Relationen in der Kunst (war) Alan Holdsworth - oder der Jazz und ich...
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Beitrag von Friedlieb vom April 25. 2008 um 17:32:22:
Als Antwort zu: Re: (War gestern) Alan Holdsworth - oder der Jazz und ich... geschrieben von erniecaster am April 25. 2008 um 11:46:59:
Hi Matthias,
eigentlich wollte ich ja nichts dazu schreiben, aber da ich nun glaube erkannt zu haben, wo das Missverständnis liegt, klinke ich mich mal ein.
: 7 ist größer als 3. Wenn Du diesen Satz als wahr ansiehst, bleibt Dir nichts anderes übrig als auch folgenden Satz zu akzeptieren: 3 ist kleiner als 7.
Das ist zwar richtig, aber nur ein Teil der Wahrheit. Rein mathematisch hat ein halb volles Glas sicherlich den gleichen Inhalt wie ein halb leeres Glas. Wenn aber der sprichwörtliche Optimist das Glas als "halb voll" bezeichnet und der Pessimist "halb leer" dazu sagt, dann ist der Klang sehr wohl verschieden. Ich behaupte auch, daß "sieben ist größer als drei" sich besser anhört als "drei ist kleiner als sieben". Positiver. Eine Reduzierung auf die rein mathematische Aussage nimmt eine Nuance weg.
An dieser Stelle möchte ich nochmal eine kleine Anekdote zum Besten geben, die mein Vater gelegentlich erzählt hat. Jemand hatte irgendwo dereinst gesagt "Die Hälfte vom Magistrat sind Ochsen" und wurde ob dieser Beleidigung verurteilt, das zu dementieren. Das tat er, indem er sagte "Die Hälfte vom Magistrat sind keine Ochsen".
Man kann das auch auf's Sehen übertragen: der reine Schwarz/Weiß-Seher profitiert natürlich von einem optimalen Kontrast. Schwarz-Weiß-Sehen ist ganz hervorragend geeignet, Konturen hervorzuheben. Aber es fehlen die Farben.
So auch bei der Musik: natürlich stimmt die Folgerung, wenn Musik A besser ist als Musik B, daß dann Musik B schlechter sein muss als Musik A. Trotzdem hört die Verwendung ausschließlich positiver Begriffe sich besser an. Und der Mensch ist ein positives Wesen. Wer sich vornimmt, nicht mehr zu fluchen, wird nicht so erfolgreich damit sein wie jemand, der sich vornimmt, nur noch freundlich zu reden. Positiv formulierte Ziele sind leichter zu erreichen. Positiv formulierte Kritik wird viel besser aufgenommen als negativ formulierte, auch wenn die inhaltliche Aussage gleich bleibt. Es kommt eben nicht nur auf den Inhalt an, sondern auch auf die Verpackung. Insofern bin ich da ganz bei Woody.
Und ein zweiter Punkt noch: ich denke, daß die Wertungsskala "gute Musik - mittelgute Musik - schlechte Musik" nicht bis hin zu dem von Dir in einem anderen Posting genannten Punkt "entartete Kunst" reicht. Die Nazis haben da - wie so oft - eine Grenze überschritten, indem sie für diese unliebsame Kunst einen Begriff außerhalb der Skala verwendet haben. Das ist aber kein grundsätzliches Problem der Skala an sich, so wie Du es befürchtest.
Selbstverständlich kann man auch in der Musik Kriterien definieren und anhand dieser Kriterien Klassifizierungen vornehmen. Anzahl der Töne pro Sekunde, Schwierigkeitsgrad, Lautstärke, etc. Das sind zwar hanebüchene Kriterien, aber sie sind objektiv bestimmbar und führen zB zu der Feststellung "Yngwie Malmsteen ist im Bezug auf das Kriterium Geschwindigkeit ein besserer Gitarrist als Peter Green". Oder man nimmt subjektive Kriterien wie zB die Frage, inwieweit die betreffende Musik ein bestimmtes Individuum emotional berührt. Auch dann gelangt man zu einer Skala wie zB "Das Spiel von Warren Haynes berührt mich persönlich mehr als das von Steve Vai".
An diesen Skalen ist nichts schlecht. Man muß sich das nur klar machen. Und die Tatsache, daß die Nazis diese Skala missbraucht, verbogen, pervertiert haben, ist Schuld der Nazis und nicht Schuld der Skala.
Keep rockin' Friedlieb
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