Re: (Gitarrenbuch) Kennt einer ne gute Jazz-Schule???


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Beitrag von Kurt vom April 27. 2004 um 17:24:14:

Als Antwort zu: Re: (Gitarrenbuch) Kennt einer ne gute Jazz-Schule??? geschrieben von Ulrich Peperle am April 26. 2004 um 23:15:46:

Hallo Ulrich,

ich habe Deinen Artikel mit Interesse gelesen.

Ja, das habe ich gemerkt. Und daß Du ziemlich gutes Wissen über - salopp gesagt - Musiktheorie und Notationsweisen hast, ist unschwer zu erkennen. Und ich fühle mich daher auch sehr geehrt, im Ernst, obwohl Du mein Posting ganz schön zerfiselt hast. Es ist mir klar, daß ein lehrerhafter um nicht zu sagen klugscheißerischer Beitrag wie meiner Widerspruchsgeister ruft. Aber das ist ok, ich kann Kritik vertragen.


Allerdings scheinen mir einige Statements - vorsichtig formuliert - zumindest diskussionswürdig zu sein, insbesonders unter dem Aspekt, daß Dein Beitrag ja anderen Kollegen als Hilfestellung dienen soll

Ja, HILFESTELLUNG war meine Intention. Drum sei mir die Kritik an Deiner Antwort schon hier erlaubt, daß Deine Anmerkungen zwar sehr akkurat und sicher auch 100%ig richtig und wasserdicht sind, jedoch - und vielleicht gerade deswegen - nicht unbedingt so HILFREICH.




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: [ZITAT:] Ein Akkord besteht aus geschichteten Terzen, ein Dreiklangakkord daher aus: Grundton (root), Terz und Quinte. [ZITAT ENDE]
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: "Akkord" ist innerhalb des abendländischen Begriffsfeldes "Harmonik" die Bezeichnung für einen vertikal konzipierten Klang, wobei es unerheblich ist, welche Intervallstruktur dieser Klang hat. Auch ein Klang z.B. mit Quartschichtung ist per Definition ein "Akkord", ebenso wie ein "Cluster" aus allen 12 Tönen des chromatischen Totals.


Vielleicht wird an an diesem Beispiel schon klar, was ich meine: Deine Definition von Akkord sucht quasi den archimedischen Punkt im abendländischen Begriffsfeld Harmonik und ist so rein und unantastbar wie möglich. Mein Posting war aber für Aussensaiter gedacht, die v.a. von der musiktheoretisch schwächer besetzten Rockmusik kommen und nach einer begreif(!)baren Definition von "Akkord" fragten. Mit einem (be)greifbaren Akkord im Sinne der Gitarreros meinte ich einen Akkord/Griff wie er auf der Gitarre i.d.R. gespielt wird und den in der dortigen Literatur (Real Book) den Namenskonventionen und dem harmonsichen Grundaufbau (geschichtete Terzen) entspricht. Und so ist es auch verstanden worden, wie ich an den Reaktionen erkannte.

Ob der Begriff "Dreiklangakkord" ein Pleonasmus ist, ist in diesem Zusammenhang - bitte Entschuldige - Haarspalterei.

Daß ein Dreiklang aus Terzen besteht, mußte ich axiomatisch formulieren. Im heutigen Harmonieverständnis wie auch im Jazz ist das auch so anerkannt. Und falls ich in meinem Posting diese Aussage durch alternative Strukturen aus Haydn`s Kompositionen relativiert hätte, so hätte ich die Kollegen bloß verwirrt. Und ich glaube, sie wollen auch gar keinen Haydn spielen. Und Haydn wollte auch keinen Jazz komponieren.
(Zugegebenermaßen kannte ich die Haydn'schen nicht-terzgeschichteten Dreiklänge auch gar nicht :-)



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: [ZITAT:] Das Tongeschlecht des Akkords ... [ZITAT ENDE]
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: Die Bezeichnung "Tongeschlecht" bezieht sich auf die Intervallstruktur von horizontal konzipierten Materialskalen, die man in der neueren abendländischen Musiktheorie mit Begriffen wie Dur, Moll oder "Kirchenmodal" (als Sammelbegriff für die Tongeschlechter Dorisch, Phrygisch usw.) zu definieren versucht.
: Bei Akkorden unterscheidet man hingegen nach "Akkordgeschlecht", wobei der Dreiklang als Bezugsgröße dient.
: Akkordgeschlechter sind der Dur- und Moll-Dreiklang, sowie der verminderte, übermäßige und hartverminderte Dreiklang; d.h. neben der Terz ist auch die Quinte als bestimmender Faktor wirksam.


Mit dem Begriff "Tongeschlecht" wollte ich einen OBerbegriff für die Unterscheidung Dur/Moll ins spiel bringen - und hatte schon Bauchschmerzen dabei, vielleicht zu klugscheißerisch zu wirken. Der Begriff Moll wird dabei in der Jazz-Harmonielehre zur Festlegung der Terz (klein) verwendet, auch in Verbindung mit den Mode-Bezeichnungen: dorisch-moll, äolisch-moll, harmonisch-moll etc.

Den Begriff des Tongeschlechts auch auf die Verminderung/Überhöhung weiterer Töne auszudehnen, ist sicher korrekt, aber im Sinne der Verständlichkeit für die Zielgruppe meines Postings wiederum nicht hilfreich.





: Der als "Septimakkord" definierte Vierklang kann nicht "Grundlage für Jazzakkorde" sein, weil es keine spezifischen "Jazzakkorde" gibt, sondern nur Akkordstrukturen, die von Jazzmusikern mehr oder weniger bevorzugt verwendet wurden oder werden. Im Akkordmaterial geht der Jazz kaum über das europäische Akkordrepertoire der Romantik hinaus.


Seit der Romantik harmonisch nichts Neues? Ich wußte es: schon Franz Schubert hatte (und spielte!?) den Blues ;-)

Wie wär's mit folgender Definition für diesen ungeschützten Begriff: "Jazzakkorde" sind die von Jazzmusikern mehr oder weniger bevorzugten Akkordstrukturen?
Aber was ist ein Jazzmusiker? Was kennzeichnet ihn?
Was ist überhaupt Jazz? Kennst Du eine umfassende Definition? Miles Davis kannte keine. Er lehnte vielmehr ab, Jazz zu definieren: "Jazz ist ein Wort des weißen Mannes."



: [ZITAT:] ... C7, der Dominant-Sept-Akkord ...[ZITAT ENDE]
:
: Ob C7 eine Dominant-Funktion einnimmt, ist nicht aus der Akkordstruktur ablesbar, sondern kann nur aus dem konkreten Kontext abgeleitet werden. Folgt auf einen C7 z.B. ein F, kann man von einer Dominantfunktion ausgehen - in einem Blues in C ist der C7 bekanntlich kein Dominant-Sept-Akkord, sondern Tonika mit funktionsloser, rein koloristischer 7.
: Akkordstrukturen sind also etwas anderes, als harmonische Funktionen.



Yep, you are right. Ein "Dominant-Sept-Akkord" im Blues hat nicht die harmonische Funktion einer Dominante.
Nur hat sich die Bezeichnung "Dominant-Sept-Akkord" für einen Dur-Dreiklang (Root + gr.Terz + Quinte) mit zusätzlicher kleiner Septime eingebürgert. In diesem Sinne habe ich ihn verwendet, just to keep things simple ...



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: [ZITAT:]...die 6. Sie bezeichnet die große Sexte (7 Halbtonschritte über root) und ersetzt im Akkord die 7. ...[ZITAT ENDE]
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: Die Sexte ist keine 7-Substitution, sondern "charakteristische Dissonanz" in einem eigenständigen Vierklang. Diese "sixte ajoutée" müßte eigentlich als "add6" beziffert werden, da z.B. C6 falsche Assoziationen weckt, zumindest bei Musikern, die Generalbaß kennen: hier steht die 6 für "Sexte statt Quinte". Ein weiterer Fall der bedauerlichen Kompatibilitätsprobleme der Jazz-Sigel zu historisch etablierterenn Bezifferungsmethoden.


Tja, hier gings leider nicht um Generalbaß oder historisch etablierte Bezifferungen sondern um die in der kontemporären Literatur (sprich JAZZ) verwendeten Akkordsymbole und da bedeutet C6 eben c,e,g,a also eine Substitution der ansonsten meist gespielten 7 durch die 6. Es gibt auch Akkorde im Jazz, wo beides gespielt wird, die lauten dann C13 (mit der 6 als höchsten Ton im Akkord und die 7 ist per Konvention in diesem Symbol mit eingeschlossen).
Es gibt auch innerhalb der zeitgenössischen Verwendung der Akkordsymbole genügend Bespiele von Uneinheitlichkeit (v.a. zw. nordamerikanischen und deutschen Schreibweisen) und Verwirrung, da dachte ich, wir übersehen die Unterschiede zur Generalbaß-Schreibweise geflissentlich ...



: "7 Halbtonschritte über root" liegt die reine Quinte!
: Bei der Berechnung von HT-Schritten rechnet man die root als "1". Die gr. 6 liegt also 9 HT über root


Au weia, da hab ich mich total verhauen und verzählt. Du hast recht.





: Die Antwort auf die Frage, ob ein Ton "unwichtig" oder gar "langweilig" wirkt, sollte man besser der Musikpsychologie überlassen ;) ...
: Ob Töne weggelassen werden (oder verdoppelt - auch das ist möglich), richtet sich auch bei Pianisten zunächst nach musikalischen Prinzipien des Voicings und der Stimmführung. Der grifftechnische Aspekt ist allerdings bei der Gitarre etwas dominanter...


NEIN! Was langweilig ist, entscheidet nicht ein Musikpsychofritz, sondern a) der Musiker indem er entscheidet welche Töne ihm wichtig sind und er spielen will (oder kann) und b) der Zuhörer.
Da es hier um Akkorde/Griffe auf der Gitarre ging, habe ich, wie Du auch erwähnst, die grifftechnischen Aspekte des Weglassens denen der Stimmführung mindestens gleichgestellt.



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: [ZITAT:]Nicht weglassen sollte/darf man: Terz ...[ZITAT ENDE]
: [ZITAT:]C11 = C7/11 (c/e/g/b/f, Griffbild 8X896X auch hier wurde Quinte durch die 11 ersetzt)...[ZITAT ENDE]
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: C11 = C7/9/11 bzw. C13 = C7/9/11/13!
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: Akkordvoicings mit der 11 verzichten i.d.R. auf die Terz, um das sehr dissonante Intervall der kleinen None zu vermeiden.
: Das Beispielvoicing 8-x-8-9-6-x klingt durch die kleine Sekunde schlichtweg grausam, kann aber durch Weglassen der 3 erheblich gemildert werden: 8-x-8-7-6-x (1-7-9-11))


Nein, ich bleibe dabei: die Terz ist der wichtigste Ton im (Gitarristen-)Akkord und darf prinzipiell nicht weggelassen werden. Auch C11 wird mit Terz gespielt; die Reibung zwischen der 3 und der 4 ist ja gerade das interessant klingende. Im moderneren Jazz werden gerade auch auf der Gitarre (schwierig zu greifende) Sekundenintervalle gesucht!
Es gibt z.B. auch etliche modale Groove-Stücke, die die längste Zeit auf einem X7#9 beruhen (root+gr.Terz+Quinte+Septime+übermäßige None), d.h. mit der Reibung der kleinen Sekunde zwischen Terz und #9. Klingt schön sperrig schräg, einfach geil.
Am ehesten kann die QUinte weggelassen werden (außer natürlich sie ist vermindert oder überhöht), dann der Grundton (den spielt eh der Baß).

Und bei C13 wird die 11 NICHT mitgespielt. Alle Zahlenangaben jenseits der 8 (9,11,13) sind sog. Farben, die nur einzeln im Akkord gespielt werden, außer es stehen mehrere da (z.B. C9/13)


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: [ZITAT:]... (7b9, 7#9, 7b13)...[ZITAT ENDE]
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: Bei aller Uneinheitlichkeit in der Praxis: Alterationszeichen gehören HINTER die jeweilige Intervallziffer (C9b usw.), genau wie bei den Root-Buchstaben (man schreibt ja schließlich C#, nicht #C)!
: Die Bezifferung X79 ist redundant, da bei 9-13 immer auch die dazwischenliegenden Terzen impliziert sind. )


Ja, das Alterationszeichen hinter der Ziffer könnte viel Verwirrung vermeiden, aber die Praxis ist leider zu 95 % anders und die Gitarristi hier müssen auch damit zurechtkommen.



: Also: Hut ab vor der gemachten Mühe, aber gerade bei Beiträgen, in denen man anderen Leuten Wissen vermitteln möchte, sollte man sich selbst gegenüber sehr kritisch sein und selbst scheinbar nebensächliche Formulierungen immer noch mal auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen.)...


Danke, danke, aber ich wollte ja auch kein Lehrbuch für die Musikhochschule schreiben, sondern nur eine straffe Darstellung aus der Praxis für die Praxis, nix für ungut, bugs included.

Was hast Du eigentlich für eine musikalische Ausbildung? Und was für Musik spielst Du so? Spielst Du auch/viel Jazz? Und gibst Du auch Unterricht?


Keep the groove
Kurt



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