Re: (War gestern) Alan Holdsworth - oder der Jazz und ich...
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Beitrag von woody vom April 16. 2008 um 10:57:17:
Als Antwort zu: Re: (War gestern) Alan Holdsworth - oder der Jazz und ich... geschrieben von erniecaster am April 15. 2008 um 22:06:07:
Huhu ernie,
: Jeder für sich kann berührt werden, sich bereichert fühlen, es mögen und begeistert sein. Oder eben genau das Gegenteil oder die Mitte. Aber keiner hat zu bestimmen, ob man berührt oder bereichert oder begeistert zu sein hat.
Das hier unterschreibe ich ohne weiteres, das habe ich ja auch Sinngemäß bereits geschrieben. Ein Geschmacksurteil kann und darf jeder fällen.
: Kunst ist gar nicht zu diskutieren.
Weißt Du, mit Deiner Kuschelbeliebigkeit hier mag ich mich hier nicht zufriedengeben. Kunst kommt von Können.
Jonas schrieb : Musiker sind bei sowas einfach (viel zu) empfindlich.
Das sehe ich völlig anders. Musiker können hier gar nicht empfindlich genug sein.
Matthias, Du trittst doch regelmäßig auf. Dafür willst Du Geld sehen. Was hältst Du von der Argumentation eines Veranstalters: "Naja, sie sind ungelernte Kraft, zu zweit, nagut, das macht 10 pro Stunde und Nase, ein Maurer, der sein Handwerk gelernt hat, muß das ja auch im Vergleich honoriert bekommen. Nen Zwanni für die Anfahrt, das macht dann für drei Stunden Hochzeit 80."
Ich finde einen Qualitätsbegriff in der Musik wichtig, und das aus mehrerlei Gründen. (Das Folgende ist meine höchst subjektive Meinung. Ich mach da mit mitte Zwanzig gerne den geifernden, rechthaberischen Alten in der Theaterloge.)
Zum einen muß es Profis geben können. Die müssen davon leben können, Musik zu machen. Wo kämen wir hin (ja, diese Formel benutze ich ganz bewußt), wenn es solche Klangkörper wie z.B. die Berliner Philharmoniker nicht mehr geben könnte? Die WDR-Bigband? Kultur kostet Geld. Das ist sie Wert. Da ist ein Wertbegriff. Aber der muß gesellschaftlicher Konsens sein, sonst sind solche Ensemble nicht zu unterhalten.
Das ist eine Seite eines musikalischen Wertbegriffs, die harte, monetäre.
Die andere hat mit Respekt und Anerkennung zu tun. (Bööh! Das ist doch out, höre ich es aus dem Zuschauerraum zischeln.) Ein guter Musiker muß an sich arbeiten. An seinen handwerklichen Fähigkeiten, also, Instrumentenbeherrschung, Theoriekrams, Notenlesen, Timing, Blattspiel etc. aber auch an persönlichen menschlich-emotionalen Baustellen. Interpretation. Bühnensicherheit. Präsenz. Selbstbestätigung usw. usf.
Das kostet wahnsinnig viel Zeit und Nerven. Ein Industrieschlosser macht nach der mittleren Reife eine dreijährige Ausbildung. Ein Mediziner macht sein Abitur und ist nach einem Zwölfsemestrigem Studium fertig.
Ein studierter Musiker hat viele,viele Jahre voher, meist mit sehr jungen Jahren, angefangen, Zeit und Herzblut in seine Ausbildung zu stecken. Neben der Schule. Ohne sehr gute Instrumentenbeherrschung wird man an einer Musikhochschule nicht aufgenommen.
(Ein Profimusiker ohne Abschluss hat es unvergleichlich schwerer, sein Leben mit Musik zu bestreiten, wird aber über alles ähnlich viel Zeit und arbeit investeiert haben.)
Das wird gesellschaftlich immer weniger gesehen und honoriert. Superstar wird man, wenn man zur Richtigen Zeit am richtigen Ort ist, per Zufall, und nicht durch harte Arbeit. Der WM-Song (Love Generation, oder so) wurde absichtlich schief, unschön und schlecht im timing gegröhlt, damit die Leute meinen, "oh, das kann ich genauso, da brauch ich mich nicht zu schämen, mitzugröhlen. "Wenn uns Schantall doch genauso schön das Ave Maria singen kann, warum soll ich dann jemanden dafür engagieren? und dann etwa noch bezahlen?"
Hast Du den Grandprix-Entscheid gesehen? Ich schon. Da wurden die No Angels mit einer dümmlichen, handwerklich primitiven Nummer erste (deren Titel ich gerade wieder ergooglen mußte. kann sich jemand erinnern?) Während Caroline Fortenbacher, die mit einem handwerklich tollen Song bei mir eine echte Gänsehaut erzeugt hat. Und mich auch als Sängerin überzeugt hat. Ein Titel, der nicht nur mit einer echten Band live zu spielen gewesen wäre, sondern mir auch haften geblieben ist. Obwohl ich ihn bisher nur einmal gehört habe.
Der langen Rede kurzer Sinn: Gute Musik braucht Anerkennung, auch finanzieller Gestalt. Dafür ist ein Wertbegriff unabdingbar. Mit einem Sorglosem Umgang mit diesem Wertbegriff verschlimemrn wir als Musiker unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Misere.
Viele Grüße, Woody
...und ich könnte noch soooo viel länger...
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