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(Kinder) Pokemon und kein Ende?

Servus,

die Eltern wissen, wovon ich spreche: Alle zwei - also gut, alle drei - Wochen kommt eine neue Mode auf, in der Klasse haben es _ALLE_ und unser 8jähriger _BRAUCHT_ das auch.
Vor zwei Wochen hab ich mich - auf Intervention meiner Frau allerdings erst - dazu überreden lassen, meinen Sohn einen Kampfkreisel kaufen zu lassen. Wie (von mir, schließlich hat man ja Lebenserfahrung) vorhergesagt, war so eine Art Zahnriemen aus Plastik, mit dem der Kreisel beschleunigt werden kann, nach 10 Minuten (!) gerissen, der Kreisel war am nächsten Tag hinüber, denn in dem Matallgehäuse versteckten sich zwei Schraubengewinde aus Plastik, und die sind halt gebrochen. Nun war das Zurückbringen (Geld zurück) kein Problem, da war ich wohl nicht der erste gewesen. So weit so gut, daß das Zeug nix taugt hat er dann eingesehen.
Vorgestern kommt er aus der Schule und _BRAUCHT_UNBEDINGT_ "jo-gyo-Karten" oder wie das auch heißt. Leider sieht er halt nicht, wie er da verarscht wird ...
Diese Karten haben wir aber nicht gekauft, denn _ich_ hab was anderes gesehen (und das gekauft).
Geomag heißt das Zeug, ist schweineteuer, aber nicht schlecht. Das besteht aus Eisenkugeln und kleinen Stabmagneten, mit denen man super Tetraeder etc. bauen kann. Bis zur nächsten Mode (zumindest) ist jetzt erst mal Ruhe.
Bin ich da zu pädagogisch oder nur zu geizig?

redi

ps
Paul liest gerade mit.

Re: (Kinder) Pokemon und kein Ende?

Hallo redi (& Paul?),

ich finde Du bist weder zu geizig (schliesslich hast Du gerade Geomag gekauft) noch zu paedagogisch!

Paul muss sich unter seinen Kameraden profilieren oder zumindest mithalten koennen, um - ja, um was darzustellen? In der Regel doch nur, um nicht aufzufallen.

Ich bin ohne Fernseher aufgewachsen, was selbst in einer Rudolf-Steiner Schule dazu fuehrte, dass ich eben nicht mitreden konnte am naechsten Tag, dadurch fiel ich natuerlich auf. Und weil ich gerne dazugehoeren wollte, habe ich manches mal gelogen oder zumindest uebertrieben, um eben nicht voellig aussen vor zu stehen. Im Leben eines so jungen Menschen scheint das jahrelang so zu gehen, rueckblickend war das aber eine recht kurze Zeit, in der es mir so ging. Mir scheint es naemlich mit dem Mithalten so zu sein wie mit vielen anderen Dingen im Leben, das ausbrechen ist der schwierige Teil, danach tut es gar nicht so weh :0)

Du sagst "er sieht nicht, wie er da verarscht wird" - kannst Du im Gespraech mit ihm denn herausarbeiten, was ihm wirklich persoenlich an, sagen wir mal, diesen Karten liegt? Kann er, in dem Rahmen seiner Familie, diesen Karten irgendeinen Wert zumessen, interessiert ihn die Geschichte dahinter, findet er sie so schoen, dass er sie sich an die Wand haengt? Oder gibt es da Dinge, die er wirklich eher braucht, um bei seinen Kameraden zu bestehen? Ich glaube schon dass ein 8-jaehriger auf diesem Wege empfinden kann, dass da vielleicht etwas nicht stimmt.

Wenn Alternativgeschenke wie das Geomag ihm wirklich Freude machen, hat er die Chance, auszubrechen. Wenn Paul ohne diese Karten in der Schule auftaucht, werden seine Kumpel natuerlich erstmal verwirrt und evtl. garstig sein. Aber nicht lange, denn er lungert ja nicht um die Karteninhaber herum und will dazugehoren - er kann sich mit seinem Geomag vergnuegen, wenigstens fuer eine gewisse Zeit. (Vielleicht wird er damit selbst zum Trendesetter, was aber unwahrscheinlich ist, da das vermutlich nicht mit so einer grossen Werbemaschine gefahren wird - Trotzdem, es koennte anderen Kids ja Spass machen).

Ist das nun zu paedagogisch, verlangt das zuviel von Deinem Kind? Du willst nicht, dass Dein Kind ein dumpfer Konsument unter Gruppendruck wird - Deine Lebenserfahrung und Deine Sicht auf die Welt der Dinge moechtest Du ihm zumindest anbieten, um ihm ein selbstbestimmtes Leben zu ermoeglichen. Aber ohne Schmerzen geht das, glaube ich, nicht - jeder, der nicht Teil der Masse sein will/soll, muss an irgendeinem Punkt den schmerzhaften Abloesungsprozess erleben - und ich kann nicht glauben, dass das leichter faellt, wenn man es hinausschiebt.

Der naechste Schritt, dann auch nicht mehr alle paar Wochen ueberhaupt etwas neues anzuschaffen, ist noch haerter, stelle ich mir vor. Bei uns war das finanziell ueberhaupt nicht drin, solche Reihenanschaffungen. Dann koennen Mitschueler natuerlich sehr garstig werden. Aber irgendwo dazwischen hat meine Mutter mir auch aufgehen lassen, dass sie auch nicht mittun wuerde, wenn sie koennte, und ich habe ihr so vertraut, und sie konnte mir das so gut erklaeren, dass ich das bald fuer mich annehmen konnte.

Da liegt dan allerdings die Gefahr, vollends zum Aussenseiter zu werden: Ich brauchte dann naemlich noch mal ein paar Monate/Jahre bis zur Reife, diese neugefundenen Erkenntnisse (ich brauche das nicht, ich definiere mich nicht ueber Gruppendruck und Konsum) nicht als Waffe zu verwenden, es nicht den anderen als Trotzargument an den Kopf zu werfen - damit macht man sich wirklich keine Freunde, sondern nur das Leben schwer.


Interessant finde ich, dass ich heutzutage fast Antikonsument bin (darunter leidet, meinen guten Freunden zufolge, ein wenig mein Ausdrucksstil, vielleicht sollte ich mal etwas zuruecksteuern ¦¬] ) waehrend ich dem Fernsehen voellig hilflos gegenueber stehe. Ich kann locker ueber fuenf Stunden zehn Kanaele multiplexen, um dann am naechsten Tag mit einem massiven Kater aufzuwachen und mich bitter ueber die verlorene Zeit zu beklagen - aber das mit dem Ausschaltknopf, das konnte ich eben nicht lernen als Knirps...

gut Ton & hm, wie waere es mit "Massekompatibler Individualitaet" :0)

ullli


Re: (Kinder) Pokemon und kein Ende? + Programm für Grund- und Obertöne

Servus ullli und (zukünftige) Eltern,

danke für Deine ausführliche Antwort. Paul hat sie gelesen und wollte sie gleich löschen, denn: "Das stimmt ja nicht. Ich will doch diese Karten haben."

Nun mein Senf:
    ohne Fernseher aufgewachsen, was [...] dazu fuehrte, dass ich eben nicht mitreden konnte
TV, auch so ein Problem. Allerdings bis jetzt (noch) nicht. Wir haben ein paar (!) Videos für die Kinder, Fernsehn gibt es bei uns für die Kinder nicht - höchstens mal Fußball (ohne Werbung). Dieses "Nicht-mitreden-können" kenne ich auch, wobei man zu meiner Zeit als 8jähriger noch mit dem reinen Besitz eines TVs in der Verwandtschaft angeben konnte. Es gab ein (!) Programm, das erst am späten (!) Nachmittag begann und nicht bis spätnachts dauerte ... ja, ja, früher ...
    Im Leben eines so jungen Menschen scheint das jahrelang so zu gehen, rueckblickend war das aber eine recht kurze Zeit, in der es mir so ging.
Richtig, in einigen Jahren wird Paul das auch so sehen, aber _das_ dauert auf jedenfall noch einige Zeit
    was ihm wirklich persoenlich an, sagen wir mal, diesen Karten liegt?
Wir haben ein wenig - nicht zuletzt angeregt durch Deinen Beitrag - darüber gesprochen, und ich glaube, es geht ihm nicht (nur) darum, die Karten zu haben, sondern er will mit anderen Kindern damit spielen. Er sagte nämlich auch, es sei schade, daß niemand mehr mit den Pokemonkarten spielen wolle, jetzt hätten seine Freunde eben diese anderen Karten. Wobei es schon erstaunlich ist, wie schnell manche Kinder mit so Zeug ausgestattet werden.
    Oder gibt es da Dinge, die er wirklich eher braucht, um bei seinen Kameraden zu bestehen? [...] Wenn Paul ohne diese Karten in der Schule auftaucht, werden seine Kumpel natuerlich erstmal verwirrt und evtl. garstig sein.
Das glaube ich nicht, jedenfalls hab ich _davon_ noch nix mitbekommen.
    Aber nicht lange, denn er lungert ja nicht um die Karteninhaber herum und will dazugehoren
Doch, bestimmt.
    er kann sich mit seinem Geomag vergnuegen [...] wird er damit selbst zum Trendesetter
Schöner Gedanke!
    Du willst nicht, dass Dein Kind ein dumpfer Konsument unter Gruppendruck wird
Wer will das nicht und ist es doch!
    Deine Lebenserfahrung und Deine Sicht auf die Welt der Dinge moechtest Du ihm zumindest anbieten, um ihm ein selbstbestimmtes Leben zu ermoeglichen. Aber ohne Schmerzen geht das, glaube ich, nicht. [...] Dann koennen Mitschueler natuerlich sehr garstig werden.

Oder man _glaubt_ - das Gefühl kenn ich auch noch, daß sie garstig - was für ein Wort - seien.
    Da liegt dan allerdings die Gefahr, vollends zum Aussenseiter zu werden: Ich brauchte dann naemlich noch mal ein paar Monate/Jahre bis zur Reife, diese neugefundenen Erkenntnisse (ich brauche das nicht, ich definiere mich nicht ueber Gruppendruck und Konsum) nicht als Waffe zu verwenden, es nicht den anderen als Trotzargument an den Kopf zu werfen - damit macht man sich wirklich keine Freunde, sondern nur das Leben schwer.

Hmm, keine "echten" Freunde, oder? Zumindest rückwirkend betrachtet.
    aber das mit dem Ausschaltknopf, das konnte ich eben nicht lernen als Knirps
... und _deshalb_ bist Du jetzt TV-süchtig? Das kann sein, muß aber nicht. Die Konsequenz daraus wäre ja, alle, die TV-Konsumenten in ihrer Kindheit waren (sein konnten/durften), sind als Erwachsene nicht TV-süchtig?

Na gut so weit, Ich werde mir überlegen, ob der Paul nicht ein paar Geomags in die Schule mitnehmen darf. Das hätte ich vorher kategorisch abgelehnt. Spielzeug von zuhause hat, auch wegen der oben angesprochenen Gründe, in der Schule nix zu suchen. Und dann ist Paul ein großer Schlamperer, der sändig irgendwelche Sachen vergißt. Von wem er das wohl hat??

redi,
der gerade einen Software-Frequenzgenerator sucht und nicht mehr findet.

Das war mal eine Diplomarbeit(?) an der Wiener Uni(?). Man kann zu (Sinus-)Grundtönen entsprechene Obertöne dazumischen.

Re: (Kinder) Pokemon und kein Ende?

Moin redi!

Ein befreundetes Ehepaar meiner alten Buddelkastenfreundin glotzte mich entsetzt an, als sässe ihnen der leibhaftige Dschugaschwili gegenüber, da ich die Auffassung kundtat, man müsse nicht alles, was unsere Nachfahren prima finden auch sofort unterstützen. Kann ich mit leben. Unsere Blagen (männlich, Bj. '90 und '92) liessen den Puckelmonn-Wahn an sich vorbeiziehen, nachdem wir ihnen sagten, wir fänden das Zeug bescheuert wie überteuert. *g* Dafür sponsere ich ihnen solchen Quark wie Simpson und Futurama - da lachen wir gemeinsam drüber. Und wenn unser Alexander für Matrix schwärmt, da muss der Ärmste mit unserer ausbleibenden Euphorie leben, *hihi* (bin neulich bei dem Film eingepennt. - Dafür zwinge ich ja daheim niemanden, sich mit mir „Stalker“ anzusehen).
Ist nichts Schändliches, seinen Kindern den eigenen Geschmack bzw. sein eigenes vermutetes Urteilsvermögen mitzuteilen. Wenns sein muss, mit der Knute! *kicher*

Gruss
Micha

Gruss an Paul

Nenn es nicht Geiz sondern besorgte Sparsamkeit. :-) Wenn man so sieht, womit Eltern, Grosseltern und die restliche Verwandtschaft die Kinder zuschütten, *schauder*. Lieber weniger, aber das in besserer Qualität.

Re: (Kinder) Pokemon und kein Ende?

: "Stalker" und "Last Waltz" - warum haben wir es bloss noch nicht auf die gleiche Grillparty geschafft???

Moin ullli!
Berechtigte Frage, wie's scheint. Das kriegen wir noch hin.


: N.P. "Ophelia" [Griff in die Backups - me2, ich seh Levon Helm vor mir, Kamera von hinten, der Atem...]
: G.G. (gestern gesehen) Solaris (Oginool)
Fein! :-) Von den Filmen Andrej Tarkowskis in der Spanne Iwans Kindheit ('62) bis Opfer ('86) fehlen mir nur Solaris und Nostalghia in meiner Raupensammlung.
Stalker irritiert mich immer noch. :-) Hier sagt mir der Film mehr als die im zugrunde liegende Novelle. Ist halt etwas ziemlich anderes draus geworden. Tarkowskis Ästhetik läuft meiner kruden eigenen nicht gerade zuwider: streife ich gelegentlich durch den Prenzlauer Berg, verfluche ich jede frisch gestrichene oder neuverputzte Häuserwand, die mir früher (zur Zeit der Schlacht im Teutoburger Wald) ihr Lebensalter vernarbt und abblätternd verriet. *g*
Als derzeit das Berliner Scheunenviertel zum zweiten Mal zur Sau gemacht wurde, packte mich die kalte Wut. Eine Bekannte von mir fotografierte glücklichwerweise noch rechtzeitig die alten Häuser.

Gruss
Micha

*schwafel-popafel-von-keinem-Thema-nicht-abschweif*