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(Aussensaiter) Ein Lebenszeichen und was ich musikalisch grade mache

Hallo,

nachdem ich in den letzten Jahren mehr stiller Mitleser gewesen bin, wollte ich mal wieder etwas ausführlicher von mir hören bzw. lesen) lassen. Zumal sich bei mir musikalisch ziemlich viel getan und verändert hat in den letzten Jahren und ich euch auch gerne vorstellen möchte, was sich daraus inzwischen langsam entwickelt.

Angefangen haben die Veränderungen letztlich damit, dass sich vor knapp fünf Jahren meine leipziger Band (sozusagen die letzte Inkarnation von „malenkij wolk“) aufgelöst hat, nachdem der Leadgitarrist ausgestiegen war. Das Ganze war organisatorisch eh schon schwierig, da ich zu jeder Probe aus Berlin kommen musste, wir dadurch eher unregelmäßig geprobt haben und auch selten auf der Bühne standen. Gemeinsam haben wir dann festgestellt, dass uns drei in der Band verbliebenen die Motivation und die Energie fehlte, entweder zu dritt weiter zumachen, oder (was musikalisch wesentlich sinnvoller gewesen wäre) jemand Neuen für die Leadgitarre zu finden. Wir haben dann dementsprechend die Band aufgelöst.

Ich habe dann überlegt, wie ich es anstellen kann, dass das Musik machen für mich nicht irgendwann ganz einschläft und habe eine schon seit längerem schlummernde Idee in die Tat umgesetzt und mir einen klassischen Gitarrenlehrer gesucht. Zum einen, weil ich mein klassische Gitarrenspiel weiterentwickeln wollte, und zum anderen weil es mich sehr gereizt hat zum ersten Mal überhaupt Gitarrenunterricht zu nehmen. Ein gutes halbes Jahr nach der Auflösung der Band habe ich dann angefangen bei einem jungen berliner Gitarrenlehrer und Lautenisten, mit dem ich inzwischen auch sehr gut befreundet bin, Unterreicht zu nehmen.

Ich habe ja immer schon eine Affinität zu alter Musik. Dadurch, dass mein Lehrer sich in seinem Musikerleben auf alte Musik spezialisiert hat, ist Barock- und Renaissancemusik relativ schnell zu einem Schwerpunkt geworden. Im Frühjahr letzten Jahres habe ich mir dann recht spontan und ohne genau zu wissen was ich eigentlich darauf spielen will eine Tenorukulele angeschafft. Im Zusammenhang damit, bin ich dann über eine Reihe von Bearbeitungen von Barockstücken für Ukulele und damit auf die Verwandtschaft der Ukulele mit Renaissance- und Barockgitarre gestoßen. Das hat mich dann so gepackt, dass ich mir inzwischen vom Instrumentenbauer eine Ukulele habe bauen lassen, und mich intensiv mit dem Spielen von alter Musik auf der Ukulele beschäftige.

Irgendwann kam dann der Wunsch nicht nur für mich im Wohnzimmer Musik zu machen, und da es als klassischen Amateurmusiker so gut wie keine Auftrittsmöglichkeiten als Solist gibt (was ich auch nachvollziehbar finde), habe ich dieses Jahr im Sommer angefangen Stücke auf Video aufzunehmen. Daraus ist inzwischen ein kleiner YouTube-Kanal geworden, auf dem man sich anhören und anschauen kann, was ich musikalisch inzwischen mache. Es würde mich freuen, wenn der eine oder andere Lust hat, mal reinzuhören.

Parallel zur alten Musik beschäftige ich mich auch mit zeitgenössischer klassischer Musik und habe auch angefangen ein bisschen für klassische Gitarre zu komponieren.

Ich wünsche den Umständen trotzend einen frohen Advent und eine gute Weihnachtszeit!

Viele Grüße

Clemens


Re: (Aussensaiter) Ein Lebenszeichen und was ich musikalisch grade mache

Moin Clemens,

wow, was für eine Entwicklung! Vom Liedermacher-Rocker zum klassischen Ukulelisten! (Sagt man das so?).

Krass, ehrlich gesagt wusste ich nicht, dass es sowas überhaupt gibt, ich hatte die Ukulele (für mich) immer in ganz anderen Stilistiken verortet. Ich finde es aber richtig cool, wenn man sich so konsequent an eine Sache drangeben kann! (Wolltest du das Musikmachen nicht mal professionell betreiben? Ich weiss, ist wg. Corona zum Teil ne bescheuerte Frage...)

Axo, deine Vorträge auf youtube fand ich klasse. Die Ukulele im klassischen Gewand - man lernt eben nie aus!

Grüße, Andreas


Re: (Aussensaiter) Ein Lebenszeichen und was ich musikalisch grade mache

Hallo Andreas,

Danke für Deine Rückmeldung. Freut mich, dass Dir meine Videos gefallen.

Tja, meine Versuche, Musik irgendwie professionell zu betreiben, sind inzwischen gut 10 Jahre her und waren im Rückblick zum Teil arg blauäugig. So nach dem Motto, wenn ich nur genug Musik mache, und genug Menschen meine Musik mögen, wird’s schon klappen.

Ich hör natürlich nach wie vor gerne Rockmusik (im Moment mit großer Begeisterung The Who), habe aber tatsächlich kein Bedürfnis meine Songs noch zu spielen (keine Ahnung, ob ich diese Sachen auch mal wieder ausgrabe, aber momentan kann ich mir das nicht recht vorstellen). Meine E-Gitarren schlafen seit der Bandauflösung im Koffer und auch meine Westerngitarre kommt nur ganz selten raus. Meine nächste größere musikalische Investition wird evtl. eine Barockgitarre werden. Das muss allerdings noch warten. Es gibt da leider praktisch keine ordentlichen Mittelklasseinstrumente, nur ein paar Einsteigergitarren, die für ihre Qualität sehr teuer sind. Da bleibt meistens nur der Gang zum Gitarrenbauer, oder ein geduldiges Durchwühlen des Gebrauchtmarktes. Irgendwann wäre auch eine Laute toll, aber da wäre die spieltechnische Umstellung, die ich machen müsste sehr viel größer.

Die Ukulele hat es mir echt sehr angetan, ich spiele aber mindestens genauso viel und gerne klassische Gitarre.

Nun, die Ukulele ist ursprünglich natürlich in ganz anderen musikalischen Kontexten zu Hause. Die Verbindung zur klassischen Musik kommt letztlich über die Renaissancegitarre, die, abgesehen davon dass sie doppelchörig besaitet ist, die gleiche Stimmung wie die Ukulele hat. Hier z. B. ist die Verwandtschaft unüberhörbar. Über ein bis zwei Ecken mehr ist damit auch eine Verwandtschaft zur Barockgitarre da. Die ist zwar klanglich schon anders, hat aber auch eine sogenannte rückläufige Stimmung. Damit kann man Repertoire für die Renaissancegitarre direkt aus der Originaltabulatur spielen und Barockgitarrenmusik lässt sich gut für Ukulele bearbeiten. Dass die Ukulele für klassische Musik entdeckt worden ist, ist auch noch nicht so lange her. Inzwischen gibt es aber eine sehr lebendige Amateurcommunity und auch ein paar Profis, die sich entweder ganz auf Ukulele konzentrieren (z. B. Samantha Muir), oder die Ukulele in ihre musikalischen Tätigkeiten aufgenommen haben (Rob MacKillop oder auch Valerie Savage fallen mir da ein).

Ich würde auch entweder Ukulelist oder ganz gradlinig Ukulelespieler sagen.:-)

Viele Grüße

Clemens


Re: (Aussensaiter) Ein Lebenszeichen und was ich musikalisch grade mache

Hallo Cleemens,

schön mal wieder von Dir zu lesen. Und schön dass Du Dir neue Berieche der Musik erschließt - mir geht es ähnlich, Rock-Pop ist für mich weitgehend abgefrühstückt, während die Klassische Musik seit Monteverdi umso mehr fasziniende Überraschungen bereithält, desto weniger man sie kennt.

Deine Versuche auf dem Video haben mich überzeugt, v.a die beiden Stücke von Leo Brouwer, von dem ich schon lange ein Fan bin. Weniger überzeugt haben mich dagegen Deine Fingerübungen auf der Ukulele - nicht wegen Deiner spielerischen Fähigkeiten, vielmehr ist für mich dies Instrument nichts weiter als eine kastrierte Gitarre, und bei Dir klingt sie auch so. Da Du offensichtlich mit einer Nylonstring umgehen kannst, warum verzichtest Du auf die Ausdrucksmöglichkeiten, die Du mit einem vollwertigen Instrument hast?

ne schöne Jrooß, Mathias


Re: (Aussensaiter) Ein Lebenszeichen und was ich musikalisch grade mache

Hallo Mathias,

danke für Deine Rückmeldung und schön, dass Du reingehört hast. Freut mich, dass Dir meine Interpretationen der Brouwer Etüden gefallen. Ich mag diese Stücke auch sehr.

Ich würde nicht sagen, dass sich Rock und Pop für mich erledigt haben. Ich höre Musik dieser Art nach wie vor sehr gerne und vielleicht möchte ich auch irgendwann mal wieder in einer Band spielen, aber aktuell habe ich das Gefühl, dass klassische Musik die Musik ist, die ich längerfristig aktiv machen will. Ich spiele allerdings auch schon immer klassische Musik sowohl auf der Gitarre als auch früher auf dem Klavier.

Tja, was soll ich zu Deiner Sicht der Ukulele sagen. Ich empfinde es vollkommen anders. Zum einen ist die Ukulele aus meiner Sicht absolut ein vollwertiges Instrument und ich habe nicht das Gefühl, dass ich auf Ausdrucksmöglichkeiten verzichte, sondern dass ich auf der Ukulele andere Ausdruckmöglichkeiten habe. Ich empfinde die Ukulele als deutlich fragiler und persönlicher und gleichzeitig rauher und weniger geschliffen im ihrem Klang, als eine moderne klassische Gitarre. Ich habe sowohl Gaspar Sanz, als auch Robert de Visée auch schon auf der modernen Gitarre gespielt und im Vergleich mit der Ukulele fehlt mir dabei etwas. Die Ukulele ist durch ihre Rückläufige Stimmung eng verwandt mit der Renaissancegitarre und auch etwas weniger eng mit der Barockgitarre, für die diese Stücke ja geschrieben sind. Für mich ist es sehr naheliegend, diese Musik auf der Ukulele zu spielen und ich finde es klingt weder bei mir noch bei anderen die Barock- oder Renaissancemusik auf der Ukulele spielen, wie eine "kastrierte Gitarre". Klanglich hat die Ukulele mit einer modernen Gitarre für mich eher wenig zu tun.

Viele Grüße

Clemens


Re: (Aussensaiter) Ein Lebenszeichen und was ich musikalisch grade mache

Lieber Cleemens,

danke Dir für Deine ausführliche Antwort und auch dafür, dass Du sie nicht persönlich genommen hast. Aber für meine an die klassische Gitarre gewöhnten Ohren klingt es halt, als ob man Chopin auf einer Melodica spielen würde. Oder Bachs Orgelwerke auf einem Akkordion - die Beispiele ließen sich beliebig vermehren.

nichts für ungut un ne schöne Jrooß, Mathias


Re: (Aussensaiter) Ein Lebenszeichen und was ich musikalisch grade mache

Hallo Mathias,

nun, das ist natürlich eine legitime Sichtweise.

Die von mir auf der Ukulele gespielten Stücke sind jedoch nicht für moderne sechssaitige klassische Gitarre geschrieben, sondern für fünfchörige Barockgitarre, die ein völlig anderes Klangbild hat, das eher dem einer Renaissancelaute, als dem einer modernen klassischen Gitarre ähnelt. Hör Dir wenn Du magst mal an, wie diese Musik auf dem Instrument klingt, für das sie geschrieben wurde, vielleicht verstehst Du dann warum ich sie auf der Ukulele spiele. Hier die Suite von de Visée aus der ich die Sarabande spiele. Und Hier die Zarabanda Francesca I von Gaspar Sanz. Ob Dir das gefällt ist natürlich eine ganz andere Sache, aber vielleicht kannst Du ja die klangliche Verbindung zur Ukulele nachvollziehen.

Abgesehen davon ist Chopin auf der Melodika vermutlich tatsächlich eher schwierig, Bachs Orgelwerke aber funtionieren hervorragend auf dem Akkordion.

Viele Grüße

Clemens