Aussensaiter Forum

Diskussionen mit neuen Beiträgen

Hier darf jeder frei heraus seine Meinung sagen, solange niemand beleidigt wird. Auf Postings von Vollidioten sinnvollerweise gar nicht erst antworten.
Extrem unerwünscht sind reine Werbe-Beiträge. Danke.

(-) Header verbergen



Übersicht

(Erklär mir die Welt) Bundbreite


Liebe Aussensaiter,

gestern ist mir etwas peinliches passiert. Meine Frau hat mich darauf hingewiesen, dass bei allen meinen Gitarren die Bünde immer schmäler werden, je näher sie sich am Korpus bzw. Steg befinden. Prima. Und dann hat sie gefragt, warum das so ist.

Ich weiß nicht, wie euch das geht, aber ich stehe ungerne als kompletter Idiot da. Gestern ist es aber so gekommen. Ich habe eine Erklärung begonnen, die ging ungefähr so: "Na ja, der 12. Bund ist eben genau in der Mitte, und da man ja den Finger links davon aufsetzen muss, muss da ein bisschen mehr Platz sein, und dieser Platz wird eben immer weniger, je höher die Töne sind, und deswegen ....." Ungefähr da hat sie mich angeschaut, als wäre ich ein kompletter Idiot.

Weiß einer weiter? Warum werden die Bünde immer schmaler? Ich wäre echt dankbar.


Grüße,

Michael

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hi,

also: das A am 12 Bund hat ja eine doppelt so hohe Frequenz wie das offene, klingt also doppelt so hoch. Dazu muss das schwingende Stück Saite halb so lang sein. Also muss der 12. Bund - wir habe ja 12 Halbtöne - auf der Hälfte der Mensur liegen.

Nun soll aber das A am 24. Bund (wenngleich womöglich nur virtuell vorhanden) nochmals doppelt so hoch klingen. Also muss das schwingende Stück Saite nochmals genau halb so lang sein. Jeder mit einem Zollstock kann also die Positionen für den 12. und 24. Bund ausmessen.

So. und nun machen wir das Gleiche für das Bb am 1. Bund der A-Saite und für das Bb am 13. Bund. Und so weiter.

Wenn du deiner Frau jetzt noch mit der Tonhöhe verfälschenden Biegesteifigkeit der Saiten kommst und auf die ausgleicheneden Einstellmöglichkeiten am Steg eingehst, solltest du den Eindruck des Idioten vermieden haben. Reicht das immer noch nicht und es kommen noch mehr Fragen, gehe ausführlich auf Buzz Feiten Sättel ein.


cu, ferdi

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hallo zusammen,

: […] Buzz Feiten […]
:
: Einen kurzen Einblick in dieses Thema würde ich sehr zu schätzen wissen :-)


Wer hat gerufen?
OK, Buzz Feiten.
Wie ferdi oben schon schrob ist eine saubere Stimmung auf einer Gitarre ein weites Feld.
Gitarren sind erstmal nur temperiert zu stimmen, und dann macht die Physik der schönen Theorie der alten Griechen einen weiteren fetten Strich durch die Rechnung.

Der einfache Ansatz ist ja, daß die Schwingungen von unterschiedlichen Tönen sich unterscheiden und das die Schwingungen von Intervallen in einem recht einfachen Verhältnis stehen. Die Oktave z.B. ist das Verhältnis 1:2, also der Oktavton schwing doppelt so schnell, wie der Grundton. Für die Quinte ist das Verhältnis 2:3.
Jetzt fangen aber die Probleme an.
Geht man nämlich hin und stapelt Quinten übereinander, so kommt man irgendwann fast beim Ausgangston wieder an, ein paar Oktaven höher natürlich.
Aber eben nur fast. Stimmt man also eine Gitarre oder ein Klavier in reinen Quinten, so sind viele Tonarten, die mit mehreren Vorzeichen völlig unbenutzbar, weil sie scheiße klingen.

Also hat sich im Barock (also so um 1600) irgendjemand gedacht, verstimmen wir also ein Klavier ein bißchen.
Dann stimmt nichts mehr so richtig, aber wir haben einen guten Kompromiss.
Das war die revolutionäre "temperierte Stimmung", der Bach z.B. ein ganzes Klavierwerk gewidmet hat.

In der Praxis ist das ganze allerdings noch etwas wilder.
Duch die Physikalischen Gegebenheiten der Saiten ist eine saubere Temperirte Stimmung auch leider nicht umsetzbar.
Ferdi erwähnte Biegesteifigkeit, die Masse ist auch ein Thema.
Kurzum, der Kompromiss der Temperierten Stimmung muß in der Praxis noch weiter verwaschen werden.
Es sind z.B. für Klaviere afaik um die 180-190 verschiedene Temperierte Stimmungen gebräuchlich.

Das Buzz Feiten-System versucht nun, über eine Änderung des Sattels (vgl. Earvana) die Saitenphysik etwas besser in den Griff zu bekommen, und dann über eine gezielte Verstimmung der Oktave einen besseren Kompromiss herzustellen.

Die Stimmung bleibt aber ein Kompromiss, und mit anderen Gitarren, die dieses System nicht haben, wird u.U. kritisch.
Den Nutzwert muß jeder für sich selber finden, ich habe mich entschieden, bei der ´klassischen´ Einstellung zu bleiben.

Hoffe geholfen u haben,
Gruß,
woody

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hi Michael,

: gestern ist mir etwas peinliches passiert.

Glückspilz. Mir passiert mindestens zweimal täglich was peinliches.

: Meine Frau hat mich darauf hingewiesen, dass bei allen meinen Gitarren die Bünde immer schmäler werden, je näher sie sich am Korpus bzw. Steg befinden. Prima. Und dann hat sie gefragt, warum das so ist.

Du meinst den Abstand zwischen den Bundstäbchen? Oder deren Breite?

: "Na ja, der 12. Bund ist eben genau in der Mitte

Darauf basiert das ganze: eine Halbierung der schwingenden Saitenlänge ergibt eine Verdoppelung der Frequenz, die wiederum musikalisch ausgedrückt dann halt "Oktave" heißt. Da dieses Gesetz natürlich auch für die verbliebene Saitenlänge gilt, ergibt sich für den 24. Bund eine weitere Halbierung, womit die restliche Saitenlänge dann ein Viertel der leeren Saite ist. Durch dieses exponenzielle Prinzip müssen die Abstände logischerweise immer kürzer werden.

Etwas mathematischer steht das hier (PDF).

Natürlich kann man demnach auch nicht die 12 Halbtöne in gleich lange Bundabstände einteilen, das würde schief klingen. Man muß erreichen, daß der Bundabstand eine Oktave höher genau halb so groß ist. Das Analoge gilt für die Verhältnisse der Frequenzen untereinander. Der Faktor für das Frequenzverhältnis "vom Grundton zur nächsten Oktave" ist 2, das wissen wir alle. Mit einigem Nachdenken kann man drauf kommen, daß der Faktor für das Frequenzverhältnis "vom Grundton zum nächsten Halbton" 2 hoch (1/12) sein muß. So mathematisch brachial entstand dann vor ein paar Jahren die sogenannte wohltemperierte Stimmung.

Ich hab das übrigens irgendwann mal in ein Script umgesetzt und eine Frequenztabelle gebaut, die basiert auf genau dieser Formel.

In der Literatur liest man auch schonmal die Zahl "12te Wurzel aus 2", was das gleiche ist, und Pragmatiker rechnen das gleich aus, nehmen den Kehrwert (weil Frequenz und Saitenlänge ja umgekehrt proportional ist) und notieren die Zahl 0,94387... - damit muß man den Bundabstand des Bundes x multiplizieren, um auf den Bundabstand des Bundes x + 1 zu kommen.

All das gilt jetzt aber nur für eine Saitendicke von 0, und deshalb kommt das ins Spiel,wasFerdi schon schrieb: in der Praxis dien die Saiten dicker als 0 und deshalb verschieben die theoretischen Werte sich halt.

Keep rockin'
Friedlieb

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite



Lieber Friedlieb, und natürlich auch lieber Ferdi,


: Durch dieses exponenzielle Prinzip müssen die Abstände logischerweise immer kürzer werden.


In "Asterix und die Trabantenstadt" heißt es: "Es ist nicht leicht, das einzusehen, Meister." Ich habe da irgendsoeine Schwäche bei allem, was im entferntesten mit Physik zu tun hat. Aber ich glaube, ich habe es verstanden: Beim Klavier werden die Saiten ja auch immer kürzer, je höher die Töne werden. Das ist ja irgendwie das gleiche ....

Herzlichen Dank jedenfalls & viele Grüße,

Michael

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hallo woody,

was Du schriebst, ist alles sehr interessant (und vor allem schön geschrieben!), aber mir bereits bekannt ;-)

Was mich interessieren würde, ist, wie eben der Sattel für "Buzz Feiten-Tuning" modifiziert wird, sprich, was da dann echt passiert. Ich habe mal eine Gitarre gesehen, die angeblich "Buzz Feiten-optimiert" war - sehen konnt ich aber nichts.

Danke und Grüße vom highseppl!

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hallo Michael,
zu dem was Ferdi, Woody und Friedlieb geschrieben haben:
Eigentlich dürfte es auf Gitarren garkeine durchgehenden Bundstäbchen geben, weil,jede Saite brauchte ihren eigenen Abstand,ähnlich wie die Korrektur an Brücken mit einstellbaren Reitern.
Aber 6-teilige Bundstäbchen??? Und die schönen Blockinlays anner Schipsen (Schippsen?) hingen in -zig Fitzelchen da rum. Wie würde das aussehen?
Ne Lösung wäre noch frettless (d.h. ohne Frettchen). Dann stell dir dann nur mal vor, der Michael und der Jacuzzi hätten den letzten Aussenjam ohne Bünde eingespielt...

nen leeven Jrooß

Peter

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hi,

Was mich interessieren würde, ist, wie eben der Sattel für "Buzz Feiten-Tuning" modifiziert wird, sprich, was da dann echt passiert. Ich habe mal eine Gitarre gesehen, die angeblich "Buzz Feiten-optimiert" war - sehen konnt ich aber nichts.

ich glaube, vereinfacht gesagt sitzt der Sattel einen Hauch in Richtung 1. Bund verschoben. Oder, was auf's Gleiche rauskommt, alle Bünde einen Hauch in Richtung Sattel verschoben, ein zu schmaler 1. Bund jedenfalls. Da es sich beim BFTS idR um eine Umbaumaßnahme handelt, spricht man von einem Versetzen des Sattels (und nicht der Bünde).

Mit richtig viel Pech liege ich falsch und das Gegenteil ist der Fall - der erste Bund wäre zu breit, nicht zu schmal - aber ich bin mir 62% sicher :o)

cu, ferdi

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hallo Peter,

Eigentlich dürfte es auf Gitarren garkeine durchgehenden Bundstäbchen geben, weil,jede Saite brauchte ihren eigenen Abstand,ähnlich wie die Korrektur an Brücken mit einstellbaren Reitern.
: Aber 6-teilige Bundstäbchen???


Da wünsch ich Dir dann aber viel Spaß beim Saiten ziehen! ;-))

Gitarren sind nunmal anachronistische Instrumente für Grobiane ohne absolutes Gehör *g* Das bin ich dann eben ;-))

Grüße vom highseppl!

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

High Seppl,
(zwar abgedroschen,macht aber immer wieder Spaß)
:
: Da wünsch ich Dir dann aber viel Spaß beim Saiten ziehen! ;-))
:

Die Alternative wäre ja frettless...
Da könnten wir schön bei der nächsten Session zusehen (und hören)wie Andy und Michael bei Tempo 180 die sechszehntel kloppen und das ohne Bünde...;-)))

: Gitarren sind nunmal anachronistische Instrumente für Grobiane ohne absolutes Gehör *g* Das bin ich dann eben ;-))
:

Deshalb stimmen wir ja wohltemperiert auf Zimmertemperatur und 50% Luftfeuchte...;-))

nen leeven Jrooß

Peter
PS: Bestellung ist raus, inklusive 50ft Kabel

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

"Na ja, der 12. Bund ist eben genau in der Mitte, und da man ja den Finger links davon aufsetzen muss, muss da ein bisschen mehr Platz sein, und dieser Platz wird eben immer weniger, je höher die Töne sind, und deswegen ....." Ungefähr da hat sie mich angeschaut, als wäre ich ein kompletter Idiot.


JA, echt dumm gelaufen! :-(

Aber spätestens seit der Lektüre von Allan & Barbara Pease, die der Frage nachgegangen sind, warum "Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken", hätte Dir doch klar sein müssen, dass Du bei Frauen mit WIRKLICHER LOGIK nicht ankommst.
;-)))

greetings
wego






Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hallo zusammen

: ich glaube, vereinfacht gesagt sitzt der Sattel einen Hauch in Richtung 1. Bund verschoben.

So weit ich weiß liegst Du genau richtig, ferdi.
Was ich über das BFTS weiß, ist aber mehr oder weniger selbsterfunden.
Das Problem bei diesem Buzz Feiten System ist, daß wenn man wüßte, wie es funktioniert, es selber machen könnte.
Da aber Leute damit Geld verdienen wollen...

Ich habe mir mal die Mühe gemacht und viel über Stimmungen gelesen.
Den besten gitarrenbezogenen Artikel fand ich hier.

Das Problem mit dem BFTS ist halt, daß man es ausprobieren muß.
Es ist teuer, und den Nutzwert halte ich persönlich für gering, da die Intonation einer Gitarre einfach nicht stimmen kann.
Was eine interessante Sache ist, ist es, die Gitarre nach gegriffenen Tönen zu stimmen.
Spiel mal einen C-Dur-Akkord in der offenen Position, stimme die Gitarre dann mal nach z.B. im 5. Bund geriffenenen Tönen, spiele den Akkord noch mal.
Wenn Du keinen Unterschied hörst, brauchst Du Dir über BF keine Gedanken mehr machen, wenn doch, schau, daß Du einen Lieblingsstimmpunkt findest. Wenn Du viele Soli über dem 12. Bund spielst, kann es sein, daß es schlau ist, im 12. Bunde zu stimmen, machst Du viel Rhythmusarbeit im Berecih 5. Bund, stimmst du halt da.

Ich persönlich stimme ganz herkömmlich leere Saiten, nachdem ich auf einem Workshop ein längeres Gespräch mit Frank Haunschild hatte, der halt alles mögliche ausprobiert hat (auch dasd BFTS) um dann wieder zum Standardsystem zurückzukehren.

Viel Spaß,
woody



Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hi Woody et al,

das erinnert mich an einen viel-gefragten Flamencaner aus dem Norddeutschen, der mit drei nahezu identischen Gitarren in's Studio geht - eine wird fuer die ersten fuenf Buende gestimmt, die zweite fuer die naechsten fuenf, und die letzte fuer die dritten fuenf.

Das kaputte kommt dann beim Einspielen, wo halt Scheibchenweise aufgenommen wird. Er kann das locker, offensichtlich, und den Herren Werbemenschen und Leuten vom Schlage eines James Last ist offensichtlich die Intonation das hoechste, waehrend evtl. spirituelle "one take" Geschichten gar keine Scheibe (Wurst nicht, und auch nicht Tanzmusik) verkaufen.

Jedem das seine. Ist ein bissken wie mit dat HiFi. Ich bin ja froh, dass meine Stereo-Anlage so aermlich ist. Wenn ich mal den Klang deutlich verbessern will, kostet mich das nur ein paar Pfund. Aehnlich mit der Intonation - so sauber muss ich erstmal spielen koennen, damit das einen Unterschied hergibt.

Fuer Besucher und Publikum kann das natuerlich zu Schmerzen fuehren, das ist mir schon bewusst :0) Auf der anderen Seite ist es vielleicht auch wert, sich in Erinnerung zu rufen dass bei einem Gig nur eine sehr kleine Prozentzahl von Hoerern solche Intonationsunreinheiten hoeren....

gut Ton!
ullli

Re: (Erklär mir die Welt) Bundbreite

Hi Woody,

bei mir hat sich das so eingependelt, dass ich die Strats fürs normale Spiel nach offenen Saiten mit Stimmgerät stimme und die wegen der dort liegenden Terzen problematische G-Saite ab und zu nach dem Ohr nachstimme. Wegen der vielen Bendings und der Vintage-Vibratos muss ich eh alle paar Nummern kurz nachstimmen (aber nicht mehr nach jeder, polierte Saitenreiter und Graphitsttel sei Dank).

Die Slide-Tele stimme ich erst bei den beiden blanken Saiten offen, dann die drei tiefen Basssaiten per Stimmgerät nach dem Flageolet am 12. Bund und DANN die (umwickelte) G-Saite NUR nach dem Ohr.

Es geht bestimmt anders, vielleicht einfacher, aber so funktioniert es auch :o)


cu, ferdi