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(Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Liebe Aussensaiter.

Auf der Session haben wir neben vielem anderen auch über ein Thema gesprochen, das mich seitdem ein bißchen verfolgt - oder sagen wir besser: Es hallt in mir nach. Vielleicht hat ja jemand Lust, seine Erfahrungen dazu kund zu tun.

Es geht um´s Solieren. Manchmal lerne ich ganze Soli, wenn sie mir gefallen. Ich habe mir zum Beispiel die (angenehme) Mühe gemacht mir dieses fantastische Gitarrensolo über Milestones (yt) (Solo ab 0:43) komplett rauszuhören (auch, wenn ich es nicht in dieser Geschwindigkeit spielen kann ;) ). Oder ich lerne Soli über Changes aus so Jazzetüdenbüchern, zum Beispiel diesem hier (alle-noten.de).*

Das Problem, das dabei dann auftaucht hat, glaube ich, Michl an der Session sehr schön und präzise formuliert, nämlich in etwa so: Ich kann dann nur das ganze Solo spielen, also von vorne bis hinten durch. Ich lerne sozusagen mehr die motorischen Abläufe als den musikalischen Inhalt.

Umgekehrt ergibt sich ein Problem, dass, wie ich vermute, ganz ähnlich gelagert ist: Ich lerne natürlich auch gerne Licks. Über ii-v-i Verbindungen, über Blues Changes, über irgendeine zu Grunde liegende Harmonie, etc. Mir fällt aber immer sehr schwer, das beim Solieren einzubauen. Entweder es klingt total "hölzern", weil es nicht zum Rest des Solos passt oder, was auch oft passiert: Ich verliere beim Spielen des Licks total die Form des Stücks (weil ich so konzentriert auf das Lick bin, dass ich "vergesse" zuzuhören und mitzuzählen).

Außerdem habe ich, wenn ich Licks spiele, immer Angst, weil ich ständig denke: "Ok, das ist jetzt ein geiles Lick, aber was willst Du danach machen, Helge? Jetzt hier erstmal ein geiles Lick spielen, damit alle zuhören und dann? Hmm...naaa, was willste dann machen?" (wobei gegen diesen letzten Punkt die vor der Hand liegende Lösung sicherlich wäre einfach immer mehr Licks zu lernen, so lange, bis ich einen entsprechend großen Fundus habe...)

Also: Kennt das sonst noch einer von euch? Das eine oder das andere? Oder liegt das schlicht an meinem Unvermögen? Geht das weg mit der Zeit? Wie habt ihr das in den Griff bekommen?

Für euren Input wie immer dankbar,

Euer

Helge

* Das Buch kann ich empfehlen. Ist auch ne gute Sightreading-Übung, da keine TABs enthalten sind...


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Hi Elwood,

ich glaube Du beschreibst ein vielen hier sehr bekannt vorkommendes Phänomen:

wäre es anders, würde die Welt nur so von Bensons, Scofields,Eric Johnsons,Steve Morses, Danny Gattons etc. wimmeln.

(Ich habe mal nur so ein paar Namen eingeworfen, an deren TAB´s ich mich schonmal über die Jahre so abgemüht habe ...). Ich mache das auch heute gelegentlich immer noch, versuche mir aber immer wieder die sehr simplen, aber umso wahreren Worte des französischen Akustik-Maestros Pierre Bensusan zu vergegenwärtigen. Bei einem Workshop im letzten Jahr meinte er lapidar:" You got to hear what you play. If you don´t really hear each note that you play, it means nothing".

Und da hatte er zumindest mich ertappt: das spieltechnische Erobern neuer Sphären eilt dem eigenen musikalischen Verstehen weit voraus. Ich kriege irgendwelche Licks spieltechnisch unter die Finger, kann sie aber mangels harmoniemäßigen Verständnisses hinterher in keine musikalische Situation sinnvoll einbauen.

Seit ich mir bescheiden eingestanden habe , daß ich das Haus nicht im 5.Stock sondern im Erdgeschoß betreten muß, übe ich eher wieder Arpeggien von chords, die in unseren real gespielten Songs vorkommen und versuche dabei ein bißchen mitzusingen. Dieses rudimentäre Handwerkszeug setzt sich bei mir besser im Rückenmark ab, als noch so abgefahrene 16-tel-Licks über sperrige Akkordfolgen......

Und dann noch die Anforderung, jeden Akkord in 4-6 Positionen auf dem Griffbrett intutitiv auffinden zu können - damit habe ich zu tun und es reicht, etwas Abwechslung in die Begleitarbeit zu bringen.

Daß das Ganze sich bei größerem Talent, mehr konzentriertem Üben und kompetentem Unterricht bei anderen schneller als bei mir einstellen wird, versteht sich von selbst.

Gruß,

teleman


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Hallo Helge,

ich übe ja gerade aus dem Buch "Pentatonic Khancepts" von Steve Khan.

Da werden alle möglichen Pentatoniken über Dur Akkorde, Moll Akkorde, Dominantsept-Akkorde usw vorgestellt.

Neben der Theorie gibt es dann auch im Buch notierte Beispielplayalongs. Die übe ich gerade.

Aber das Ziel ist nicht, das 1 zu1 spielen zu können, oder licks als Bausteine zu benutzen.

Ich versuche, ein Gefühl für die Phrasierungen zu bekommen, zB dass Steve Khan sehr viele Pausen benutzt, also wie ein Saxophonist atmet. Das intergriere ich dann einfach mal in meine bisherigen Licks.

Oder, da sind sehr viele Sachen, wo statt Skalengedudel oder Terzen auch mal Quarten, Quiten oder Sexten als Notenverbindungen erscheinen. Das vesuche ich dann bei meinem Gedudel auch. Als Notenfolgen zu spielen, die ich vorher so nicht gespielt habe.

Was ich sagen will: ich versuche den "spirit" irgendwie zu adaptieren, anstatt das irgendwie Note für Note häppchenweise zu reproduzieren.

Vielleicht hilft dieser gedankliche Ansatz ja weiter.

Viel Spaß beim Besserwerden ;-)

Gruß Uli


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

hi helge

versuchs doch mal so:

laß die chordfolge ablaufen und sing oder scate dazu. wenn du das tust, kommen ja genau die töne und rhythmischen patterns ans tageslicht, zu denen dich die chordfolge animiert. und dann schnappst dir die gitte, singst und spielst das, was du singst. erst mal schön langsame sachen, rhythmisch einfach. dann steigern und irgendwann klappt das wunderbar synchron mit der gitte. nachher brauchst die töne nicht mehr laut singen, nur noch im kopf singen.

so bleibt dir der umweg über chordstrukturen, patterns, skalen usw. erspart.

und das was dabei raus kommt ist helge, nicht gatton benson oder wer weiß was wer.

und singen kann jeder, muss ja nicht mit ner knallerstimme sein.

mut mut, versuch macht kluch

gruß wolfgang


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Lieber Helge,


ein sehr schöner Thread, und es gibt garantiert 150 verschiedene Vorschläge dazu, die alle ihre Berechtigung haben. Ich will mal meinen vom Workshop wiederholen, denn auch in mir haben die Session-Gespräche 1 wenig "nachgehallt":

"Ok, das ist jetzt ein geiles Lick, aber was willst Du danach machen, Helge? Jetzt hier erstmal ein geiles Lick spielen, damit alle zuhören und dann? Hmm...naaa, was willste dann machen?"


Hier gibt es, und das ist abschließend gemeint, genau zwei Möglichkeiten:

1. Play it again and call it "Blues".

2. Play it again and call it "Jazz".

In jedem Fall also "Play it again".

Ich habe zunehmend den Eindruck, dass der Wert der Wiederholung weit unterschätzt wird, und zwar zum einen als Stilmittel, zum anderen aber auch als Methodik zur eigenen Verbesserung. Jeder will sich erweitern und "mal was total neues und anderes" lernen. Es führt aber viel weiter, das bereits Vorhandene und Eigene (also sich selbst) besser kennenzulernen, und das geht nur über Wiederholung. (Hier passt übrigens Telemans "erster Stock" auch noch mit hinein.) Das von dir angesprochene "Hölzerne" wird damit auf Sicht ebenso besser wie die Fähigkeit, gleichzeitig zu spielen und auf den Fortgang der Musik zu achten. Meinem Eindruck nach spielen die meisten Gitarristen, die in irgendeiner Form "souverän" spielen, deswegen so, weil sie das, was sie spielen, gut kennengelernt haben. Und die "Erweiterung" führt dann über langsames und allmähliches Verschieben der bekannten Grenzen nach außen.

Viele Grüße,

Michael


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Hi teleman
(gab´s da nicht mal einen klassischen Komponisten dieses Namens?)

Danke für Deinen Input. Ich glaube, dass was Du beschreibst geht schon genau in die richtige Richtung zur Überwindung meines Problems. Allerdings müsste ich den Weg eher umgekehrt beschreiten, denke ich. Bei mir verhält es sich nämlich genau umgekehrt als bei Dir: Das theoretische Verständnis von Musik eilt bei mir immer weit vor den Sechzehntel - Licks voraus ;) Ich habe mich seit meinen Teenagerjahren sehr viel mit Musiktheorie beschäftigt, fand das immer spannend und interessant und es hat mir auch viel gebracht. Doch ich habe dann Jahre und Jahre und noch mehr Jahre gebraucht um zu kapieren, dass es mich nicht zum guten Gitarristen macht, zu wissen, welche Skala über welchen Akkord wie klingt. Ich bin immer ein großer Verfechter der Musiktheorie, doch irgendwann wurde mir eines klar:

The map is not the territory. (*)

Will heißen: Die Karte lesen zu können (oder auch: ein Gebiet kartographieren zu können) ist zwar wichtig, aber sich in dem Gebiet zu bewegen ist ein anderes Ding. Jeder, der sich schonmal trotz Wanderkarte richtig fies im Wald verlaufen hat, weiß, was ich meine (und dieses Gefühl des Sich-Verlaufens passt glaube ich auch ganz gut auf mein Soloproblem).

Was ich aber einen sehr guten und wichtigen Hinweis finde in Deinem Beitrag, den ich mir mal mitnehmen werde ist die Stockwerksgeschichte. Ich verstehe das so: Sich besinnen auf das, was man kann. Nicht zu große Anforderungen an sich stellen. Ruhig Blut.

Merci,
viele Grüße,

Helge

* http://en.wikipedia.org/wiki/Map–territory_relation


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Lieber Michael,

gäbe es hier einen "Gefällt mir"-Button, hätte ich ihn jetzt gedrückt.


: ...wie die Fähigkeit, gleichzeitig zu spielen und auf den Fortgang der Musik zu achten. Meinem Eindruck nach spielen die meisten Gitarristen, die in irgendeiner Form "souverän" spielen, deswegen so, weil sie das, was sie spielen, gut kennengelernt haben. Und die "Erweiterung" führt dann über langsames und allmähliches Verschieben der bekannten Grenzen nach außen.


Dieser Absatz kommt in mein Notizbuch.

Grüsse,
Michael


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Hi Uli.

Ja, das Buch habe ich auch! Ich finde es fantastisch, ebenso wie das Akkordpendant Contemporary Chord Khancepts. (Zwar befinde ich mich nicht gänzlich ohne Verbindungen zum herausgebenden Verlag, erwähne dies aber nur der Vollständigkeit und der Forenetikette halber. Dass dies keine reine Werbung sondern eine ernstgemeinte Empfehlung ist möge man mir bitte glauben.)

Ich habe 2010 auch die Mucke von Steve Khan kennengelernt und finde das ziemlich cool, was der so macht.

Zu Deinem Posting: Vieles, was Du schreibst verstehe ich und ich verstehe auch, wie mir das helfen kann. Ich glaube aber, dass einiges davon erst der über- oder vielleicht überübernächste Schritt für mich sein kann. Anders zu phrasieren, mehr Pausen einzubauen, einen "Spirit" auf sein eigenes Repertoire zu übertragen...das sind ja alles Dinge, die schon eine gewisse Fertigkeit voraussetzen. Und bei mir geht es glaube ich erstmal noch eher um die Voraussetzung ;)


Vielleicht hilft dieser gedankliche Ansatz ja weiter.

Viel Spaß beim Besserwerden ;-)

 

Das hat er. Vielen Dank, wünsche ich auch :)

 

Viele Grüße

Helge

 

 

ps: Hier gibt es neben einem schönen, ausführlichen Podcast über und mit Steve Khan auch noch anderes Schönes zu entdecken: http://www.insidemusicast.com/


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Hi Wolfgang.

Weißt Du was? Kurz und knapp: Das ist ein toller Tip! :)

Dankeschön.

Ich werde das mal ausprobieren. Ich finde die Idee deshalb so gut, weil ich durchaus in der Lage bin, mir ein cooles Solo "vorzustellen". Allerdings spiele ich mit Gitarre in der Hand meistens nicht das, was aus meiner Vorstellung kommt, sondern das, "was ich halt irgendwie gerade so spiele" (und so, naja, malsagen, beliebig, klingts dann auch...)

: und das was dabei raus kommt ist helge, nicht gatton benson oder wer weiß was wer.

Und das ist ja schließlich das Ziel.

Viele Grüße

Helge


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Hi Helge,


Ich habe 2010 auch die Mucke von Steve Khan kennengelernt und finde das ziemlich cool, was der so macht.

Ich auch. Der ist auch ein total netter Typ. Nachdem ich alles gekauft habe, was hierzulande an CDs erhältlich ist, habe ich ihn mal angemailt, wo man evtl. seine älteren CDs herbekommt.

Antwort: leider habe ich keine Kontrolle über diese Veröffentlichungen. Aber das was ich selber habe, schicke ich gerne als CDR übern Teich ......eine Woche später kamen 5 CDs bei mir an....

Sehr nett und coole Mucke

Gruß Uli


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Lieber Michael.


ein sehr schöner Thread, und es gibt garantiert 150 verschiedene Vorschläge dazu, die alle ihre Berechtigung haben.

Ja, das zeichnet sich ja hier auch schon ab :)      - Sehr schön, was ich hier gerade so alles an Input bekomme!

 

Ich will mal meinen vom Workshop wiederholen [sic!], denn auch in mir haben die Session-Gespräche (...)

Die Wiederholungsidee ist gut. Und sie ist wichtig. Telemans Beitrag geht je teilweise auch in die Richtung. Wahrscheinlich muss man sich auch einfach ein Stück weit von dem inneren Druck befreien, immer und ständig was ganz neues, aufregendes von sich zu geben. Und dafür die Dinge, die man kann wirklich kennen.

Was diesen Punkt angeht, so werde ich versuchen, mal bei Aufnahmen von anderen Musikern speziell darauf zu lauschen. Spontan fällt mir beispielsweise Mike Stern ein. Der kann eigentlich nur drei Licks. Aber nichtsdestotrotz kann er konzertfüllend geile Soli spielen. Mit seinen drei Licks und allen Varianten davon.

Danke auch noch kurz dafür, dass Du den Begriff der Souveränität hier eingebracht hast. Ich glaube, der beschreibt relativ genau, wohin ich will und was ich in meinem Spiel vermisse.

Danke & viele Grüße,

Helge


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Moin Helge,

ich kann dir nur sagen, mach' so weiter wie im Moment. Du gehst das alles so methodisch
und gewissenhaft an - das ist (bloss noch) eine Frage der Zeit. Und wenn du mit diesem Eifer dranbleibst,
wirst du mit dem Kopf immer weniger gegen die Decke knallen.

Abseits von aller Theorie empfehle ich dir 2 banale Dinge:

1. Spielen, Spielen, Spielen. Die aktuelle Lieblings CD einlegen, und dazu Jammen.
So oft und so lange wie möglich. Damit wirst du dein Repertoire immer mehr erweitern.
Dabei würde ich versuchen, dem jeweils angesagten "Idol" alles abzukupfern, was einem
cool vorkommt. Ohne Rücksicht auf Gedanken wie "dann klinge ich aber irgendwann auch
wie X oder Y.
Je mehr du das machst, werden aus den "Vorgaben des Idols" deine eigenen Ideen und Bausteine.

2. Immer wieder mal das eigene Spiel aufnehmen. Schönes Backing besorgen und dann
einfach damit rumexperimentieren. Und wenn dir gefällt, was du spielst, den Take behalten
und mal nach nem Monat wieder reinhören. Du wirst merken, wie sehr du dich verändert hast.
Und, ganz wichtig, beim Aufnehmen nicht zu viel denken bzw. abliefern wollen!!!

Grüße,

Andreas


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

ja, freut mich!

es ist ja meist so, wenn man auffer gitte unterwegs ist, dass man dann in die üblichen "trampelpfade" reinschliddert, die kann man, da kann nix schiefgehen, ist aber dann leider auch nur eine aneinanderreihung von trampelpfaden.

wenn ich z.b. ein backing bespülen will, laß ich das erst ein paar mal laufen und sing dazu. da kommen dann manchmal überraschende wendungen zustande und es ergibt sich schon mal so ne gewisse grundform. das übertrage ich dann auffe gitte, mehr oder weniger.

viel spaß, troubadix ;-)

gruß wolfgang


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

: da fällt mir gerade noch folgender spruch ein:
: aufgeschriebene Musik ist wie ne vorgelesene Speisekarte!
: gruß wolfgang

Hallo Wolfgang,

ja nach Musikgenre ist der Aufschrieb aber manchmal schon hilfreich, weiterführend oder sogar elementar. Und für Lern- und Weiterbildungszwecke finde ich geschriebenes Material (Noten oder TAB´s) für mich unverzichtbar. Ich bin nicht so der Spontan-Abgucker oder -Aufschnapper, sondern habe es gern ersma schwarz auf weiß vor mir liegen.

Aus der mehrjährigen Durchführungspraxis einer monatl. Session (offen für alle Instrumentengattungen und Könnensstufen) weiß ich mittlerweile den Wert eines gut gemachten Leadsheets sehr zu schätzen. Meist kommt bei den Formationen, die sich da entlang bewegen, für die Zuhörer mehr rum, als bei den immer und ewig " aus dem Bauch gespielten" Bluesimpros. Du weisst vermutlich , was ich meine .....

Bei einer gut eingespielten Band, will ich dagegen auf der Bühne eher keine Notenpulte stehen sehen.

Gruß,

teleman


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Hallo Helge,,,

,,, ich mag die Ansätze von Hayman, Michael J. und Hofers Andreas sehr - mir kommt das bekannt vor und das sind, glaube ich, auch meine Ansätze.

Versuch doch mal, Dir kleine, eintaktige Melodien, Linien, auszudenken. Nicht mit der Gitte in der Hand, sondern beim Müllrausbringen, unter der Dusche und beim Autofahren. Versuch sie Dir einzuprägen, so, dass Du Dich erinnern kannst. Als nächstes machs mit zweitaktigen. Und dann - nee, nich dreitaktige, sondern wieder eintaktige. Also - möglichst einfach halten, übersichtlich, unkompliziert.

Schalt ein kleines, imaginäres Metronom in Deinem Kopf ein und spiel zu diesem Beat. Du bist raus? Kein Problem, wo ist die eins - da gehts dann weiter, von vorne.

Dabei kannst Du Dir auch gleich im Kopf ausdenken, wie Du das wohl auf dem Griffbrett umsetzen würdest. Pfeiff sie Dir vor, spiel mit Ihnen, häng was dran oder lass was weg. Nochmal. Und zurück zur banalen, einfachen Ausgangsmelodie. Jetzt kommen Michaels 'Wiederholungen' ins Spiel.

Später mit der Gitarre wirst Du sehen: Ah-so geht das. Oder auch hier in dieser Lage usw. Spiel die kleine Phrase mehrmals, änder sie, mach aus der ersten 1/4 ne 1/2 Note, mach aus 4 Tönen 5, spiel die Wiederholung energischer, oder sanfter, erst Stakkato, danach dasselbe Legato, spiel Frage und Antwort mit Dir selbst, machs mal ne Oktave höher. Und eine tiefer. Lass Töne ausklingen. Lass mal nen Takt Pause. Ruhe. Und dann wieder. Keine Angst vor banalen Läufen - genau so entsteht Virtuosität. In der Musiktheorie heisst das ja auch Thema und Variation - genau da bist Du gerade bei. Analysier mal, wie viele Wiederholungen in Deinem Milestones Beispiel vorkommen. Geht gleich mit nem wiederholten 4taktigen Thema los...

Halt's einfach - spiel die einfachen licks Deiner Vorbilder, die Kleinen, nicht gleich das ganze Werk. Die Heroes machens doch nicht anders. Und wenn Du genau hinhörst, wirst Du bei denen viele kleine Schweinereien entdecken, wiederholt, variiert, moduliert, (nein - keine Angst vor Wiederholungen, sie sind doch der Stempel des songs) Die langen Dinger sorgen doch viel leichter dafür, dass Du Dich im Wald verläufst, verzettelst und aus der Nummer nicht mehr rauskommst.

Und auf einmal wirst Du sehen, dass Du Deine eigenen licks mit fremden kombinierst. Improvisation, nicht 'vom Blatt spielen', Finde raus, wie Du Emotionen ausdrücken kannst. Alles mit diesen kleinen, banalen licks. Wann klinge ich wütend, wann frech, wann romantisch - probier und beurteil Dich selbst.

Diese Gefühle sind immens wichtig, soll es um Ausdruck gehen. Und 'Pfeiffen', das kann ich inzwischen ohne Pfeiffen, nur im Kopp. Das geht.

Und wenn man dann die Gitarre wieder in der Hand hat, iss alles weg, ja scheisse, ich weiss, machs trotzdem, finde Deine personal Kombination, auf die kommt es an!

Mir hats geholfen, vielleicht ein bißchen Dir?

Lieber Gruss - Rainer


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Das hier ist jetzt nur noch ein Youtube-Nachklapp für diejenigen, die nichts besseres zu tun haben. Wayne Krantz hat ein bisschen was zu spielen und auch ein bisschen was zu erzählen. Ich mag natürlich vor allem den Satz: "Why would a grown-up man want to sound like another grown-up man?" Zumindest habe ich aus diesem Video für mich herausgezogen, dass wir zwar alle die mehr oder weniger gleichen Töne, Leitern und Techniken miteinander teilen, dass aber jeder für sich in einer eigenen Gitarrenwelt lebt, die es zu erkunden gilt. Das heißt für mich übersetzt: "Nicht nach außen üben, sondern nach innen."

http://www.youtube.com/watch?v=WE4TCD4MFF4

Viele Grüße,

M. (J.)


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

 Hi Helge!

Ich kann Dir nicht viel helfen, denn ich bin die Sache anders angegangen, als Du es jetzt tust, aber das hier:

1. Spielen, Spielen, Spielen. Die aktuelle Lieblings CD einlegen, und dazu Jammen. : So oft und so lange wie möglich. Damit wirst du dein Repertoire immer mehr erweitern. : Dabei würde ich versuchen, dem jeweils angesagten "Idol" alles abzukupfern, was einem : cool vorkommt. Ohne Rücksicht auf Gedanken wie "dann klinge ich aber irgendwann auch : wie X oder Y. : Je mehr du das machst, werden aus den "Vorgaben des Idols" deine eigenen Ideen und Bausteine.

ist genau das, was mir immer am meisten gebracht hat. Am Anfang sucht man sich die coolen Sachen raus und ist total happy, wenn man etwas "entdeckt" hat, und wenn man darüber hinaus ist angestrengt versuchen das nachzuspielen, dann fängt man an, auf den Rest zu hören, also, was macht die Band, wie füge ich mich da ein. Das war und ist für mich eine super Schule, und überträgt sich auch auf das musizieren mit anderen. Also, wenn ich nicht singe (wenn ich singe und spiele ist das immer sehr anstrengend, daher höre ich da meist nur auf mich,-))), dann höre ich vermehrt auf das, was die anderen machen und versuche etwas dazu beizutragen was dem gesamten dient.

Wie Rainer schon schrieb, es einfach halten. Das kommt einem vielleicht manchmal doof vor, weil man ja noch dieses oder jenes technische Schmankerl hätte rausfeuern können, aber es geht immer um den Kontext und nie ausschließlich um Deinen Beitrag.

Und zu guter letzt dann noch ein Zitat eines Zeitgenossen (halbwegs) von Telemann, Goethe, der sinngemäß sagte:

"Das, was man erfindet, das tut man mit Liebe. Das was man gelernt hat, das tut man mit Sicherheit."

Mach's gut!


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo


Hallo Helge,

interessantes Thema. Obwohl schon viel Gutes gesagt wurde, noch ne Überlegung: Wie mit der Frage Perfektheit (z.B. =Lick) u. Unperfektheit (Rest des Solos) umgehen ?

 1. Den Lick/das Solo in etwa so spielen, als hättest du ihn erfunden. So variieren, wie es deiner Spielweise entspricht. Eventuell teilweise ganz anders spielen. Nicht zuviel Respekt vor dem Original haben.


2. Den Übergang in und aus dem Lick/Solo speziell üben. Danach soll ja vielleicht eine Skala kommen. Oder eine Variation des Licks, das könnte ja prinzipiell der gleiche Lick angepasst auf die nächsten Akkorde sein.

Die Tipps kommen von jemand, der selbst eher zu faul ist, Solos nachzuspielen (wenn ers denn könnte...).

Wenn du aber in einem Stück nichts anderes als so ein perfektes nachgespieltes Solo spielst, gibts doch garnichts dagegen zu sagen, im Gegenteil, alles staunt...

viel Spaß weiterhin

Werner


 


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Lieber Helge,

vielen Dank für diesen Beitrag und vielen Dank auch an all die anderen für den schönen Thread, der daraus geworden ist. Er enthält übrigens auch Antworten auf die Frust-Probleme von Diet und, schon ein paar Tage mehr her, Muelrich, imho.

Vorweg - wer bin ich, dass ich Dir hier Tipps geben könnte? Aber trotzdem hab ich heute morgen auf der Fahrt zur Arbeit drüber nachgedacht, was ich Dir raten könnte und kam komischerweise auf einen ähnlichen Ansatz wie Michael: Wiederholungen.

Ich ergänze das noch um einen Aspekt: lass Dein Monster-Lick auf dem letzten Ton stehen oder spiel einen anderen, langen Ton, so dass die Zuhörer Zeit haben, über das nachzudenken, was sie gehört haben, sich daran zu erfreuen, ohne von neuen Eindrücken davon abgelenkt zu werden, oder in Anlehnung an Thomas' Workshop-These vom "Jetzt": verlängere mit dieser Pause das "Jetzt-Gefühl" der Zuhörer auf mehr als die üblichen drei Sekunden.

Und dann spiele es noch mal, fange aber einen Vierteltakt später an. Das kannst Du, wenn Du das Lick kannst. Und es klingt so geil. Und Du kannst drei Wiederholungen spielen, ohne Dich zu wiederholen, weil es im Gesamtgefüge jedes mal anders klingt. :-)

Es folgt jetzt noch ne Wiederholung:

Keep rockin'
Friedlieb


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Hallo zusammen.

Vielen Dank an Rainer, Friedlieb, Jonas und Werner und alle, die Input für den Thread geliefert haben.

Eurer aller Beiträge haben mich inspiriert und ich werde das jetzt alles erstmal ein bißchen in mir hin und her bewegen und schauen, welche Aspekte für mich gut funktionieren im "Training" und "auf dem Platz".

Jetzt gehe ich erstmal Üben :)

Liebe Grüße

Helge


Re: (Gitarre) vom Solo zum Lick - vom Lick zum Solo

Moin Helge!

Ist ja alles gesagt. Nur noch nicht von ... :-)) ... nee...

Eine Sache habe ich beizutragen:

Das Gefühl, sich selbst während des Spiels zu bewerten, das kenne ich und wohl jeder andere auch.

Trotzdem ist das etwas, das mir an Deinen Ausführungen besonders auffiel und an dem Du m.M.n. arbeiten solltest.

Wenn Du spielst, hast Du eigentlich keine Zeit zum Nachdenken. Musikmachen ist ohnehin schon komplex genug, so dass für's Über-Ich eigentlich keine Kapazitäten mehr frei sind.

Kennst Du das Prinzip des rotierenden Aufmerksamkeit? Das bedeutet, dass DU ein und dieselbe Sache aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet übst. Das kann sein, ganz profan:

-linke Hand

-rechte Hand

-Synchronisation

-Klang

-Sound

-Haptik (wie fühlt sich das, was ich spiele an, rein Haptisch, das Gefühl der Saiten unter den Fingern usw.)

-Haltung bzw. Körpergefühl (ist meine Haltung statisch, oder ist sie -wie es richtig wäre- fließend)

Aber es gibt auch den Zustand der Nicht-Aufmerksamkeit, mit der Du prüfen kannst, wie gut es sitzt. Du spielst das, was Du üben möchtest und liest nebenher Zeitung. Klappt das, dann sitzt es garantiert :-)

Und es gibt den Zustand, in dem alles wurscht ist, in dem einfach die Sau herausgelassen wird, egal, was dabei herauskommt :-)

Worauf ich hinaus will ist, dass Du damit Deine Aufmerksamkeit und damit verbunden auch Dein wertendes Über-Ich an die Leine nimmst, indem Du das Ruder übernimmst.

Alles andere wird sich bei Dir schon ergeben, Du bist anscheinend fleißig und arbeitest stetig. Das sind beste Voraussetzungen.

Grüße Thomas