Re: (Gitarrenbuch) Kennt einer ne gute Jazz-Schule???


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Beitrag von Kurt vom April 21. 2004 um 16:25:09:

Als Antwort zu: Re: (Gitarrenbuch) Kennt einer ne gute Jazz-Schule??? geschrieben von manuel am April 21. 2004 um 15:59:57:

Hallo manuel,

du suchst nach einem Beitrag über Akkordaufbau?
Einer, den Matthias in seinen Links nicht aufführte, stammte von mir (der Thread hieß glaube ich "Schafscheiße"). Ich will mit mit dem Beitrag nicht brüsten, aber vielleicht nützt er Dir ja was.

Hier ist er nochmal:




Hallo zusammen,

ich gebe zu, meine Ausführungen gestern waren schon ziemlich theoretisch, weil allgemein (z.B. Dur-Akkord: ersma nur große Terz, Quinte kann auch augmented sein) und für die Praxis nicht so geeignet. Das haben meine Nachredner auch schon klargestellt:

: Klar, ein Dur-Akkord kann eine alterierte Quinte haben.
: Aber natürlich steht das dann auch beim Akkordsymbol dabei; wo also nur "C" steht, wird CEG gespielt.
: Im Lehrbuch steht, dass Dur durch ne grosse Terz definiert wird - Klaus wird aber auf die Aufforderung, nen G-Dur zu spielen, kaum nachfragen, ob denn D als Quinte angenehm sei.


Ich versuche mal, in möglichst knappen Worten (das ist schon eins meiner Hauptprobleme) das Prinzip des Akkordaufbaus und die Notationsregeln für die Symbolschrift darzulegen.

Oli sagt:
: Ein Großteil der Akkorde besteht ja aus einen Dur oder Molldreiklang mit Optionstönen - diese Töne bzw. Intervalle zu lernen, da führt wohl kein Weg dran vorbei.

: Für Akkorde, die nicht in dieses Schema passen, scheint es mir am effektivsten, nach und nach jeden Akkordtyp, dem man begegnet, kurz zu analysieren. Und dadurch verstehen, das im sus2 Akkord ne Sekunde statt einer Terz ist, welcher Ton im °7-Akkord die Septim ist usw.

: Allgemeine Regeln/Rezepte gibt's für nicht dem Schema "dur/moll plus Optionen" wohl keine.


Den ersten beiden Absätzen kann ich zustimmen, dem letzten nicht so ganz, da es durch aus Regeln/Konventionen für die Deutung des Akkordsymbols in Töne/Intervalle gibt. Leider sind diese Konventionen nicht überall (USA, Europa, oder auch schon zwischen verschiedenen Schulen/Autoren) einheitlich!

Also von der Pike auf:
Ein Akkord besteht aus geschichteten Terzen, ein Dreiklangakkord daher aus: Grundton (root), Terz und Quinte.
Das Tongeschlecht des Akkords wird durch die Terz bestimmt: Dur-Akkorde (engl. major chords) haben eine große Terz (4 Halbtonschritte über root), Moll-Akkorde (minor chords) eine kleine Terz (3 HT-schritte über root).

In Symbolschrift wird der Dur-Dreiklang durch einen einfachen Großbuchstaben (z.B. C) abgekürzt. Offensichtlich gibt es auch die Schreibweise Cmaj dafür. Moll-Akkorde schreibt man Cm oder Cmin oder C- (das Minuszeichnen steht für minor).
C sind die Töne c/e/g, Cm sind die Töne c/es/g.

Neben der Terz kann auch die Quinte variiert werden (kommt im Folk/Rock zunächst seltener vor, im Jazz häufiger v.a. bei Cm7b5, aber da ist auch noch die Septime dabei, bleiben wir erst mal bei Dreiklängen).
Die erhöhte Quinte schreibt man C+ oder Caug oder Caugm5 oder C+5 oder C(#5), die verminderte C(-5) oder C(b5).
Caugm5 z.B. sind die Töne c/e/gis

Man sieht, alles, was vom normalen Dur-Dreiklang abweicht, wird extra im Symbol vermerkt.
Auch alle weiteren, zusätzlichen Töne werden im Symbol vermerkt.

Wichtigster zusätzlicher Akkordton: die Septime. Mit ihr zusammen ergibt das einen klassischen Vierklang, die Grundlage für die Jazzakkorde.
Die Septime gibt es in großer (1 Halbtonschritt unter geschrieben (nie als #7), die kleine als 7.

Dur-Akkorde mit Septime: es gibt zwei ganz wichtige: Cmaj7 (c/e/g/h, DER klassische Jazz-Dur-Akkord. Blöderweise wird "maj" ohne Zahl dazu für die Terz, mit 7 dazu für die große Sept. verwendet).
Der zweite ist C7, der Dominant-Sept-Akkord (c/e/g/b. Mit b meine ich b-flat, also ein h mit b-Vorzeichen).

Weitere Akkordtöne: die 6. Sie bezeichnet die große Sexte (7 Halbtonschritte über root) und ersetzt im Akkord die 7. Also: in C6 (c/e/g/a) wird keine 7 gespielt!
Dann noch die Angabe "sus": sie bedeutet "suspended" (aufgehängt), der Akkord pendelt also zwischen Dur und Moll, weil er KEINE TERZ beinhaltet. Die Zahl nach "sus" gibt an, durch welchen Ton die Terz zu ersetzen ist. Meist ist das "sus4", manchmal "sus2". Wenn nix dasteht, würde ich die 4 nehmen, die ist meistens auch leichter zu greifen.
Csus4 sind die Töne: c/f/g, c7sus4 sind c/f/g/b.

Dann kommen wir zu den Erweiterungstönen, die jenseits der 8 liegen. Ein Vorredner meinte, von der Zahl kann auch 7 abgezogen werden und die Töne wären gleichwertig. Das stimmt nicht ganz!
Sind die Erweiterungen jenseits der 8, also die 9, 11, 13, so sind diese Töne möglichst auch auf den oberen (eigentlich: der obersten) Saite des Akkords zu greifen, denn sie bilden nach Möglichkeit den Melodieton.
Das ist für uns Gitarristen nicht immer ganz einfach oder möglich, aber die Akkordsymbole wurden ja auch (oder sogar in erster Linie!) für Pianisten erschaffen, und die haben ja alle Töne nebeneinander aufgereiht und können quasi alles greifen. Als Gitarrist behilft man sich dann, indem man unwichtige, langweiligere Töne aus dem Akkord wegläßt, in der Präferenz: Quinte (die interessiert eh keinen, außer sie ist erhöht oder vermindert), Den Grundton (ist er langweiligste von allen, drum spielt ihn auch der Bassist ;-) ) und wenns sein muß, die Septime. Nicht weglassen sollte/darf man: Terz und die speziellen Erweiterungstöne.

Bei diesen Erweiterungstönen 9,11,13 gilt auch, daß die Septime stets dazugespielt wird:
C9 = C7/9 (c/e/g/b/d, Griffbild z.B. X3233X mit weggelassener Quinte)
C11 = C7/11 (c/e/g/b/f, Griffbild 8X896X auch hier wurde Quinte durch die 11 ersetzt)
C13 = C7/13 (c/e/g/b/a, griffbild 8X8910X mit 13 statt Quinte)
Bei den Griffen im 8. Bund ist das c auf der hohen e-Saite NICHT zu greifen/spielen, denn als höchster Ton soll die 11 bzw. die 13 gespielt werden!

bzw. für die maj7-Akkorde:
Cmaj9 = Cmaj7/9 (c/e/g/h/d)
Cmaj11 = Cmaj7/11 (c/e/g/h/f)
Cmaj13 = Cmaj7/13 (c/e/g/h/a)

und für Moll Akkorde:
Cm9 = Cm7/9 (c/es/g/b/d)
Cm11 = Cm7/11 (c/es/g/b/f)
Cm13 = Cm7/13 (c/es/g/b/a)

Soll die Septime einmal nicht gespielt werden, so benutzt man den Zusatz "add", um den Erweiterungston als rein additiv zu kennzeichnen:
Cadd9 = c/e/g/d
Cadd13 = c/e/g/a = C6
Cadd11 = c/e/g/f aber nicht (c/e/f/g)! f ist Melodieton.

Der Entfall der Septime kann auch implizit durch die 6 angegeben werden:
C6/9 = c/e/g/a/d, Griffbild: X32233, ein fantastisch klingendes Voicing!!
Übrigens kann G6/9 fast genauso gegriffen werden: 3X2233.

Die erweiterungtöne werden nach Bedarf natürlich auch noch erhöht oder vermindert, dann wird die Septime wieder mit angegeben. Hier begenet einem fast ausschließlich die kleine Septime, dann deutendDiese Veränderungen auf die Verwendung der alterierten Skala beim Solo hin (7b9, 7#9, 7b13) bzw. auf die mixo-#11-Skala (7#11) bzw. die lydische (maj7#11):
C7b9 = c/e/g/b/des, X3232X
C7#9 = c/e/g/b/dis, X3234X
C7b13 = c/e/g/b/as, 8X899X
Cmaj7#11 = c/e/g/h/f, 8X897X

Dann gibt es noch spezielle Schreibweisen/Abkürzungen für verminderte und verminderte Akkorde:
halbvermindert: m7b5 (Terz und Quinte sind vermindert). Schreibweise: C-"Durchmesser", also C mit einer durchgestrichenen Null, oder eben "m7b5"
Cm7b5 = c/es/ges/b
vermindert: sozusagen "mb7b5" (Terz und Quinte und Septime sind vermindert). Schreibweise: Cdim (diminished) oder C-Null (die Null ist dann nicht durchgestrichen).
Cdim = c/es/ges/a (das a ist aber keine 6 sondern eine verminderte 7, eine weitere 7 ist dann "verboten", formal-theoretisch könnte aber noch eine kleine 6 ergänzt werden. macht aber keiner).
Der letzte akkord "dim" besteht aus lauter kleinen Terzintervallen, daher kann er um 3/6/9 Bünden nach oben/unten auf dem Griffbrett verschoben werden und klingt genauso. Alter Gitarristentrick.

So, das wärs zum Thema "Akkordzusammensetzung" (Wie sie gegriffen werden, in welchen Umkehrungen, mit welchen voicings auf welchen Saitengruppen, das füllt ganze Bücher).

Die Theorieseite auf "justchords" erklärt das genauso, imho etwas komplizierter, da sofort auf die Akkord-Umkehrungen auf auf alle nur denkbaren große/kleine-Terz-Schicht-Kombinationen eingegangen wird. Ich habe das im Sinne der Praxis weggelassen.
Ein gutes Theoriebuch zum Thema Akkorde ist:
Peter O'Mara, A Chordal Concept for Jazz Guitar, Advance Music Verlag (www.peteromara.com, www.advancemusic.com). Ist aber auch nichts für Anfänger.

Bei Fragen: schießt ruhig los!

Gruß
Kurt




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