ein kleines Märchen


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Beitrag von erniecaster vom Juni 06. 2007 um 17:20:28:

Liebe Gemeinde!

Ich habe Euch ein kleines Märchen mitgebracht.

Es war einmal ein DOP – kurz vor Ende des letzten Jahrtausends rüttelte ein bohnenförmiges Gerät die Equipment-Landschaft auf und schaffte ein neues Wort: Modelling. Zu etwa dieser Zeit gründete sich die Gemeinde der Aussensaiter und der DOP wurde ein in weiten Kreisen geliebtes Gerät. Mit dem DOP konnte endlich alles gemacht werden, was man wollte. Weg mit dem alten Krempel! Digital ist Fortschritt! Wo wir sind, ist vorn! Hier war endlich die eierlegende Wollmilchsau in bester Qualität und alles war gut. Naja. Fast alles. Ein wenig Durchschlagskraft fehlte ja.

Der Name Reussenelf war plötzlich in aller Munde. Mit simplen kleinen Boostern wurde der eigentlich doch total doofe DOP plötzlich richtig gut. Aufatmen in der Gemeinde! Vielleicht mit einem klitzekleinen Schielen auf die Delay-Modeller, die dem DOP noch mehr Vielfalt brachten. Jetzt aber war Frieden.

Dann stand einer auf und sagte: „Latenz“. Das reichte völlig aus. Die Gemeinde schlug sich die Hand vor die Stirn, warum hatte das niemand gemerkt? Der Röhrenamp war doch die Lösung! Einkanalig! Pur! Echt! Rein! Jedenfalls war er die Lösung, wenn der richtige Speaker verbaut war. Damals sagte man noch Speaker, heute ja nur noch Weber. Müde lächelte man über DOPs und die störanfälligen Reussenelf-Quader. Endlich ein guter Sound, nachdem man zwanzig Röhren ausprobiert hatte.

Die paradiesischen Zustände endeten, denn der Teufel Satano erschien. Ja, ein Bodentreter vor den Amp, endlich Vielfalt in der Zerrer und schön bunt vor den Füßen. Wenn die Dinger doch nur nicht so teuer wären, dachten einige. Ein bisschen weniger bunt aber deutlich preiswerter kam weg, wer statt phantasievollen Namen einfach buchstabierte. Die Stressbretter der Gemeinde wuchsen wieder.

Gitarren müssen geschüttelt und gerüttelt werden. Das kann man selbst tun oder machen lassen. Am besten, man schüttelt erst ein wenig selbst, lässt es dann machen und schüttelt nach. Was doch die Hauptgitarre auf einmal auflebt! Unglaublich. Ja, so musste es klingen! Es geht doch!

Aber, ach, der Röhrenamp war doch so laut und die Nachbarn so schwierig! Wie sollte man so aufnehmen? Ein Vertrieb, der nur aus reiner Freude an der Sache Tag und Nacht quasi gemeinnützig arbeitete, bot eine Lösung. Womantoner für die weichen, Deviltoner für die harten, beide für die, die den Hals nicht voll genug bekommen konnten und das Konto voll genug hatten. Leise zuhause aufnehmen! Röhre! Und für live bunte Stressbretter! Alles gut. Endlich.

Schnell noch die alte gerüttelte Hauptgitarre verkauft und drei Nebengitarren auch. Einmal im Leben eine selbst gebaute Gitarre in der Hand!

Die Gemeinde lehnte sich auf dem schon etwas verschlissenen Sofa zurück. Auch eine neue Tischdecke wäre mal fein gewesen, dafür fehlten aber die finanziellen Ressourcen. Das Kindergeld wurde noch schnell in Kleinkram aus dem Hause toys´r´tone verbraten. Aber der Sound dankte es einem.

Die bunten Stressbretter brachten zwar Vielfalt in den Alltag, machten aber doch nicht wirklich und wahrhaftig glücklich. Der Amp klang doch schon alleine klasse, irgendwie verbogen die Treter doch den Ton. Verdammt! Zum Glück linderte Schnellringer die Schmerzen. Der Doppel-Fahrer brachte Vielfalt und es klang immer nach dem Amp. So ging es doch. Die Stressbretter wurden etwas weniger bunt, es brummte weniger.

So ein klein bisschen Wohlfühlen fehlte allerdings. Die *toner machten nicht jeden ganz so glücklich. Der Schnellringer schon wieder mit einem Update! Kabel müssen handgewickelt sein! Eine Gitarre ist erst akzeptabel, nachdem man die Pickups zweimal getauscht hat! Nicht jeder konnte seine Frau anpumpen, um mitzuhalten.

Nun aber zeichnete sich die Lösung ab. Der Mann, der die Mona Lisa gemalt und Amerika entdeckt hätte, wenn er dann nur schon gelebt hätte, arbeitete über Jahre hinweg selbst- und rastlos. Die Themen Weltfrieden und Ernährung für alle, die selbstfüllende Bierkiste und die verbesserte Nutella-Formel hätte er schon fast abgearbeitet gehabt, wenn er dafür nur die Zeit gefunden hätte. Dieser brillante Kopf hatte zwar die Weltformel nicht gefunden, aber ein Gerät namens Cliff-FX geschaffen. Ein Name ließ die Welt erzittern: Actal Fraudio.

Mit Actal Fraudio konnte endlich alles gemacht werden, was man wollte. Weg mit dem alten Krempel! Digital ist Fortschritt! Wo wir sind, ist vorn! Hier war endlich die eierlegende Wollmilchsau in bester Qualität und alles war gut.

Alles war gut.

Endlich.

Endlich war alles gut.

Und wenn die Gemeinde nicht gestorben ist, ist immer noch alles gut.

Märchen sind doch viel schöner, wenn sie mit einem Happy End aufhören, oder? Nein, keine Gruselgeschichte heute....


Also hör ich lieber auf.

Gruß

erniecaster





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