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Mischen für Dummies

Liebe Gemeinde!

Mal eine theoretische Frage. Nehmen wir mal an, eine Band besteht aus sehr disziplinierten Musikern, die an ihrem Geraffel nicht rumspielen sondern dem Mischer immer das gleiche Signal liefern. Nehmen wir weiter mal an, dass nach einem einmaligen Einpegeln der Signale der Mischer keine weiteren Korrekturen vornehmen muss. Nehmen wir drittens an, dass die Band immer mit dem gleichen Mischpult spielt. Vierte Annahme besteht darin, dass diese Band in einer kleinen und sehr vollen Kneipe einen Gig mit einem tollen Sound gespielt hat. Fünfte Annahme ist, dass es auf der Bühne sehr leise zugeht, das Publikum hört tatäschlich nur, was aus der P.A. kommt.

Am nächsten Tag baut unsere - zugegebenermaßen sehr theoretische - Band ihr Geraffel in einer leider nur halbvollen Schulaula (vergleichbar mit dem CW in Duisburg) auf. Das Mischpult ist noch so wie vom Vortag, die Signale der sehr disziplinierten Musiker sind wie gesagt identisch zum Vortag. Am dritten Tag geht es sogar in ein eine kleine Halle, leider noch weniger Zuschauer.

Nun meine Frage. Sicherlich klingen die drei angenommenen Räume total unterschiedlich. Dafür gibt es ja den Summen-EQ - so jedenfalls habe ich immer das Thema P.A. verstanden. Zur Abstimmung des Summen EQs lässt der Mischer Musik aus der Konserve drüber laufen und alles klingt gut. Wird jetzt auch die Band gut klingen? Wird die Abstimmung zwischen den Instrumenten/Gesangsstimmen stimmen?

Gruß

erniecaster

Re: Mischen für Dummies

Beim Sound Deiner theoretischen Band (erschreckend, wie nah mein Sauhaufen da dran ist...) müsste man natürlich noch weitere Faktoren ausklammern. Gut klingen ist ja nicht nur eine Sache des Sounds - die ziemlich leere Halle würde z.B. ein "nettes" Echo auf die Bühne zurückwerfen und damit Spielgefühl und timing beeinflüssen. Verunsicherung bestimmt den Sound nachhaltiger als hier und da ein paar dB mehr oder weniger.

Entscheidend wird - wie Du bereits erwartest - die Abstimmung der Anlage auf den Raum sein, wobei es einfach bei ungünstiger Akustik nicht möglich ist, eine optimale Entzerrung zu erreichen. Man kann viel klangregeln aber die Physik nicht bescheissen. Also wird in der ziemlich leeren Halle beim Sound eher Schadensbegrenzung angesagt sein; einen tollen Sound wie in der vollen Kneipe zu erreichen... no way.

Auch wenn uns die Hersteller beschallungstechnischer Wunderwaffen etwas anderes Glauben machen wollen, lassen sich schwierige Beschallungssituationen entweder nur schwer und mit großem Aufwand (also nix für mal eben 'ne Stunde Soundcheck), unzureichend oder garnicht lösen. Geschichten Marke Behringer Ultracurve "stöpsel ein Meßmikro in den RTA-Eingang, laß kurz Rauschen und der Sound steht Dank automatischer Einmeßfunktion" gehören ins Märchenland. ;-)


der onk mit Gruß

Re: Mischen für Dummies

Mein lieber onk,

jetzt weichst Du mir ein wenig zu sehr aus. Okay, das Beispiel war ja extrem. Lassen wir mal leere Hallen raus, lassen wir Verunsicherungen der Theorie-Band raus.

Location A klingt gut, Mischungsverhältnis zwischen den Musiker passt. Location B klingt auch gut aber etwas anders, der Summen-EQ reißt es raus. Passt das Mischungsverhältnis zwischen den Musikern noch? Und lässt sich mit Musik von der Konserve hinbiegen, von A nach B zu kommen?

Gruß

erniecaster

Re: Mischen für Dummies

Hi Matthias,

: Location A klingt gut, Mischungsverhältnis zwischen den Musiker passt. Location B klingt auch gut aber etwas anders, der Summen-EQ reißt es raus. Passt das Mischungsverhältnis zwischen den Musikern noch? Und lässt sich mit Musik von der Konserve hinbiegen, von A nach B zu kommen?

eher nicht. Der eine Raum ist vielleicht ein bißchen kleiner, der andere ist eher sowas wie eine Halle. Und eine Halle hallt. Also kannst Du es nicht allein mit dem EQ reißen - Du musst den Hall der einzelnen Instrumente zurücknehmen. Vielleicht sogar nicht in jedem Kanal gleich; könnte ja sein, daß der Hall sich nur auf bestimmte Instrumente (wegen der Perkussivität des Spiels, wegen der Hauptfrequenz des Halls etc.) auswirkt.

Würde ich länger drüber nachdenken, fielen mir bestimmt noch mehr Beispiele ein.

Andererseits ist natürlich Dein zur Diskussion gestelltes Verfahren ein guter Startpunkt, ein prima Ansatz für einen ersten Wurf, würde ich sagen.

Interessantes Thema, diese Tontechnik. Wo ist eigentlich Falk?

Keep rockin'
Friedlieb

Re: Mischen für Dummies

Hallo!

Interessantes Thema, diese Tontechnik.

Gerade fällt mir ein irrsinnig lange zurückliegendes Stadtfest ein. Die Band spielte diese üblichen 08/15 Rock´n Roll-Heuler, Bill Haley und so. Bass und Schlagzeug grandios, Gesang wirklich gut aber der Hammer war der Typ am E-Piano. Der sah aus, wie frisch aus dem Altersheim geholt, leichte Ähnlichkeit mit Honecker, spielte aber mitreißend und einfach großartig. Der Gitarrist spielte herrliche kurze Soli, leider aber auch Rhythmusgitarre und das konnte er einfach gar nicht. Das war zuviel (schließlich wollte man ja den Tastateur hören), klapperte im Timing und der Sound war auch Mist.

Ich stand beim Mann am Mischer und bequatschte ihn so lange, bis er den Klampfer quasi auf Null regelte und ihn nur für die Soli wieder hörbar machte.

Eine geile Band - jedenfalls nach unserem "Eingriff".

Und wenn es ganz schlimm kommt, alles auf Null und eine CD rein. Ob ich meine Gitarren verkaufe und mir ein Mischpult anschaffe?

Gruß

erniecaster

Re: Mischen für Dummies

Das Mischungsverhältnis muß m.E. in beiden Fällen passen, denn sonst würde ja z.B. eine Aufnahme nur in dem Raum, in dem sie abgemischt wurde, passen. Wenn der Raum also eine Resonanz bedingt, die einen Frequenzbereich betont, ist ja nicht nur ein Instrument von diesem Umstand betroffen, sondern alle Quellen, die Pegel in diesem Frequenzbereich abliefern. Somit reicht die Entzerrung des Summensignals aus. Allerdings bleibt es ein kritischer Punkt, korrekt zu filtern und schon sind wir wieder so herrlich subjektiv.

Dennoch bleibt die Sache sehr theoretisch, denn wir postulieren leere, weitgehend reflexionsfreie Räume ohne Geräuschkulisse und ideale Lautsprecher. Wäre dem nicht so, könnten wir nicht von einem so oder so klingenden Raum sprechen, denn der Standort und das Umfeld des Hörers bestimmt letztlich seinen Klangeindruck. Weiche ich schon wieder aus? ;-)

Bis zu einem gewissen Grad kann man sicherlich mit dem EQ Klangkorrekturen vornehmen, die den Klang in beiden Räumen im Hinblick auf das persönliche Optimum ähnlicher werden lassen. Was dabei mit dem Phasenfrequenzgang passiert, ob und wie man das registriert, steht dann wieder auf einem anderen Blatt.

Aus der Praxis kann ich nur sagen, daß es eine enorme Erleichterung mit sich bringt, die Freiheitsgrade vor dem Mischpult einzuengen. Ich bin schon so weit gegangen, Schablonen für die Drum-Mikros anzufertigen. Mit je mehr Änderungen man von Gig zu Gig vor dem Mischpult konfrontiert ist, desto aufwendiger die Korrigiererei vorhandener Einstellungen, insbesondere bei aufwendiger Peripherie.


der onk mit Gruß


Re: Mischen für Dummies

: Location A klingt gut, Mischungsverhältnis zwischen den Musiker passt. Location B klingt auch gut aber etwas anders, der Summen-EQ reißt es raus. Passt das Mischungsverhältnis zwischen den Musikern noch?
Wenn die EQ-Einstellungen nicht zuu unterschiedlich sind, sollte es schon stimmen, aber -- und das hat mich, vor allem, als ich anfing zu mischen, gewundert -- das tut es nicht.

Inzwischen glaube ich, daß da viel (Selbst-)Täuschung eine Rolle spielt. Denn wozu braucht man denn einen Mischer (also mich), wenn nicht zum Mischen?

Inzwischen sehe ich das deutlich entspannter: Wenn nix brummt und pfeift, wenn die Musiker und das Publikum (nur das) hören (können), was nötig ist und wenn ich jederzeit und überall noch 3 dB Reserve habe, dann bin ich erstmal (sehr!) zufrieden. Der sogenannte Sound wird dann auch (einigermaßen) passen. Ob er jedem (auch mir) gefällt, ist eine andere Geschichte.

: Und lässt sich mit Musik von der Konserve hinbiegen, von A nach B zu kommen?
Ja, ein bißchen schon. Ich hab später immer so bald wie möglich eine CD über die Anlage laufen lassen -- es beruhigt unheimlich, wenn die kleinen LEDs blinken und leuchten. Sobald die Endstufen eingeschaltet sind, lasse ich die CD über die Anlage laufen, erst links, dann rechts und versuche, einen gleichen Klang (so wie ich ihn mir vorstelle) links und rechts hinzubekommen. Es empfiehlt sich übrigens, dabei die PA mono laufen zu lassen.

Dann kommt der Linecheck, dann ein Teststück von der Band zum Überprüfen des Stimmen- und Instrumentenverhältnisses und dann das Abendessen (hoffentlich).

Und wenn die Band anfängt zu spielen, dann paßt doch schon wieder eine Kleinigkeit hier nicht und da nicht (-- Selbsttäuschung? --), aber so nach dem dritten Stück, da haben die Spieler und Sänger auch ihre für diesen Tag genehme Lautstärke gefunden, steht der sogenannte Sound ...

... und dann merkt man irgendwann, daß das XY-Gerät gar nicht angeschlossen ist ...


redi

Re: Mischen für Dummies

: Aus der Praxis kann ich nur sagen, daß es eine enorme Erleichterung mit sich bringt, die Freiheitsgrade vor dem Mischpult einzuengen. Ich bin schon so weit gegangen, Schablonen für die Drum-Mikros anzufertigen. Mit je mehr Änderungen man von Gig zu Gig vor dem Mischpult konfrontiert ist, desto aufwendiger die Korrigiererei vorhandener Einstellungen, insbesondere bei aufwendiger Peripherie.
JA!

... und nicht den Heißkleber für die Reglerknöpfe der Gitarrenspieler vergessen ...

redi


Re: Mischen für Dummies


:
: ... und nicht den Heißkleber für die Reglerknöpfe der Gitarrenspieler vergessen ...
:

Jepp - kommt besonders bei Motorpotis gut. Sirr, würg, qualm...
Bei Schnellspielern fordere ich ja eher Heißkleber für deren Finger! Neid aus eigener Unfähigkeit... ;-)


der onk mit Gruß


Re: Mischen für Dummies

:Klampfer quasi auf Null regelte und ihn nur für die Soli wieder hörbar machte.
Nicht nur bei Klampfern ist das manchmal sehr angebracht. Blöd ist es allerdings, wenn der Störer der Leadsänger ist.

Beim Backgroundgesang hift es aber schon sehr, wenn man manche ganz weit in den Hintergrund mischt. Blöd ist dann aber wieder, wenn die Freundin, Mutter, Oma ... im Publikum sitzt.

redi

Re: Mischen für Dummies

Grundregel:
Immer das Mischpult mit kleinen, bedächtigen Bewegungen ganz vorsichtig bedienen und immer aufpassen, ab wann man wirklich einen Unterschied wahrnimmt. Dabei darf man aber seiner Wahrnehmung auf keinen Fall trauen! Mißtrauen gegenüber dem eigenen Hören gegenüber ist (— zumindest habe ich das für mich so gelernt —) extrem wichtig.

Das meine ich genau so, ohne jede Ironie und ohne jedes Schmunzeln.

redi

Re: Mischen für Dummies

Hallo

: ... und dann merkt man irgendwann, daß das XY-Gerät gar nicht angeschlossen ist ...

oder man spielt nach der Pause sein zweites Set und merkt dann beim Abbauen, daß man das komplette Set nur über Backline und Monitoranlage gespielt hat, weil man vergessen hat, daß man in der Pause die Masterfader runtergezogen hat.

Nur als Beitrag zur Abteilung "Band mischt selbst" :-)

Gruß
Dan

Re: Mischen für Dummies

Hallo!

Das gilt erst recht für Veränderungen am eigenen Equipment. Aus dem Grund frage ich gerne mehr oder weniger unbeteiligte Dritte, ob sie Unterschiede hören. Nicht, ob es gefällt. Nur, ob es einen Unterschied gibt.

Lustig finde ich übrigens, dass man häufig in kleinsten Schritten Feinschliff macht und dann plötzlich kurz vor dem Gig oder mitten in der Probe wirklich alles umwirft.

Gruß

erniecaster