Von fixen Echsen und anderen Digitälern (war: (jet) so war´s (2))
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Beitrag von Friedlieb vom Dezember 31. 2007 um 13:36:05:
Als Antwort zu: Re: (jet) so war´s (2) geschrieben von manuel am Dezember 31. 2007 um 10:53:44:
Moin Manuel, und die ganze restliche Rasselbande,
: Ich denke es ist liegt gar nicht an der Signalentstehung selber, da ist der Axefaxe zb schon sehr weit gediehen. Man merkt auch deutlich die Entwicklung zum Zentera der ja vor 2 Jahren oder so das Nonplusultra war. : Die Gefahr besteht vermutlich mehr darin die Soundmöglichkeiten zur sehr an HighFi Hörgewohnheiten anzugleichen und zuzufrachten.
ja, das kann ich so unterschreiben. Ich will da aber noch ein wenig weiter ausholen, denn die Frage ist ja, warum das so ist.
Wenn ich im Folgenden allgemein von "den Digitalos" spreche, dann meine ich den durchschnittlichen Ton, den man bei den meisten dieser Geräte so hört, wenn man durch die Werks-Presets geht. Jene sind ja in den meisten Fällen als Schaufenster der Möglichkeiten gedacht und daher oft ein wenig überproduziert. Ihre Primärezielgruppe ist der einzeln testende Gitarrist. Deshalb sind diese Sounds oft wuchtig und beeindruckend, wenn man allein spielt, gehen aber im Mix bzw. Bandkontext dann unter. Dazu weiter unten mehr.
Dann haben diese Digitalos ja zumeist auch eine Speakersimulation an Bord, es wird also eine mikrofonierte Gitarrenbox simuliert. Und so klingt dann der Digitalo nicht wie ein Amp im Raum, sondern eher so, wie ein im Aufnahmeraum des Studios mikrofonierter Amp dann aus den Studiomonitoren im Kontrollraum klingen würde. Zumeist kommt dann noch was Hall etc. dazu. Das ist das HiFi-mäßige, welches den Digitalos oft zugeschrieben wird.
Wir haben also verschiedene Phänomene, die dazu beitragen, daß der gemeine Digitalo so klingt, wie er klingt, und im Bandkontext schonmal untergeht: die eher auf "Protzerei" und Alleinspiel ausgelegten Werks-Presets, und der durch Speaker- und Mikrosimulation entstehende "Recording"-Sound. Ein weiteres Phänomen der unzureichenden Abbildung des echten Röhrensounds durch die Digitalos erwähne ich hier nur der Vollständigkeit halber, zumal sich da ja zur Zeit auch einiges tut.
Ich verlasse jetzt mal kurz den Boden der Verallgemeinerungen und wende mich konkret dem Axe-Fx zu. Andi-O hatte die oben beschriebenen Probleme zuerst auch mit dem Axe-Fx, er hat es mir in der Schweiz gesagt und es auch glaub ich hier schonmal geschrieben. Beim Axe-Fx hat man aber ein komplett frei routbares virtuelles Rig mit separaten Amps, Effekten, Speakern, Mikros etc. Und genauso wie man das Teil so wie Jochen es aufgebaut hatte mit "Hifi-Sound" direkt fürs Recording einsetzen kann, so kann man es auch in ein normales Gitarren-Setup mit Endstufe und "richtiger" Gitarrenbox integrieren. Dann verwendet man nur eine Amp-Simulation, keine oder nur wenige Effekte und macht den "Rest" in der richtigen Welt. So machen viele das, Andreas ja auch und er hat ja hier auch schon davon berichtet. Da gibts dann auch keine HiFi- oder Durchsetzungs-Probleme.
Durchsetzen oder wie die Amis sagen "cut through the mix" ist ja eh schon eine Sache für sich. Hey, jeder will sich durchsetzen, und wenn man das blindwütig betreibt (hab ich mit meiner Band gerade hinter mir, kennt man aber auch schonmal von Sessions) dann hat man ein klassisches Wettrüsten auf Lautstärke-Ebene. Da gibt es dann keinen echten Gewinner, und Verlierer sind die Ohren.
Die Lösung kann also nicht "durchsetzen um jeden Preis" sein.
(Der Ton von Felix hätte sich unverändert nur durchsetzen können, wenn man ihn brachial laut gemacht hätte. Das gleiche Problem hatte aber am Freitag auch Michl mit seinem Röhrenamp - er hatte seinen Ton so "dünn" eingestellt, daß schon die Paula fast wie ne Fender klang und die Strat ging dadurch dann total unter. Das war in dem Fall keine Frage von Röhre oder Digital, sondern schlicht von "zu wenig Mitten".)
Aber es stehen ja verschiedene Dimensionen zur Verfügung, in denen jeder sich seinen Claim abstecken kann. Wir haben das am Samstagnachmittag beim Recording-Workshop ja kurz angerissen. Zunächst gibt es den Frequenzbereich, in dem ein Instrument stattfindet. Idealerweise bekommt jedes Instrument seine eigene Domäne zugewiesen und kann sich dort austoben. Dann gibt es die räumliche Trennung links-rechts im Stereo-Mix - aber das darf nicht überschätzt werden, da der Idealfall "Abhören mit Stereokopfhörer" im praktischen Leben viel zu selten vorkommt. Viele Aufnahmen werden mono gehört, und nur ganz wenige Konzertbesuche haben die ideale Hörposition für Stereo. Eine ganz wichtige Dimension ist die Zeit (ich sag das immer wieder: Du mußt vierdimensional denken, Marty!) - Michael wies letztens im Bandlautstärke-Thread darauf hin: das Arrangement oder die Frage der Nichtgleichzeitigkeit halte ich inzwischen für eins der wichtigsten Mittel zu "Durchsetzungsfähigkeit". Mit mehreren Leuten gleichzeitig im gleichen Frequenzbereich unterwegs zu sein bedeutet fetten Ton ohne definierte Herkunft. Das kann gewünscht sein, ist es aber oft nicht, weil die Grenze zwischen fettem Ton und Mulm eine hauchzarte und bewegliche ist. Was ich eben als definierte Herkunft bezeichnet habe, ist aber imho das wichtigste Kriterium für Durchsetzungsvermögen. Ein Musiker setzt sich dann durch, wenn das Publikum in der Lage ist festzustellen, daß dieser eine Ton von jenem Musiker stammt.
Und das ist dann auch eine Lösung für die Digitalos: während Röhrengeräte sich ihre Schneise schon schlagen (weil zumeist mittiger eingestellt und oft schlicht lauter), sind die Digitalos in der Standardeinstellung auf Zeit-Arrangement angewiesen. Man kann sich natürlich auch auf Frequenz-Arrangement (ich nenn das jetzt mal so) einlassen, aber das heißt, man muß sich halt die Mühe machen, einen mittenreichen, knurrigen Ton zu finden und einzustellen, der dann auch mithalten kann. Auch wenn dieser Ton - allein gespielt - dann völlig komisch klingt.
Ich bin der festen Überzeugung, daß man auf Felix' AX2 mit etwas Geduld einen Ton hätte einstellen können, der dem von Martins kleinem Marshall ähnlich genug gewesen wäre. So ähnlich jedenfalls, daß im Publikum kaum jemand den Unterschied gehört hätte, wenn Martin abwechselnd über den einen oder den anderen Amp gespielt hätte.
Durchsetzung hat nämlich auch was mit Können zu tun. Ich meine das jetzt nur im Positiven: Martin klang auch deshalb so geil, weil er so geil gespielt hat, alle haben unbewußt gemerkt, daß da eine Melodie ist, die unbedingt gehört werden will, und haben sich darauf konzentriert, keinen Ton davon zu verpassen. Martin hätte leiser spielen können oder der Amp hätte schlechter klingen können, sein Spiel hätte trotzdem die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, die der "Durchsetzungsfähigkeit" halt auch zuträglich ist.
Alles natürlich wie immer imho und afaik etc. pp.
In diesem Sinne: keep rockin' Friedlieb
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