(G.A.S.) Die Gasbeichte zum Montag: das Fliewatüüt in Sommerfarbe


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Beitrag von andi-o vom November 12. 2018 um 11:56:09:

Moin Jungs, 



die letzten Jahre waren ja bei mir so ziemlich vom Gegenteil von GAS-Anfällen geprägt; d.h. ich hab mich von etlichen Gitarren & Gerätschaften getrennt, was teilweise Gesundschrumpfen war, teilweise auch etwas wehtat – aber egal, der Vergangenheit soll man ja nicht nachtrauern! 

Mit meinen beiden Relic Strats bin ich jetzt schon 7 bzw. 10 Jahre (ja, tatsächlich!) glücklich, ebenso lange mit meiner Tokai-Paula. Und dann sind ja da noch die Akustiks für's Gitarrenduo...


But, things they are-a-changing, und so kam's, dass ich im September in Hohenberg bei der AS-Session aufschlug, und sozusagen ein Aha-Erlebnis hatte. Nein, nicht Stoffels AS200 - die hat mir zwar einen Heidenspass gemacht, aber diesen speziellen Moment, mit Stoffel an den Drums und Franco am Bass, als wir CWEAL spielten – diesen einen, wunderbaren Moment würde auch der Erwerb einer ebensolchen Ibanez Semi nicht wiederbringen. Und, realistisch betrachtet, würde die Semi bei dem, was ich so treibe, nicht den Hauch einer Chance auf Bühneneinsatz haben. 



Axo, das eigentliche Session-Aha-Erlebnis: Samstagmorgens in Rosenberg hörte ich Thomas von draussen im Akustikraum auf seiner Akustik Wohlklang erzeugen. Also meine OM geschnappt und rein zu ihm. Nachdem ich ein paar Minuten (recht andächtig) gelauscht hatte, drückte ich Thomas dann meine Geige in die Hand. "Spiel mal damit." Tja, Thomas spielt ein paar Takte, da wurde mir recht abrupt & deutlich klar, dass ich mit dem bisschen Pseudopicking und den dreieinhalb Al Di M.-Läufen, die ich auf meinen Akustiks praktiziere, niemals auch nur annähernd das Potential meiner OM ankratzen, geschweige denn ausschöpfen würde. Thomas dagegen machte das mal so g'schwind, nebenher, aus'm Ärmel – mit einer (für ihn) fremden Gitarre. Klang richtig geil. Puh. (Wenn er wenigsten ein arroganter Sack wäre, aber nee, ein voll netter Kerle, da konnte ich ob seines Picking-Könnens noch nicht mal wirklich eifersüchtig werden!) Die mittlerweile recht begrenze Anzahl von Gigs pro Jahr mit meinem Akustik-Duo taten ein übriges in meinen Gedankengängen, und nach ca. 10 Sekunden reiflichen Überlegens war klar: die OM kann weg! Geld für GAS!!!!



Oha, was für eine Einleitung..... ich schweife ab. Diesmal sollte Gitarrengeld auch wirklich Gitarrengeld bleiben (So Aktionen wie "Les Paul Custom gegen Dachrinne und Verblechung am Carport" tauschen muss ich hoffentlich niemals mehr machen :) und ne Ibanez Semi, sonnengebürstet? Nö, dafür ist die Altersmilde einfach noch nicht ausgeprägt genug, glaub ich. 



Ja, aber brauch ich denn was anderes als dass, was ich schon habe, oder ist dass bloss die Gier auf mehr? Meine Strats sind ja für die Musik auf der dunklen Seite der Macht, die ich mache, im Prinzip bestens geeignet (manchmal eher überqualifiziert...), da kommt vom Schlager bis zu den toten Hosen schon alles raus, irgendwie. Aber: die Kloppmann Pickups, die die Dinger so geil und authentisch klingen lassen, sind auch recht empfindliche Primadonnen; die jeweils verbauten  Dummy-Coils helfen nur begrenzt gegen Brummen, und sind auch nur ne Notlösung (beim oft von Einstreuungen nur so strotzendem Umfeld in vielen Auftrittslocations) - und mit "ohne" Dummycoil klingts einfach besser. Eben 100% Singlecoil. Und bei engen Bühnen sind die Flöhehustenhörer von Kloppi auch nicht immer leicht zu zähmen - bei Soli mit HiGain tritt man da vorsichtshalber nen Schritt oder zwei vom Monitor weg, damit es nicht zum Pfeifkonzert kommt. (Dass die Kloppmänner auch laut gut können, habe ich in Hohenberg ja feststellen können, aber mit der Band bin ich meist an den Platz hinter meinem Gesangsmikro gefesselt, da is nix mit Abhauen, wenn's anfängt zu pfeifen....) Und, simmer mal ehrlich, "mein" Sound kommt da auch raus. Aaaaber: Was is'n, wenn ich sowas wie "Jump" spielen muss. Oder "I love Rock'n Roll"... (Jaja, ich weiss. Ich werd mein Leben lang ne Covernutte bleiben.) – Das macht auf'm Singlecoil am Stege einfach keinen Spass. Egal wieviel Gain ich da reindrehe - es wird kein Humbucker-Feling aufkommen. Und mal kurz auf die amtliche Paula wechseln mitten im Set is nich. Ein solches kann mit Helene F. anfangen und mit den toten Hosen enden - je nach Publikumslaune. Da ist "mein Sound" dann auch nicht immer unbedingt das Mittel der Wahl.


So sieht's also aus (im Spechthaus); eine Gitarre für die Bühne, die nicht brummt bei Scheiss-Strom, und die bei Laut und Highgain mit 1 m Abstand zum Monitor nicht pfeift. Und Clean muss auch. Das ist aber der Knackpunkt: mit authentischen SCs wie den Kloppmännern ist das nicht zu machen - wer diesen Sound haben will, muss mit den Eigenheiten eines Vintage-SCs leben - für eierlegende Wollmilchsauen sind die Dinger aber ungeeignet. Tonal hochauflösede Charakterköpfe eben :) 



Hmmm. Vielleicht eine Steve Lukather HSS von Musicman? Wäre im Prinzip schon nahe an dem dran, was ich will. Aber: der Steve ist so'n kleines Männchen, da geht seine Signature voll ok - bei mir sieht das Ding aus wie ein Spielzeug. Der Akkuschrauber am Band. Und die bezahlbaren Luke-Geräte haben noch die EMG Bestückung. Nääää, nach über 35 Jahren ohne Batterie in der Klampfe fang ich damit nicht mehr an. Der gute Steve ist mittleweile höchstselbst zu passiven DiMarzios gewechselt - auf dem vom mir unlängst verlinkten 35th anniversary Konzert von Toto kann man beide Varianten, also EMG und DiMarzio, hören und vergleichen. Trotz Lukes Signaturesound im Ganzen hört man da schon einen Unterschied. (Für meinen Geschmack sind klar die DiMarzios vorne). Und Edelstahlbünde haben die EMG Lukes auch (noch) nicht. (Aktuell glaub ich schon, bin mir aber nicht sicher).
Oder doch nochmal ne Ibanez JEM? Ach quatsch, zu viel Griff, zu viel Weichkäse-Floyd Rose, zuviel alles – für den Scheiss bin ich einfach zu alt, mittlerweile. Da hilft wieder mal nur der Entschluss zum Selbstbau.



Ihr ahnt, wo's hingeht. Das andi-o-live Signature Modell (harharhar) soll's/sollte es diesmal werden; mit allem, was ich über die Jahre so an "muss sein" auf ner Gitarre (einer Strat) für mich mitgenommen und angesammelt habe. Und, weil ich musikalisch (trotz Richie Kotzen) immer ein Kind der 80er bleiben werde, sind auch die tonalen Wünsche für ein solches Gerät schnell festgemacht: Yngwie (Live in leningrad/Trial by Fire) am Halse und Steve Lukather (35th anni live) am Steg - dazu ein Cleansound, mit dem ich auf der Bühne das abliefern kann, was gefordert ist. 



So, jetzt ist's raus. Ein klimatisiertes 4-Sitzer-Taxi, mit dem man bei der DTM mitfahren kann, quasi. Braucht das jemand? Keine Ahnung. Ich. Vielleicht!? Mist, ich mach mal wieder Krieg und Frieden aus ner neuen Ketarre, aber zu spät. Damit's nicht so öd wird, gibt es erstmal ein paar Entspannungs-Bilder des DTM-Fliewatüüts zum Durchatmen:


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Und, latürnich, die Specs - von wegen "muss sein", "Erfahrungsschatz" etc. pp.: Das Ding hat einen Hals aus roasted maple, also gebackenem (gebratenem?) Ahorn - das hab ich zum ersten mal bei Musicman Hälsen gesehen/angefasst und finde es saumässig geil! Das Backen macht das Ahorn extrem "glatt" und karamellbraun, der Hals fühlt sich super an und - Überraschung - er duftet intensivst nach Holz (so wie inner Zirbenholzsauna, hihi). Sehr angenehm, das! Das Griffbrett ist Macassar Ebenholz, sieht chic aus zum fiestarot & ich mag auch den kleinen Extrakick an Defintion im Ton, den Ebenholz mit sich bringt. 22 6100er Bünde aus Edelstahl. Nix anders mehr! Der Body ist aus Erle, ganz konservativ - die ist zwar in diesem Fall auch geröstet, aber wohl nur wg. Gewichtsoptimierung - ich wollte einfach Erle, in fiestarot, und halt nicht schwerer als 4 Pfund :) Schaller Klemmmechaniken machen den Stringtree überflüssig und mit dem Black Tust XL Sattel geht tremolieren nahezu auf Floyd-Niveau. Das Trem selber ist von ABM (danke für den Tipp, Michael!) und ist so, wie man sich oldschool Qualität made in G. eben vorstellt - ordentlich bis ins kleinste Detail. Ein Tremhebel, der auch ohne Teflonband leichtgängig ist und nicht rappelt!
 
Die Pickups für die 80er Zeitreise sind am Steg der DiMarzio Transition HB (das Lukather Signature Teil, wer hätte das geahnt...), in der Mittenposition der DiMarzio Area67 und am Hals der DiMarzio Injector (Das ist wohl das Paule Gilbert Signature Dingens und soll, angeblich, den nicht separat erhältlichen Lukather Signature PUs aus dessen Musicman HSS am nächsten kommen). Die beiden Singlecoils sind gar keine, sondern jeweils stacked Humbucker in SC Größe. Die Gitarre ist bei Highgain und in Laut vollkommen ruhig - es brummt 0,0. Überrascht hat mich (bei diesen Pickups) der sehr angenehme Cleansound von Hals, Hals-Mitte und Mitte. Den HB Split zusammen mit Mitte empfinde ich als viel zu harsch & wenig brauchbar -  da sind die Kloppmänner tausendfach überlegen. Der HB am Steg macht, was man erwartet: heissgemachtes PAF-Brett, mit dem man von Rock bis Brachial einiges anstellen kann. Ich hab noch nie im Leben nen cleanen Steg PU benutzt, AC/DC Crunch ist da für mich das Minimum, also kann ich zu eventuellen Cleanqualitäten des Transition HBs nicht wirklich was sinnvolles sagen. Der HB macht auch mit untergedrehtem Volumepoti ne sehr gute Figur.


Natürlich war/ist es ein wenig wie Lotto spielen mit den Pickups (und dem Rest), das hätte auch locker in die Hose gehen können, ich hatte aber (wieder mal) Glück – die Teile machen das, was ich mit ihnen vorhatte, perfekt. Hals Yngwie, Bridge Steve. Der Area67 in der Mittenposition ist dabei das eigentliche Überraschung-Ei; der klingt alleine und mit Zerre wie ein guter Steg SC, mit genug Bauch auch für cleanes, und angenehm tight und satt für gedämpftes Achtel tschack-tschack... Die harmonisch verschränkten Obertöne lasse ich heut mal weg. Zusammenbauen war bis auf's Löten auch ein Kinderspiel, Warmoth bohrt mittlerweile auch die (nervigen) Löcher für die Tremolofedern-Kralle, so dass ausser ein paar Löchern für Pickguard, Buchsenblech und Endpins kaum was an Holzarbeiten zu machen ist. Und da man nicht im Akkord schrauben muss (und motivierter ist) als die mexikanischen Hausfrauen ehedem und aktuell bei Fender, macht man auch keine Flüchtigkeitsfehler. Kurzum, nach nem halben Nachmittag löten und einer Stunde schrauben, besaiten und einstellen war die kleine Rote dann gebrauchsfertig. Der Hals vom Rost ist tatsächlich das beste, was ich bisher auf ner Strat hatte (und es waren einige, seufz, meine Relic Schätzchen eingeschlossen)! Und, ja, das Fender Decal auf der Kopfplatte ist für mich als Grafiker einfach ein optisch zwingendes Design-muss (sonst nix).


Ob ich mit dem Ding Aufnahmen machen werde, weiss ich noch nicht. Die Sounds kennen ja schon alle. Es sei denn, ich stelle auch mal so Pseudo Tutorials mit Yngwie- oder Lukather Soli bei youtube ins Netz, damit ich hemmungslos vor Publikum einen rausgniedeln kann und dabei so tun, als ob ich jemandem was beibringen wollte, hihi. Sobald ich wieder auf ne Session komme, werd ich euch das Teil unter die Nase halten, und wer mag, darf's begrabbeln, versprochen.


Mei, soviel Text für so a bissle Gitarre...
Grüße aus dem Land von "GAS gegen Herbstdepressionen",
Andreas




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