Hi,
schwieriges Thema!
Wir machen mittlerweile gewisse Konzessionen an den Publikumsgeschmack, d.h. wir spielen zB "Are you gonna go my way", weil das sehr gut ankommt. "Tush" kommt komischer Weise auch gut an, man kann das nicht immer kalkulieren, man muss es ausprobieren. Vor Rockern würden wir andere Titel reinnehmen als vor einem frauenlastigen 35+ Publikum.Wir haben dankenswerter Weise genug Stücke im Programm, um etwas flexibel zu sein. Die Anzahl der Hardcore-Lance-Lopez-Stücke ist eher zurückgegangen.
Am besten laufen die Gigs, zu denen viele Frauen kommen, weil es sich (ein bisschen) rumgesprochen hat, dass man bei uns "richtig gute Musik wie früher" zu der man gut tanzen kann zu hören bekommt. Etwa 1/3 der Stücke sind betont funky-tanzbar, bei anderen Rockern wird auch teilweise die Tanzfläche gestürmt. Wenn die Mädels tanzen können, sind sie gut drauf, die Jungs holen derweil die Getränke, und die Veranstalter sind dann auch zufrieden. Wenn der Umsatz stimmt, darf es ruhig mal richtig laut gewesen sein. Wir spielen auch gerne drei Sets, weil die Leute dann zwei Pausen haben, um Getränke zu holen. Auch Durchsagen zwischendurch wie "wir brauchen hier dringend 5 Bier auf der Bühne, holt euch doch selbst auch eins" kommen gut an.
Wichtig ist es, dass der Raum nicht so leer ist. Wenn man weiß, man zieht im Schnitt 50 Leute, kann man in einer Eckkneipe eine Bombenstimmung erzeugen, von der alle begeistert sprechen und gerne wiederkommen. Stehen 50 Leute in einem Saal für 500 an den Wänden verteilt herum, ist die Stimmung eher mau.
Wichtig ist auch, die Lautstärketoleranz der Leute (und Veranstalter...) im Blick zu haben. Wir haben ein paar Läden, wo wir amtlich aufdrehen können, und andere, wo das eher nicht geht. Wenn man einmal ein 50w Halfstack in einer Eckkneipe voll aufgedreht hat, braucht man sich dort meist nicht wieder zu melden. Daher besser relativ leise anfangen. Wenn alle in Stimmung sind und die Sache läuft, kann man aufdrehen, und je mehr Dämmfleisch anwesend ist, desto mehr muss man ja auch aufdrehen.
Wir versuchen auch, einen sagen-wir-mal interessanten Dynamikverlauf zu haben. Den ganzen Abend im gleichen Tempo nur Druck Druck Druck machen ist langweilig. Es muss auf und ab gehen, mit Pausen für die Ohren.
Wir bekommen oft gesagt, dass man sieht, wieviel Spaß wir auf der Bühne haben. das liegt natürlich auch daran, dass es gut ankommt (wenn es gut ankommt), aber auch daran, dass wir nur Nummern spielen, die wir geil finden. Und dann spielt man die eben auch geil.
Generell machen wir auch keine Hintergrundmusik, es muss schon richtig drücken. Wir spielen nur eine Handvoll Gigs pro Jahr - wenn es hoch kommt zehn - die sollen dann aber auch Spaß machen. Und nur Shanties spielen ("Cocaine", "Satisfaction", "Summer of 69"...) bei einem Pegel, bei dem man sich vor der Bühne ungestört unterhalten kann, macht mir keinen Spaß.
Man muss sich aber klar darüber sein, dass ein Gig nur funktioniert, wenn man sich selbst und sein Ego dem Gesamtereignis unterordnet. Die andern vier wollen "long train running" spielen, die Frauen mögen es, dazu zu tanzen? Da breche ich mir keinen Zacken aus der Krone, das mitzuspielen.
Gruß, ferdi