Re: (Kinder) Pokemon und kein Ende?
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Beitrag von ullli vom Mai 24. 2003 um 13:14:24:
Als Antwort zu: (Kinder) Pokemon und kein Ende? geschrieben von rrbth am Mai 23. 2003 um 21:42:58:
Hallo redi (& Paul?),
ich finde Du bist weder zu geizig (schliesslich hast Du gerade Geomag gekauft) noch zu paedagogisch!
Paul muss sich unter seinen Kameraden profilieren oder zumindest mithalten koennen, um - ja, um was darzustellen? In der Regel doch nur, um nicht aufzufallen.
Ich bin ohne Fernseher aufgewachsen, was selbst in einer Rudolf-Steiner Schule dazu fuehrte, dass ich eben nicht mitreden konnte am naechsten Tag, dadurch fiel ich natuerlich auf. Und weil ich gerne dazugehoeren wollte, habe ich manches mal gelogen oder zumindest uebertrieben, um eben nicht voellig aussen vor zu stehen. Im Leben eines so jungen Menschen scheint das jahrelang so zu gehen, rueckblickend war das aber eine recht kurze Zeit, in der es mir so ging. Mir scheint es naemlich mit dem Mithalten so zu sein wie mit vielen anderen Dingen im Leben, das ausbrechen ist der schwierige Teil, danach tut es gar nicht so weh :0)
Du sagst "er sieht nicht, wie er da verarscht wird" - kannst Du im Gespraech mit ihm denn herausarbeiten, was ihm wirklich persoenlich an, sagen wir mal, diesen Karten liegt? Kann er, in dem Rahmen seiner Familie, diesen Karten irgendeinen Wert zumessen, interessiert ihn die Geschichte dahinter, findet er sie so schoen, dass er sie sich an die Wand haengt? Oder gibt es da Dinge, die er wirklich eher braucht, um bei seinen Kameraden zu bestehen? Ich glaube schon dass ein 8-jaehriger auf diesem Wege empfinden kann, dass da vielleicht etwas nicht stimmt.
Wenn Alternativgeschenke wie das Geomag ihm wirklich Freude machen, hat er die Chance, auszubrechen. Wenn Paul ohne diese Karten in der Schule auftaucht, werden seine Kumpel natuerlich erstmal verwirrt und evtl. garstig sein. Aber nicht lange, denn er lungert ja nicht um die Karteninhaber herum und will dazugehoren - er kann sich mit seinem Geomag vergnuegen, wenigstens fuer eine gewisse Zeit. (Vielleicht wird er damit selbst zum Trendesetter, was aber unwahrscheinlich ist, da das vermutlich nicht mit so einer grossen Werbemaschine gefahren wird - Trotzdem, es koennte anderen Kids ja Spass machen).
Ist das nun zu paedagogisch, verlangt das zuviel von Deinem Kind? Du willst nicht, dass Dein Kind ein dumpfer Konsument unter Gruppendruck wird - Deine Lebenserfahrung und Deine Sicht auf die Welt der Dinge moechtest Du ihm zumindest anbieten, um ihm ein selbstbestimmtes Leben zu ermoeglichen. Aber ohne Schmerzen geht das, glaube ich, nicht - jeder, der nicht Teil der Masse sein will/soll, muss an irgendeinem Punkt den schmerzhaften Abloesungsprozess erleben - und ich kann nicht glauben, dass das leichter faellt, wenn man es hinausschiebt.
Der naechste Schritt, dann auch nicht mehr alle paar Wochen ueberhaupt etwas neues anzuschaffen, ist noch haerter, stelle ich mir vor. Bei uns war das finanziell ueberhaupt nicht drin, solche Reihenanschaffungen. Dann koennen Mitschueler natuerlich sehr garstig werden. Aber irgendwo dazwischen hat meine Mutter mir auch aufgehen lassen, dass sie auch nicht mittun wuerde, wenn sie koennte, und ich habe ihr so vertraut, und sie konnte mir das so gut erklaeren, dass ich das bald fuer mich annehmen konnte.
Da liegt dan allerdings die Gefahr, vollends zum Aussenseiter zu werden: Ich brauchte dann naemlich noch mal ein paar Monate/Jahre bis zur Reife, diese neugefundenen Erkenntnisse (ich brauche das nicht, ich definiere mich nicht ueber Gruppendruck und Konsum) nicht als Waffe zu verwenden, es nicht den anderen als Trotzargument an den Kopf zu werfen - damit macht man sich wirklich keine Freunde, sondern nur das Leben schwer.
Interessant finde ich, dass ich heutzutage fast Antikonsument bin (darunter leidet, meinen guten Freunden zufolge, ein wenig mein Ausdrucksstil, vielleicht sollte ich mal etwas zuruecksteuern ¦¬] ) waehrend ich dem Fernsehen voellig hilflos gegenueber stehe. Ich kann locker ueber fuenf Stunden zehn Kanaele multiplexen, um dann am naechsten Tag mit einem massiven Kater aufzuwachen und mich bitter ueber die verlorene Zeit zu beklagen - aber das mit dem Ausschaltknopf, das konnte ich eben nicht lernen als Knirps...
gut Ton & hm, wie waere es mit "Massekompatibler Individualitaet" :0)
ullli
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