Re: (Amps) (war H&K Zentera) ...wird aber, dank Rainer und Friedlieb nochmal spannend
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Beitrag von Harvey vom Dezember 13. 2000 um 09:53:47:
Als Antwort zu: Re: (Amps) (war H&K Zentera) ...wird aber, dank Rainer und Friedlieb nochmal spannend geschrieben von bO²gie am Dezember 13. 2000 um 00:22:15:
Moin, moin !
Boogies Überschrift kann ich nur wärmstens bestätigen. Das Thema wollte ich schon immer mal posten, dachte aber: Laß es, endet vielleicht wieder in einer pubertären "Analog-vs.-Digital" -Schlammschlacht. Schön, dass hier mal schwarz auf weiß und kompetent von den beiden beschrieben wird, was ich bisher immer nur "voodoomäßig" empfunden habe, mangels technischem Wissen aber nicht erklären konnte. - dafür erst mal herzlichen Dank.
Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einem alten Musikerfreund, der als Studiobesitzer viel mit professionell arbeitenden Gitarristen zusammenkommt - die meisten dieser Leute verzichten auf die Line6-Produkte im Studio, weil die Dinger eben messbar verzögern (im Millisekundenbereich) - d.h. die Jungs haben sehr viel Routine und ein äußerst gutes Timing - nicht im Sinne von nicht vorhandenen Tempo-Schwankungen, sondern weil sie genau im Gefühl haben, wann sie etwa "vor" der Zählzeit spielen, genau drauf oder ein bisschen später, also "laid back". Und beim Abhören hatten sie eben das Gefühl, dass was nicht stimmt, was sich dann eben auch am Monitor optisch nachweisen ließ. Und solch kleine Differenzen entscheiden u.U, auch, ob etwas "gruuuvt" oder eben nicht.
Ich selbst spiele u.a. in einem Rock-Trio, wo der Drummer eher "genau drauf" spielt, der Bassist und myself haben aber eher den schilddrüsenüberfunktionsmäßigen Drang zum Treiben ("nach vorn spielen", hat also nichts mit "schneller werden" zu tun!) - das ist wohl auch naturellbedingt. Und speziell bei Aufnahmen (Stunde der Wahrheit) kommt es darauf an, sich da genau aufeinander einzuschwingen, damit das Ganze "rollt" . Wir kennen uns schon lange, deshalb haut das auch gut hin. Ist auch manchmal abhängig vom Stück, ob ich selber mal etwas "durchatmen" muß beim Spielen, also entspannen, oder der Drummer mal einen kleinen Tritt in den Hintern gebrauchen könnte.
Bei den Modeling-Amps (den Zentera kenne ich noch nicht) habe ich immer so ein Gefühl, "mit angezogener Handbremse" zu spielen und entsprechend "Gas geben zu müssen". Irgendwie klingt das Ganze "matt" (hat nichts mit fehlenden Höhen zu tun), nicht explosiv, egal ob zerrend oder clean, nicht wirklich dynamisch, im Vergleich zu einem reinen Röhrenamp "unlebendig": Dem geht nicht los. Und dieser Eindruck verstärkt sich drastisch bei höheren Lautstärken - das klingt für mich dann immer "hölzerner", "knochiger" oder wie auch immer, ich suche händeringend nach Worten für etwas, was ich deutlich spüre, was aber schwer zu beschreiben ist, eben schon psycho-akustisch. POD im Kopfhörer oder bei Wohnzimmer-Lautstärke - okay, aber im richtigen Leben: Mache ich einen großen Bogen drum.
Natürlich gibt es auch scheußlich klingende Röhrenamps, keine Frage. Und die langen Hörgewohnheiten spielen da eine große Rolle. Ich spiele seit 30 Jahren Röhrlinge - mit kurzen Unterbrechungen, bin also entsprechend konditioniert. Früher nur einkanalige und immer ohne Tretminen, deshalb entwickelt man da eben ganz bestimmte Spieltechniken - mit Anschlagsdynamik arbeiten, Volumenpoti einsetzen, was ich heute noch ganz automatisch mache, wenn gerade der Clean-Sound dran ist, auch wenn ich dafür mittlerweile einen eigenen vierten Kanal habe ;-))) sowie ein deutliches Gespür für diese fließenden Übergänge zwischen Clean/Crunch and beyond, da reagieren Röhren eben sehr "analog", also "entsprechend", und wenn das dann nicht so kommt, wie man´s gewohnt ist, "stimmt" eben was nicht, ganz subjektiv, hier gibt´s also in diesem Sinne gar nichts zu streiten im Sinne von besser oder schlechter, ich schreibe nur über meine Eindrücke.
Das ging schon lange vor dem Amp-Modeling mit den Transistor-Amps los. Ich hatte in den Siebzigern mal kurze Zeit einen "Phoenix" - kennt den noch jemand? Waren nur kurz auf dem Markt, englische Firma, sahen Ufo-mäßig aus, das Topteil war grau-grün, dubioses Plastikgehäuse, eine Form etwa wie eine große Muschel oder so was, also keine rechten Winkel, schlecht zu verpacken usw. Das war ein zweikanaliger Hybrid-Amp mit Röhren-Vorstufe und Transistor-Endstufe - der große Vorteil war, dass man die Vorstufe boogie-ähnlich übersteuern konnte, war damals eine Sensation - der klang dann aber bei größeren Lautstärken, wo die Endstufe also mehr und mehr ins Gewicht fällt, immer dünner, und da ist mir dieser Unterschied zum ersten Mal deutlich aufgefallen. Er klang aber nicht wirklich schlecht, nur eben "ein bisschen töter".
Umgekehrt war´s bei einem Music Man - ebenfalls hybrid, aber mit Transistor-Vorstufe und Röhren-Endstufe, der klang leise und übersteuert total krank, aber je lauter, desto besser. Was schließen wir daraus? Eben.
Und ganz schlimm fand ich immer diesen Saubermann Roland JC120, so einen hatte ich mal für Clean-Sounds angeschafft. Für "klinische" Diso-Funk-Gitarren brauchbar, aber sonst - brrrrrrr.
Also, wie Boogie schon sagte: Der Unterschied im Höreindruck zwischen Analog und Digital hat wohl u.a. mit dem Ein- und Ausschwingverhalten zu tun, damit, wie der Ton beginnt und endet. Bei einem langgezogener Ton, von dem man Anfang und Ende abschneidet , ist u.U. ja auch kaum zu unterscheiden, ob das eine Trompete oder eine Gitarre ist - schon mal getestet?
Der Vergleich hinkt, aber wenn ein digital erzeugter Ton im Gegensatz zu einem analogen aus lauter kleinen "Einzeltönen" besteht, dann ist das im Prinzip wie in der Optik beim Film, wo der fließende Eindruck auch durch die Geschwindigkeit entsteht, mit der die Einzelbilder zerhackterweise vorm Auge ablaufen. Vielleicht geht dabei wirklich etwas verloren - ein Sonnenuntergang im Film sieht eben anders aus und wirkt auch anders als live (ich weiß, die Übertragung stimmt nicht, wegen 3D, der ganzen Sensorik drumherum, Wind, Gerüche etc., aber es geht mir nur um die tendenzielle Charakteristik).
Es gibt ja auch die Vinyl-Freaks, die auf die analoge Wärme der Aufnahmen schwören (incl. heimeligem Lagerfeuer-Geknister ;-))).
Wenn es also Leute gibt, die diese Unterschiede zwischen Analog und Digital wahrnehmen und nicht spinnen, ist da offenbar auch was dran, ohne das jetzt irgendwie werten zu wollen (wer ist sensibler oder so). Wenn man´s auch funktional erklären kann, um so besser.
Con un cordial saludo,
Harvey
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