Moinsen,

einen als Nachtrag hätte ich da...

Gestern abend traten "meine Jungs" auf, Open Air, 25jähriges Fußgängerzonen-Jubiläum (Meppen hat derer eineinhalb, und die Halbe war die Betroffene, sie ist der eigentliche Dreh-und Angelpunkt des Meppener "Nachtlebens", da ist die Hölle los, auch wenn man sich der Optik wegen des öfteren auf dem Kinderstrich wähnt).

Große Bühne, wie auf einem Stadtfest üblich, großer Platz davor, wie wohl mittlerweile auch üblich. Großer Platz. Sechseinhalb Freunde und Verwandte hinten links sitzend, in direkter Reichweite des Tresens, ein bis zwei Zuschauer an zwei Stehtischen. "Eintritt" gratis, also daran soll's nun wirklich nicht gelegen haben. Show astrein, optisch sehr ansprechend, musikalisch zwischen den Südstaaten und Deep Purple, also durchaus allgemein rockend, Feirtag voraus. Woran liegt's?

Gerade als ich den Eindruck von den vorbeiziehenden Kiddies bekam "böäh, wie ätzend, Gitarrenmusik, schnell weg" und den Zuschauermangel darin begründet sah erzählte mir jemand, daß Nachmittags schon zwei Auftritte stattfanden. Einmal Musik für Kinder. 5-6 Zuschauer, Auftritt abgebrochen. Und ein Rapper. 8-10 Zuschauer, Auftritt abgebrochen mit dem Kommentar: "bringt ja eh' nix". Finde ich eine Scheiss-Arbeitsmoral, es hat nicht geregnet, und kühl wurde es auch erst gegen 21.00, dem Auftrittsbeginn o.g. Band. Als sie gegen 1:00 Uhr fertig waren fühlte es sich nach -2°C an, waren aber "nur 10°". Isses das? Kaum, in Euren oben beschrieben Clubs wird's wohl wärmer gewesen sein.

Am Geld liegt's nicht, es ist schlicht und ergreifend gigantisches Desintresse an Musik. Kein Wunder, wenn im Fernsehen gezeigt wird, wie scheisse Musik (aka No Bro'Küblböck) ist und wie bekloppt der Durchschnittsmusiker (aka No Bro'Küblböck) ist, dann kann sich wirklich nur ein extremer Musikliebhaber für Liveauftritte interessieren, und solche Leute wachsen nicht auf Bäumen.

Wenn ich meine Schüler frage "Was hört Ihr denn so für Musik?" dann bekomme ich Zögern und Achselzucken als Antwort. Die Kinners wollen, daß ich ihnen "Gitarrespielen beibringe" - und wissen gar nicht, wozu. Nicht potentiell Elternbestimmte 6-10 Jährige, sondern auch bis hoch zu den 16-19 Jährigen, unabhängig vom Können: "Ich hör' alles mögliche, was halt so im Radio kommt. Radio an und..." - Wow, da haut's mich jedesmal fast um. Wozu dann Gitarre lernen? "Das was im Radio kommt" hat keine Identität und beweist, daß derjenige, der's hört nicht für Musik interessiert sondern sie vermutlich nur konsumiert weil man das eben so macht (bitte nicht hauen, das ist nur meine Meinung und ich will's auch nur auf 95% der Durchschnittsradiohörer beschränken, ohne Ausnahme keine Regel).

Wenn nicht mal die jungen Gitarrenschüler heiss drauf sind, einen Liveauftritt (nicht zu verwechseln mit Playbackauftritt) zu sehen (und nur bei etwa 20-30% ist wirkliches Interesse an Musik, wenn auch teilweise nur in Umrissen, zu erkennen), wer dann?

Ich werd' jedenfalls zu den nächsten Gitarrenstunden 'n Player mitnehmen und denen gnadenlos meinen Musikgeschmack aufzwingen. Motto: Besser einen schlechten Geschmack, als gar keinen ;-))

Grüße
Felix

PS: Oder isses nur die allgemeine deutsche Depression, weil's uns allen soooo dreckig geht, und die Wirtschaft und die Aktien und Talsohle und so?

Hi,
zu deinem Posting hätte ich einige Gedanken:

gigantisches Desintresse an Musik

Ja, an handgemachter - da sind die Tanzkapellen mit Bontempi- Vollversorgung auch nicht ganz schuldlos dran.

Kein Wunder, wenn im Fernsehen gezeigt wird, wie scheisse Musik (aka No Bro'Küblböck) ist und wie bekloppt der Durchschnittsmusiker (aka No Bro'Küblböck) ist

Diese Liste wäre erweiterbar. Letztlich ließen sich deutliche Zusammenhänge mit der Dauerrotation von "aktuellen Hits" herstellen. Es sind Produkte gefragt, keine Musiker, und höchstens ein optischer Makel ist tolerabel (zB Froschmaul). Fehlende Stimme kann man im Mix fixen...

Wenn ich meine Schüler frage "Was hört Ihr denn so für Musik?" dann bekomme ich Zögern und Achselzucken als Antwort.

Ich kenne von meinen Schülern beides: Viele junge Schüler(ab 7. Klasse) stehen zB auf Nirvana. Deutlich gitarrig, wie ich finde. Viele der älteren (Oberstufe) aber bedienen sich der mp-downloads von Plastikmusik nach dem ex-und-hopp-Prinzip. Hm, wächst da vielleicht eine neue Generation von Konzertgängern heran?

Wenn nicht mal die jungen Gitarrenschüler heiss drauf sind, einen Liveauftritt (nicht zu verwechseln mit Playbackauftritt) zu sehen (und nur bei etwa 20-30% ist wirkliches Interesse an Musik, wenn auch teilweise nur in Umrissen, zu erkennen), wer dann?

Dass Musikunterricht in Deutschlands Schulen gemeinhin doch recht stiefmütterlich behandelt wird, hat natürlich auch so seine Folgen...

Oder isses nur die allgemeine deutsche Depression, weil's uns allen soooo dreckig geht, und die Wirtschaft und die Aktien und Talsohle und so?

Das bestimmt auch. Die Euros sitzen nicht so locker wie die Märker.
Was ich aber auch denke: Gewissen Musikrichtungen finden ihre Kernhörerschaft in bestimmten Altersgruppen. Und von denen sind einige auch verheirateter und kinderreicher und damit weniger singelig und umtriebig als noch vor fünf oder zehn Jahren. Ich denke, das spielt auch eine Rolle. Oder?

cu, ferdi

Dass Musikunterricht in Deutschlands Schulen gemeinhin doch recht stiefmütterlich behandelt wird, hat natürlich auch so seine Folgen...
Verdammte Hacke, ich war schon damals der einzige A...., der sich für Musik in der Schule (Oberstufe) interessiert hat... das war 1995-1997, und da mußte ich Kunst statt Musik wählen, weil nur 5 Nasen Musik gewählt haben. Tja, da kam dann eben kein Kurs zu Stande :-(. Ich war auch der einzige neben 4 Klavier-ausgebildeten Cracks oder Hobby-Pianisten, der Noten lesen konnte, dem Rest der Stufe (knapp 80 Mann) war das togal unwichtig, und da gab es noch nicht mal Internetz oder gar CD-Brenner zum bezahlbaren Kurs. Nicht daß Notenlesen wichtig wäre, aber die "was so im Radio läuft"-Mentalität war schon damals da.

Ja, OK, Notenlesen ist jetzt nicht DAS Kriterium, aber alle Mitschüler fanden den Musikunterricht voll Kacke, und ich kann das gut nachvollziehen! Für jede "richtige Antwort" gab es ein Plus auf der Liste, und wer mehr davon hatte, hat dann die bessere Note bekommen. Und es wurde sooo laaaaangweilig aufgezogen. Gut daß der Unterricht Montags in der ersten war. Da konnte ich meinen damals noch ständig vorhandenen Wochenendkater auspennen, mich ab und zu melden, meine "eins" einsacken und gemütlich pennen, bis Mathe drankam.... schon seltsam. Und das, obwohl unser Lehrer ein ziemlich guter Jazzer, Konzertpianist und Beatles-Nacharrangierer war (konnte stante pede transponieren, je nach erreichbarer Tonlage bei den im Stimmbruch befindlichen Jungs). Aber pädagogisch.... *gähn

Mittlerweilen interessiert es ja auch kaum noch jemanden, wenn man "inner Band" dabei ist. Früher gab es ja noch die Leute, die freiwillig Boxen geschleppt oder Bier gekauft haben, nur um "dabei zu sein" ;-)

Woran liegts? Ich weiß es nicht.

Gruß
burke

:HI,

aber alle Mitschüler fanden den Musikunterricht voll Kacke, und ich kann das gut nachvollziehen! Für jede "richtige Antwort" gab es ein Plus auf der Liste, und wer mehr davon hatte, hat dann die bessere Note bekommen. Und es wurde sooo laaaaangweilig aufgezogen.

Tja, der Anteil an Langeweilern und Pfeifen unter den Lehrern entspricht etwa dem Bevölkerungsdurchschnitt. Ich habe auch Kollegen, denen ich gerne dreinreden möchte, die mir wohl auch - und das ist auch gut so, denn der Herr liebt die wunderbare Vielfalt :o)

Mittlerweilen interessiert es ja auch kaum noch jemanden, wenn man "inner Band" dabei ist. Früher gab es ja noch die Leute, die freiwillig Boxen geschleppt oder Bier gekauft haben, nur um "dabei zu sein"

Hm, von meiner Ex-Band kenne ich das auch noch so, dass öfters ganze Trüppchen zu den Proben vorbeigekommen sind. Stammgäste gab es auch... besonders effektiv waren diese Proben dann nie, aber Spaß gemacht hat's. Prost.

Woran liegts? Ich weiß es nicht.

o tempora, o mores.

cu, ferdi

: Dass Musikunterricht in Deutschlands Schulen gemeinhin doch recht stiefmütterlich behandelt wird, hat natürlich auch so seine Folgen...


...boah, geh mich doch weg mit Musikunterricht.
Ich habe 1998 auf drei kooperierenden Schulen mit insgesamt ca 350 Schülern keine Neun Nasen für einen Musik-LK zusammengebracht.
Mit neun Schülern wäre der zustande gekommen.

Allerdings ist auch der heutige Musikunterricht an Sich doch das Allerletzte.
Ich habe mich letztens mit einer angehenden Musiklehrerin (SekII) unterhalten.
Die Äußerte doch wörtlich (!) jenen, wie ich finde epochalen Satz:


[Zitat Anfang]


Rockkonzerte?


Da habe ich mal Literatur zu gelesen.


[Zitat Ende]

Und so was lässt man heute auf die Blagens los!
Klar, nicht verallgemeinern, nicht über einen Kamm scheren, blah,
aber an dem Abend war ich fertig.
Gruß
Woody

Hi,

nur eine Anmerkung meinerseits:

Allerdings ist auch der heutige Musikunterricht an Sich doch das Allerletzte.
Rockkonzerte? Da habe ich mal Literatur zu gelesen.

Genau DAS meine ich.

Dass ich das Zustandekommen eines Musik-LKs bereits mit nur 9 Schülern kritisch sehe, steht auf einem anderen Blatt und möge mir deshalb verziehen werden, weil wegen der enorm knappen Stellenversorgung der Schulen (Motto: so billig wie möglich) die kleinen Kurse für riesige Kurse in den Kernfächern sorgen - was eine überaus hässliche Erscheinung ist.

GRundsätzlich bin ich dafür, dass alle Kurse auch mit 8 Teilnehmern zu Stande kommen sollten, aber keinesfalls über 15 bis maximal 20 Teilnehmer haben dürften- Leider ist das wegen der betriebswirtschaftlichen Gesichtsounkte, unter denen Schule seitens der Bundes-, Landes- und Bezirlsregierungen "gemacht" wird, absolut undurchführbar.

Armes Deutschland.

cu, ferdi