "Mir gefällt das nicht, das finde ich nicht gut". Zu sagen "Das IST nicht gut", ist was anderes, Geschmack allein darf nicht die Grundlage der Musikkritik sein! Und das wird mir hier in vielen vorausgegangenen Postings zu wenig differenziert!

ad 2) Dazu muß man Musiker sein oder Musiktheroetiker, das kann nicht jeder. Der Musikkritiker müßte demnach die größten Teile des Gebiets "Blues" als "schlecht" weil nicht innovativ abstempeln. Ich habe als "Musik-Insider" (d.h. mit einer gewissen Vorbildung) den Vorteil erkennen zu können, warum ich die eine Art von Musik oder Band als gut/innovativ/kreativ finde und die andere nicht. Für mich ist diese Kategorie "Komplexität" oder das "Noch-Nie-Dagewesene" schon eher geeignet, die Musik als "gut" oder "schlecht" einzustufen, aber ein alleiniges Kriterium ist es nicht.

ad 3) Auch da tut sich ein Musik-Insider natürlich leichter. Der Laie wird sagen: "die spielen nicht gut", ohne genau sagen zu können, woran das liegt (Meistens ist es die Rhythmusgruppe, die den Beat/Groove nicht tight zusammenhalten kann). Ich muß als Punker nicht alle 5 Umkehrungen eines Eb-moll-maj7#11 beherrschen, aber Powerchords schon. Letztere brauche ich als Jazzer wieder weniger und es macht nix, wenn ich sie nicht parat habe. Aber dieses Kriterium ist ok: wer sein Instrument für die Art von Musik, die er macht, nicht beherrscht, der muß sich Kritik gefallen lassen.

Ad 4) Innovation und Kreativität sind wichtige Kriterien: unerhörte Musik, die heute (aus Geschmacks- oder Gewohnheitsgründen) als schlecht abgetan wird, wird in 20 Jahren retrospektiv als hörenswert weil bahnbrechend, bedeutsam, wichtig und damit irgendwie als "gut" eingestuft werden. Das ging Maurice Ravel mit seinem Bolero ebenso wie Charlie Parker, Elvis, Hendrix, Cobain (letzterer ist vielleicht noch zu zeitnah, um die Bedeutung angemessen einschätzen zu können. Außerdem habe ich viele in dieser Aufzählung vergessen, mea maxima culpa).

Ad 5) Das geht wieder sehr in Richtung Geschmackssache, aber es gibt m.E. auch absolute Kriterien dafür. Allerdings muß ich in der jeweiligen Musikrichtung auch vorbelastet sein, d.h. schon viel vergleichbares gehört haben. Ich bin z.B. Jazzer und höre so gut wie nie Hard Rock/Metal/Punk/Grunge. Ich denke, ich kann nur sehr eingeschränkt beurteilen, ob eine Metal-Band emotional was rüberbringt, ob sie auf einem gewissen Energieniveau spielt oder nicht. Ich spielte mal einem Kollegen eine Jazz-Gesangsnummer vor, bei sogar von der sterilen CD runter die Luft knisterte - für ihn (er hört viel Musik aber nie Jazz) total langweilig. Er konnte mit der Musik nichts anfangen (Geschmackssache!), daher hat sie ihn emotional auch nicht berührt. Andersrum gibts Jazzmusik, die technisch erstklassig gespielt ist, aber für mich emotional nix rüberbringt, Paradebeispiel: Wynton Marsalis. Da höre ich 10mal lieber Neil Young.
Außerdem hängen die "Vibrations" sehr von der aktuellen Umgebung des Musik-Erlebens ab: Rock am Ring berührt live sicher viel mehr als von der DVD.
An den "Vibrations" bilde ich mir ein, erkennen zu können, ob die Musik den Musikern wichtig ist, oder ob es sich primär um ein kommerzielles Produkt handelt. Das soll aber nicht heißen, daß mit kommerziell erfolgreicher Musik keine Emotionen rüberkommen können!

Wenn wir uns hier als Richter über Musik aufschwingen und auf "gut" oder "schlecht" urteilen, dann sollte der persönliche Geschmack außen vor bleiben oder als selbiger kenntlich gemacht werden, sonst wird man schnell unsachlich.

Wie stufe ich (Kurt) nun Musik als gut oder schlecht ein?

Techno und alles Mögliche an Drum'n'Bass war/ist sicherlich innovativ - mein Ding ist es nicht: der monotone Puls auf jedem Beat des Taktes ist mir rhythmisch zu banal. Das gilt übrigens auch für einen berühmten Jazzpianisten namens Errol Garner, der den Stil/Begriff "four in a bar" (gemeint ist einen Piano-Akkord auf jeden Taktschlag zu legen) prägte, oder für die Art von Rockbass, den Akkord-Grundton auf jeden Beat des Takts zu legen. Ich kann also (analytisch) erklären oder untermauern, warum mir diese Arten von Musik meist nicht gefallen (Ausnahmen bestätigen die Regel). Ich bin ein sehr rhythmischer Musiker, es ist für mich sehr wichtig, daß sich rhythmisch einem Stück was tut mit pfiffigen Basslines, Drum-Patterns, Grooves, aber d.h. nicht ständig wechselnde Rhythmen, o Gott nein! Aber Punk oder Rock'n'Roll à la Bill Hayley sind mir zu eintönig, auch abgesehen von den harmonischen Strukturen. Wenn sich rhythmisch nix tut, z.b. bei Balladen, dann sollten wenigstens die Harmonien oder Melodien interessant, mein Zuhören fordernd, ja: auch komplex sein, damit für mich die Musik "gut" ist.

Innovation und Kreativität zollen mir allerdings Respekt ab: wenn ich z.B. Techno bewußt auf - was weiß ich - sphärische Sound-Metamorphosen oder dergleichen hin intensiv höre, dann finde ich das auch gut und es kann mir auch (mal) gefallen, so daß ich sage: ja, das ist gute und kreative Musik.
Eine Band aus 15- bis 17jährigen, die einen ollen Gassenhauser-Schmachtfetzen als Fun-Punk bringt ist super kreativ!! Auch wenn es schon Vorläufer gab, die sowas bereits machten. Die Punker, die das auf ihrer 5. CD immer noch tun, sind nicht (mehr) kreativ.

Ich glaube, ich kann auch "gut gemachte" Musik erkennen, auch wenn sie mir nicht gefällt, z.B.
Status Quo: solider Rock, astrein gemacht. Aber der Rock'nRoll Groove ödet mich an. Und Sound und Groove sind immer dasselbe.
Norah Jones: hat ne Schöne stimme, schöne leichte Arrangements, ansprechende Titelauswahl. Trotzdem schlafe ich ein beim Hören, bei mir kommt nix an.

Das Kriterium "Erkennbar" finde ich nicht passend, und es entscheidet auch nicht darüber, ob mir Musik gefällt oder nicht. Es gibt viele Musiker, die sind an ihrem SPiel erkennbar und in ihrer Art sehr individuell: Scofield, Metheny, aber auch Heino erkennt man am indiviuellen Gesang ... Und Nachahmer haben den Malus des nicht-kreativ seins und sie werden immer am Vorbild gemessen: Hätte es keinen Freddie Mercury gegeben, Paul Rogers wäre mit Queen heute der Größte ... (aber hätte es Queen ohne Freddie gegeben? Siehste!).

Die Musikkritik ist ein schwieriges Geschäft. Tun sich Literaturkritiker leichter? Konsalik schrieb banale Romane, aber für den Urlaub sind sie gut genug - genauso taugt Boney M. dazu, sich auf dem Rummelplatz beim Autoscooter-Fahren berieseln zu lassen.

Sartre sagte: Wenn ein Buch nicht wert ist, zweimal gelesen zu werden, dann ist es auch nicht wert, einmal gelesen zu werden. Das ist gut auf Musik übertragbar, finde ich: Ist die zu beurteilende Musik es wert, ein zweites Mal, mit intensiver Aufmerksamkeit, gehört zu werden?

Groovigen Grooß
Kurt

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Mein lieber Kurt,

was für ein schöner Beitrag. Ehrlich.

Sartre sagte: Wenn ein Buch nicht wert ist, zweimal gelesen zu werden, dann ist es auch nicht wert, einmal gelesen zu werden.

Ein wunderbarer Satz, gar keine Frage. Wirklich, schön gesagt, praktisch aber gar nicht hilfreich. Schließlich ist die Wertschätzung eines Buches auch eine persönliche Sache. Um zu beurteilen, ob man ein Buch ein zweites Mal lesen will, muss man es aber erst einmal lesen. Ist nicht Sartre aber der Volksmund sagt dazu: Wenn man aus dem Rathaus kommt ist man klüger als vorher. (Stimmt zwar tendenziell, gerade bei Rathäusern aber auch nicht immer, das am Rand.)

Übrigens ist Sartre angeblich in Frankreich komplett aus allen Universitätsvorlesungen verschwunden, las ich neulich. Angeblich sei der Mann nicht mehr relevant und dazu alles gesagt. Ich bin noch nicht fertig mit Nachdenken darüber.

Und Sartre "Der Ekel" ist definitiv wert, noch einmal gelesen zu werden.

Gruß

Matthias


Re: (Meinung) Mein Problem muelrich

: P.S. Ich vermute mal, dass wir trotz unterschiedlicher Herangehensweise in Berlin zusammen jammen können und Spaß haben werden...

Ich muss unbedingt dran denken, meine Jandek-CDs mitzubringen... :)))

Wolltest Du nicht einen Anspieltip für SY, oder habe ich das nur halluziniert? Wie dem auch sein: Versuch's mal mit Daydream Nation. Die mit der Gerhard-Richter-Kerze auf dem Cover.

MAddin

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

: Hallo Gemeinde,
...
...
: Groovigen Grooß
: Kurt

Kurz und knapp - aus meiner Sicht hast Du's genau getroffen und danke, dass Du Dir diese viele Mühe gemacht hast. Sehr hilfreich - auch oder gerade für mich. Übrigens meinte ich meine Kritik in keiner Weise absolut und sie spiegelt - natürlich - nur meine Sicht und meinen Geschmack wieder. Das kommt ob meines limitierten Sprachstil vielleicht nicht so rüber. Schön, dass Du dies alles so treffend beschrieben hast. Ich bin aber sehr froh, dass mein Posting so viel Resonanz und gute Diskussion herbeigeführt hat. Das könnte hier ruhig öfter passieren.

Gute Nacht,

Rolli

NP: Nix - gleich höre ich dem lieblichen Atem meiner Süssen zu. Die schönste Musik für mich :-)



Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hallo Kurt

vielen, vielen Dank für diesen Beitrag.

Eigentlich wollte ich ja zu diesem Themenkomplex gar nix mehr sagen, aber Deine 5.Punkte-liste sowie die entsprechenden Kommentare dazu trifft den Nagel auf den Kopf und könnte nicht besser formuliert werden.

So kann das klingen, wenn jemand sich in Ruhe dieses Thema erarbeitet, anstatt, wie ich immer schneller zu schreiben, als zu denken.

Sollte ich also mit meinen tlw. polarisierenden Beiträgen irgendjeman zu Nahe getreten sein.... Kurt hat gesagt, was ich denke.....

Danke, Mann


Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit Simon Phillips

Hola Pepe -

: Ich kenne leider bisher keine einzige Nummer, auf der Porcaro oder Phillips mitgespielt haben, bei der ich persönlich ansatzweise etwas wie Groove entdecken würde.

zumindest der Phillips hat in jungen Jahren mal gegroovt und zwar auf der wunderbaren "White City", unter der Obhut der ventilierenden Obernase Pete Townsend.

*lovepeaceandunderstandig*

Re: (Meinung) Mein Problem mit Simon Phillips

Hi Urlauber,


Jaa, das ist eine tolle Platte

Neeiiin, jegliche Diskussion über groove ist müßig, weil wir hier inzwischen erörtert haben, dass auch das Empfinden eines Grooves (sein Vorhandensein oder seine Abwesenheit) ein rein subjektives Empfinden ist.

Das liegt möglicherweise am Herzschlag. Daher bezichne ich auch einiges, was meine Kiddies (die eher nicht, aber andere Kiddies) so hören, als Herzrhythmus-Störungen-Mucke, weil der "Alte Mann" das gelegentlich so wahrnimmt, (verbunden mit körperlichen Schmerzen.....*grins*)

Gruß Uli

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hallo Matthias,
:
: was für ein schöner Beitrag. Ehrlich.


Danke!

Wenn ich ehrlich bin: ich hab noch nie was von Sartre gelesen.
Aber ich fand seinen Satz einfach hilfreich. Beim Anhören eines Musikstücks zu überlegen: möchte ich mir das nochmal anhören? Das kann ich bei Musikstücken, die mir naja so lala gefallen, auch mal verneinen. Aber natürlich spielt der perönliche Geschmack bei der Beantwortung dieser Frage eine große Rolle.

Gruß
Kurt

Re: (Meinung) Mein Problem mit "innovativ"

Hallo Uli,

:
: vielen, vielen Dank für diesen Beitrag.
:
: Eigentlich wollte ich ja zu diesem Themenkomplex gar nix mehr sagen, aber Deine 5.Punkte-liste sowie die entsprechenden Kommentare dazu trifft den Nagel auf den Kopf und könnte nicht besser formuliert werden.
:
: So kann das klingen, wenn jemand sich in Ruhe dieses Thema erarbeitet, anstatt, wie ich immer schneller zu schreiben, als zu denken.

:
: Danke, Mann


Ähem, selber Danke, Uli, Du und Deine Vorredner haben mich hier ja mit Lob für das Posting überhäuft. **rotwerd**

Muß aber auch sagen, daß ich für den Beitrag so an die drei Stunden gebraucht habe und mir schon beim Durchlesen des ganzen Threads und des Rock-am-Ring-Kritik-Threads Notizen gemacht habe, um Musikkritik in die 5 Aspekte "aufzudröseln".

Ich schreib lieber weniger Postings, dafür überlege ich mir genauer, was ich schreibe, um wirklich sachlich zu bleiben und inhaltlich was beizutragen. Leider haben meine Postings dann die Tendenz ziemlich lang zu werden - und ich selber muß mich auch meist überwinden, ein längeres Posting eines Aussensaiters konzentriert zu lesen und nicht bloß zu überfliegen ...

Gruß
Kurt

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hallo,

nun hatte Matthias ja schon "Feierabend" gerufen, aber Verallgemeinerungen und ihre fachkundige Anwendung sind ein Steckenpferd von mir. Gerne auch, wenn Charlie Watts oder Ringo Starr belächelt werden.
Keith Richards hat mal sinngemäß gesagt: "Ich stehe seit 40 Jahren vor der Baßtrommel von dem Kerl und glaubt mir, der Junge kanns".
Bei mir dreht sich zurzeit fast ständig Beatles "Abbey Road" und wenn man bis hierhin vielleicht über Ringo die Nase gerümpft hat: das ist auf dieser Platte kein stures Getrommel, sondern ein befreit aufspielender, flexibler und ideenreicher Drummer.
Übrigens, um noch ein Fass aufzumachen, die Platte zeigt, daß George Harrison ebenfalls gerne unterschätzt wurde. Was er auf "Abbey Road" spielt, mag simpel klingen, aber es ist Magie.

Ich habe meine Gedanken im Präsens formuliert, da es meine Überzeugung ist, was ich da schreibe. Aber die abweichende Überzeugung eines anderen soll damit nicht überstimmt werden. Ich finde, man kann ab einem bestimmten Punkt über Musik nicht mehr diskutieren. Das einzige, was übrig bleibt, ist der, der am längsten durchhält. Was aber mit Recht haben oder einer Wahrheit nichts zu zun hat. Höchstens mit Recht haben wollen...

Grüße, Michl


NP: Beatles "Abbey Road"

Re: (Meinung) Mein Problem mit

Hi Michl

Was er auf "Abbey Road" spielt, mag simpel klingen, aber es ist Magie.

Und hier schließt sich der Kreis, denn die Abbey Road war die allererste "richtige " LP, die ich besessen habe und die noch heute im Schrank steht...

Ja, das ist Magie !

Gruß Uli