(Philosophie) Die Plattenindustrie mal wieder
[ verfasste Antworten ] [ Aussensaiter-Forum ]
Beitrag von Der Felix vom Mai 04. 2002 um 02:38:38:
Moin!
Es muss mal raus. Ich versuche es möglichst leidenschaftsfrei zu halten.
In den letzten Monaten/Jahren ist wieder viel passiert, betrachtet man die Metal Szene. Nu Metal: Ich mag's nicht. Ich weiß auch nicht, was das mit Metal zu tun haben soll. Es ist derzeit sehr erfolgreich. So lange es dauert. Diese Phasen werden ja immer kürzer. Diese erste Hit von P.O.D. ging ja schon eine ganze Ecke eher in Richtung Melodie. "Youth of the Nation", die aktuellere Nummer, ist schonwieder was anderes. Na, wenn Metal draufsteht darf man sich eben mal, wenn man's hört, wie eine richtig harte Sau fühlen, die es den Eltern mal so richtig zeigt. Von mir aus.
Spule wir ein paar Jahre zurück. Mitte der Neunziger wird der Metal erstmal totgesagt. Dann erscheinen ein paar 80er Clone und beleben das ganze wieder. Dann kommen die ReUnions, die spektakulärste war wohl die von Iron Maiden. Maiden bringen ein neues Album raus, kommen sogar (für die Engländer nichts besonderes) in die deutschen "Top of the Pops". Ein paarmal Airplay bei Viva. Und Ruhe ist wieder. Unnötig zu erwähnen, daß sie bei den beiden Touren, die sie nach dieser Reunion durchgeführt haben so ziemlich jede Halle ausverkauft haben. Imho ein Beweis für ihre beliebtheit. Sicherlich zum Teil auch dem Hype zu verdanken, keine Frage. Metal ist also doch nicht tot. Diverse Metal Alben (die nun wirklich am eheseten in die Kategorie "Underground" passen würden) schaffen es in die oberen Top40 der MediaControl Charts.
Dieses Jahr: Blind Guardian veröffentlichen "A Night at the Opera" sitzen eine Woche auf Platz 1. Und werden ignoriert, lieber spielt man belanglose, Amerikadiktierte Musik. Amerika lässt einiges 'rüberschwappen. Europa macht das Spiel mit. Gegenseitigkeit, keine Frage. Für mich nur völlig unverständlich, warum bei der Nationalhymne jeder aufspringt und mitgröhlt, und gleichzeitig die äusserst erfolgreichen Landsmänner ignoriert werden. Wenn's aus USA kommt muss es ja gut sein. "Der Prophet gilt nichts im eigenen Land" zieht auch nicht, denn was aus USA kommt ist ja schleißlich im eigenen Land erfolgreich.
Manowar veröffentlichen ihre Vorab-Single. Ihr neues Label investiert eine Menge Kohle, ein Auftritt bei TV Total, kleinere Interviews bei Viva. Einstieg auf Platz 27 der Single Charts. Und sofort kommt das Ding in den Poll der Viva+ RockCharts. Da widerum werden Manowar mit knapp 50 (in Worten: Fünfzig!!) Prozent der Stimmen (man werde sich bitte über die Bedeutung klar, das ist...verdammt viel, zumal die Klassiker Iron Maiden und Motörhead, die kommerziell ja nun unendlich erfolgreicher sind genauso zur Auswahl stehen) auf Platz 1 gewählt. Ich interpretiere daraus: Wenn das Volk die Wahl hat, dann wählt es durchaus auch mal die Musik aus dem, was eigentlich "Underground" genannt wird. OK, Manowar sind umstritten, Kult und Imagelastig ohne Ende, das gibt sicherlich einen Bonus. Aber sie kommen ja auch aus den USA...
Einschub: Wenn nun also niemand was dagegen hat, viele sogar dafür sind, daß "klassicher" Metal ruhig mal im Fernsehen/Radio gespielt wird (und von mir aus mag man "Metal" ruhig durch ähnlich unpopuläreres wie "Jazz", "Irish Folk" oder sonstwas ersetzen, es ist halt "mein" Ding), warum reagiert die Industrie da nicht und lässt, wenn sie sich schon über den schnelllebigen Markt beklagt, einfach ein gesundes Geschmacksgleichgewicht herrschen? Wieso soll es mehr Britney Spears Fans als Kiss Fans geben? Mehr Jennifer Lopez als AC/DC? Das ist doch krank, ungesund. Lässt man es genesen, sich ausgleichen, dann blüht doch alles sicherlich wieder auf. Einschub ende.
Zurück zu den USA und Manowar. Wobei Manowar in Amerika im Prinzip auch einen scheißdreck wert sind und sich slebst ja auch eher als europäische Band sehen. Mir geht jedenfalls nicht in den Kopf, wieso Manowar mit einer #27 Single mehr Beachtung bekommen als Blind Guardian mit einem #1 Album.
Klingt soweit vielleicht leicht naiv, ist auch so beabsichtigt. Daß da im Zweifelsfall immer mehr dahintersteckt, als man zu glauben bereit ist, und weniger, als man manchmal vermutet, ist mir klar.
Als ich anfing Radio zu "machen" fragte ich ganz naiv den Sendeleiter: "Warum gibt's denn so 'ne Metal Sendung nicht Deutschlandweit?". Einfache Anwort: "Weil das relativ gesehen keine Sau hören will!" Sogar die "großen" Radiomoderatoren beschweren sich über das eintönige Programm im gesamten Radio. Gut, es werden jede Woche Besprechungen abgehalten, was in die Rotation kommt und was nicht. Dabei wird u.a. über "Radiotauglichkeit" gesprochen, also ob man dem Hörer das Material zumuten kann. Und woher kommt nun der Gedanke, AC/DC wäre einem größeren Teil der Bevölkerung unzumutbar als Britney Spears?
Was nicht im Radio gespielt wird wird weniger gekauft. Was weniger gekauft wird hat schlechtere Chancen auf einen MediaControl Charteinstieg (wobei MediaControl ja nun auch längst nicht der heilige Gral der Charts ist, eher ein sehr großes geringstes Übel). Und wer keinen oder einen schlechten Charteinstieg hat wird nicht im Radio gespielt. Teufelskreis. Um da 'rein zu kommen muss man nach dem Motto "Pay to play" z.B. bei "Wetten daß..." oder (mittlerweile wohl recht etabliert) "TV Total" auftreten. Der Weg steht, das sehe ich u.a. durch Manowar bestätigt, wirklich jeder Band offen. Sofern die Kohle da ist, versteht sich. Jetzt sind Blind Guardian (wie gesagt, nur ein Beispiel) aber in den Charts, wesentlich höher gar als Manowar (die Airplay bekommen), sogar auf Platz 1, aber trotzdem....nüscht.
Nun ist es so, daß es plausible Theorien dafür gibt, daß Metal nicht mehr Metal wäre, wenn er ständig und überall im Radio/Fernsehen gespielt würde, weil er sich u.a. genau dadurch definiert, daß er diesen "Underground"-Touch hat. Deshalb beziehen sich meine Überlegungen hier gerne und in vielleicht leicht variierter Form auch auf andere unterrepäsentierte Musikstile. Mir geht's in erster Linie um's Prinzip und in zweiter....nein, in noch viel ersterer Linie darum, daß da ein gigantisches kulturelles, musikalisches, weltkulturelles Erbe an 95% der Weltbevölkerung vorbeirattert und dabei vielleicht nicht verlorengeht, aber schlicht nicht wahrgenommen wird.
Ich verstehe es schlicht einfach nicht. Ich muss nicht alles verstehen. Die Plattenindustrie schon gar nicht. Ich wollte es nur gesagt haben. Vielleicht kann es mir ja doch jemand erklären. Und zwar nicht mit totschlägeragumenten und mit "Ja, aber Metal is' halt schon vom Image her böse", sondern richtig mit allem drum und dran. Danke!
Rock'n'Roll! Felix, der jetzt mächtig großen Hunger bekommen hat.
PS: Slipknot sind aufgrund der Geschehnisse in Erfurt und der Tatsache, daß der Täter Slipknot Fan war, aus dem Viva-Programm verbannt worden. Slipknot mag ich nicht, insofern kommt mir das beinahe entgegen, zumindest, wenn ich Viva gucken würde... Ich halte das trotzdem für äusserst bedenklich, gar alarmierend. Vielleicht sollte ich ein Wolfgang Petry-Poster in meinem Zimmer aufhängen und Amok laufen...
verfasste Antworten:
Dieser Beitrag ist älter als 3 Monate und kann nicht mehr beantwortet werden.
|