(Band) Sind wir Musiker eigentlich immer die Dummen?


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Beitrag von Klaus vom Januar 17. 2005 um 11:16:52:

Mahlzeit Gemeinde,

da sich derzeit Benefiz-Anfragen (ist unser Titel für schlecht bezahlte Gigs, Benefitz-Veranstaltungen im eigentlichen Sinne für einen echten sozialen Zweck machen wir natürlich gerne) häufen würde ich gerne 'mal Eure Meinung dazu hören.
Konkret geht es darum, daß wir auf einer Veranstaltung im Rahmen der "lange Nacht der Musik" quasi umsonst spielen sollen, die Stadt München dafür aber die Werbung übernimmt - Kollege Michael J. spielte letztes Jahr auch in einer Kneipe im Rahmen dieser Veranstaltung - zu welchen Konditionen weiß ich aber nicht.

scheinbar einfaches Szenario:
wir spielen - für lau - für jemand, der bis dato nicht mit uns in einem so guten Kontakt steht (oder sagen wir s deutlich: für 2005 noch nicht 3 Jobs a 3000€ zugesichert hat) und nett anfrägt, ob wir ausnahmsweise mal etwas besonderes tun würden..., als daß wir da natürlich anfangen darüber nachzudenken.
d.h.:
a) 7 Leute nehmen sich an einem Samstag von 15.00 (weil ab 16.00 Uhr Aufbau) bis vermutlich 3 Uhr morgens (Abbau ab 1.00 bis 2.00 - heimfahren) Zeit = 12 Std. am Wochenende x 7 = 84 Std. (rechne ich mal 'nen eher kleinen Stundensatz mit 20 € bin ich allein schon bei 1680 €)
b) haben diese Leute mittlerweile 10 Jahre miteinander verbracht um dieses Niveau zu erreichen, das sie zugegeben gerne machen.
c) stellen sie mal eben Equipment für ca. 50.000 € auf die Bühne - allein das Leihen der Anlage mit Licht kostet bei 'nem Verleiher nicht unter 1.500 €....und dieses Zeug haben wir uns ja nicht aus Nächstenliebe gekauft.
d) von den Nebekosten ganz zu schweigen (7 Autos.....)


Jetzt frage ich mich:
wieso gehen die Leute nicht zu Ihrer Autowerkstatt (mit der sie eine Kundenbeziehung hätten) und fragen (nachdem sie da gerne zwischen 40 und 70 € an Stundenlohn bezahlen) ob man nicht mal schnell 80 Stunden für lau arbeiten wolle ....idealerweise über Nacht? Richtig - weil wir gelernt haben, daß das unhöflich ist. Und ebenso richtig: ich frage ihn nicht einmal, ob er für lau mal eben 80km einfach fährt. Und wenn ich jemanden frage, mit dem ich noch nie in einer Geschäftsbeziehung stand, fängt er an zu lachen oder macht sich Sorgen um meinen Geisteszustand.
Aber warum empfindet man das bei einem Musiker nicht so - und im Gegenteil - wir haben sogar noch ein schlechtes Gewissen, wenn wir das ablehnen ohne dabei unhöflich zu werden?

Was können wir tun?

Es unseren Kollegen schwer machen und so etwas zusagen (....damit die nächstes Jahr gesagt bekommen, daß es "wir" doch auch gemacht hätten) oder schlicht einmal mitteilen:

- daß man nicht berühmt werden will, sondern einfach gerne viele Jahre seines Lebens damit verbracht hat und viel Geld dafür ausgegeben hat, daß man als Band heute so gut ist wie man ist.

- daß man gerne Musik macht, auch wenn man für den fünffachen Zeitaufwand den Bruchteil des Geldes bekommt, den man ansonsten nimmt.

- daß man trotzdem nicht dabei automatisch verdummt und sich darüber freut, wenn man für Leute arbeiten soll, die man nicht einmal kennt (was sagen die eigentlich, wenn man sie frägt, ob sie mal eben mit 7 Mann Lust hätten, 12 Std. beim nächsten Umzug zu helfen?)

- sondern daß Bands bei guter Leistung gebucht werden - zu bekannten Preisen - und dabei ihren Job mit viel Freude machen....sich aber genauso wenig wie der Kfz-Mechaniker freuen, wenn man sie frägt, ob sie nicht grad 12 Std. gratis für die Stadt München arbeiten wollen (ausgerechnet...wenn sie uns dafür ne Gutschrift über 4.000 € Strafzettel-Guthaben geben wäre das ein erster Ansatz)

- und daß Bands nicht automatisch Speichelfluß bekommen, wenn man ihnen einen Vision erläutert, die da "vielleicht 100 Leute Publikum à 2,5 € " heißt.

.....irgendwie ist das genau so, wir die meisten Leute Ausländer in gebrochenem Deutsch anreden, weil sie meinen, das verstehen sie besser....ähnlicher Irrtum.

Was sollten wir tun ?
Dem Veranstalter oder wem auch immer genau das klar machen, um Mißverständnisse zu vermeiden.
Wir spielen trotzdem sehr gerne - für einen vernünftigen sozialen Zweck auch mal incl. Engagement unsererseits gratis. Aber dann bitte für Leute, die`s wirklich nötig haben....
Und ansonsten auch zu Preisen, die jedes normale Unternehmen nach 'nem halben Jahr insolvent gemacht hätten (wenn eben 7 Leute mit 50.000 € Equipment für 12 Std. unterwegs sind und dafür 3000 € verlangen) - eben weil wir 's gerne machen.

Lieg' ich jetzt da so verkehrt????
Sorry, musste 'mal raus

Grüße aus München

Klaus



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