Re: (Philosophie) Profimusiker? Da lern' ich doch lieber was anständiges :-)))
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Beitrag von Olkmar vom Oktober 29. 2003 um 15:06:38:
Als Antwort zu: Re: (Philosophie) Profimusiker? Da lern' ich doch lieber was anständiges :-))) geschrieben von Andreas Falke am Oktober 29. 2003 um 12:38:09:
Hi Andreas!
>Erklärungen folgten meist mit: "Mir war so, ich fühlte mich so, so bin ich und das entspricht meinem seelischem Zustand" >Mir war und ist das immer schon zu wenig gewesen.
Das kann ich gut nachvollziehen, ich habe auch meine Probleme damit, wenn jemand von mir (wenn ich in diesem Fall nicht Akteur, sondern Publikum bin!) erwartet, mich auf SEIN inneres Chaos einzustellen. Ich habe gewiss nichts dagegen, wenn Kunst neben gedachter Struktur auch gefühlte umsetzt, nur stellt sich dann die Frage: was ist für den Hörer/Betrachter an greifbarer Substanz vorhanden?
>Ich meine, in der Musik, wie in der Malerei/Bildhauerei muß man sich die Frage nach dem 'Warum' gefallen lassen.
Vielleicht ein therapeutischer Wert für den Ausübenden (in dem von Dir beschriebenen Fall)?
Ich will nicht abstreiten, daß Kunst (in welcher Form auch immer) durchaus darin bestehen kann, eine "Message" in verschlüsselter Form zu übermitteln, aber man kann das Kind da auch mit dem Bade ausschütten, indem man soweit verschlüsselt, daß wirklich jeder Zugang verbaut wird und damit selbsternannten Insidern eine Möglichkeit gegeben wird, den "verständnislosen" Rest der Menschheit zu belächeln...
("Nein, sagen kann ich Dir das nicht, da musst Du schon selbst drauf kommen...")
>Gleichwohl sollte unterschieden werden können zwischen objektiv guter und objektiv weniger guter Musik. Finde ich, ich weiß nur auch noch nicht wie.
Es ist, für denjenigen, der fähig ist, diese Kriterien anzuwenden (womit eindeutig klar ist, daß der Laie es nicht kann!), eigentlich ganz einfach:
Welche kreative Leistung wurde erbracht?
>Ein Schlitz in weißgrundierter Leinwand kann ein Attentat ebenso wie der Ausdruck eines ästhetischen Empfinden sein. Kann Destruktion als Gestaltungselement sein, ebenso wie Produktion als Neu-Entwicklung. Es funktioniert nicht, wenn jemand eine Leinwand aufschlitzt, weil es bereits schonmal erfolgreich (monetär) gemacht wurde und somit epigonal lediglich wiederholt. = Cover-Musik.
Das ist aber nicht das, was ich mit Repetition meinte. Ich bezog mich nicht auf Cover, sondern epigonales Verhalten, d.h. man benutzt ein vorhandenes Strickmuster, um Resultate mit kaum neuer Substanz als etwas Eigenes zu verkaufen.
Cover ist hiervon deutluich zu unterscheiden, denn es wird ja auf die Existenz der Vorlage verwiesen. Ebenso ist Zitat deutlich zu trennen von Plagiat. Wer plagiiert, hofft im Stillen, daß es keiner merkt (wenn es nicht gar unbewusst gesetzt ist, ein Prob, was demjenigen leicht unterläuft, der seine Substanz aus "Eingebungen" schöpft!), hingegen soll ein Zitat zusätzliche Assoziationen stiften, was natürlich nur dann funktioniert, wenn dem Hörer/Betrachter dessen Ursprung kenntlich ist.
> Wird gecovert um Dienst zu leisten?
So würden es z.B. diejenigen sehen, die alte Songs aufwärmen, um sie in neuer Verpackung einer nachfolgenden Generation zugänglich zu machen. Ich persönlich empfinde diese Machwerke mit meiner Kenntnis der Originale zwar seltenst als Aufwertung (eher im Gegenteil!), aber die Hörgewohnheiten heutiger Kiddies scheinen offensichtlich dieser Verunstaltung zu bedürfen...
Ebenso ist die Wiedergabe "gängiger" Stücke durch Livemusiker auf Tanzveranstaltungen wohl als Dienstleistung zu betrachten, wobei dies weniger ein Dienst am musikalischen Material (es wird ja möglichst originalgetreu nur reproduziert!) als am zahlenden Kunden ist.
> Wird gecovert, weil keine Zeit eigenes zu machen?
Ich kann schlecht nachvollziehen, ob derartige Gründe (bezogen auf die musikalische Ebene) für andere zutreffen mögen, ich selbst habe eher den Eindruck, daß die Einarbeitung in ein bestehendes Material und die daraus hervorgehende Erstellung eines wirklich guten Covers durchaus mehr Zeit erfordern kann, als eine elementare Grundstruktur zu einem eigenen Musikstück wachsen zu lassen. Für denkbar halte ich es immerhin insofern, als mir wirklich gute Texte eher selten gelingen.
> Wird gecovert um neue Eindrücke eines Stückes zu bekommen?
Volle Zustimmung! Dies ist für mich genau der Grund zu covern (vielleicht in diesem Sinne auch eine Art Dienstleistung?), denn oft stelle ich fest, daß ein Song Substanz enthält, die im Originalarrangement eher untergeht...
Hierzu ein relativ bekanntes Beispiel:
Vermittelt "You keep me hanging on" in der auf Tanzbarkeit ausgelegten Originalversion (Supremes) wirklich das im Text beschriebene innere Gequältsein? Da finde ich dann Vanilla Fudge doch überzeugender!
>Wird so Musik zur intellektuellen Reifeprüfung?
Nein. Sie würde es dann, wenn die Qualität eines Covers einer fachlichen Bewertung unterläge, die dem Arrangeur als Feedback zugeht. Leider stehen aber auch hier wohl mehr verkaufte Auflagenhöhen im Vordergrund, nur das Zählbare zählt.
>Ah, wunderbar. Strukturen, die man nicht erkennt hält man für Strukturlosigkeit.. Das ist doch der alte Dialog Eupalinos und Phaidros (die wo über Ästhetik schwadronieren) sehr geschmeidiger Text. (Ich glaube, geschrieben von Paul Valery?)
Dann drücke ich es mal etwas volksnäher aus:
Im Sinne landläufiger Auffassung ist Musik "geordnetes Klanggeschehen". Der Normalhörer will diese Ordnung erkennen können. Gelingt ihm dieses Erkennen nicht, erscheint ihm die Sache ungeordnet. Gelingt ihm dies bei einer Bachfuge bereits nicht, werden die Schwierigkeiten bei einem Werk des Serialismus umso größer sein.
Um zu verdeutlichen, inwieweit eine "Ordnung" und deren Erkennbarkeit anhand ihrer klanglichen Darstellung zwei verschiedene Paar Stiefel sind und inwieweit letztere tatsächlich Sache des (Zu-, !) Hörers ist, hier ein einfaches Beispiel:
Wir positionieren 4 Richtmikrofone an den Eingängen einer beampelten Großstadtkreuzung und erstellen über die Dauer einer Viertelstunde eine Vierkanalaufnahme, die wir sodann mit einer entsprechenden Lautsprecheranordnung in einem störpegelfreien Raum in Originallautstärke verschiedenen Testpersonen vorführen. Das Ergebnis sollte möglichst so klingen, wie ein Beobachter im Mittelpunkt der Kreuzung es hören würde.
Wir werden sicherlich feststellen, daß eine Reihe von Testpersonen zunächst die (angeblich enorme!) Lautstärke dieser Wiedergabe beanstanden wird, obwohl sie dasselbe Klangbild im normalen Straßenverkehr niemals bemeckern würden. Was dann passiert, ist vorhersehbar: Die Aufnahme bekommt innerhalb weniger Sekunden den Stempel "Verkehrslärm", der Rest wird nicht mehr konzentriert gehört und somit fallen Veränderungen in der räumlichen Verteilung unter den Tisch, will sagen: daß es sich um ampelgeregelten Verkehr handelt, bleibt unerkannt!
Ein aufgeschlossener ZUhörer hingegen würde diese Erkenntnis mühelos nach wenigen Lichtwechseln gewinnen!
Nun ein Sonderfall: Innerhalb unseres Kreises von Testpersonen befinden sich einige Polizisten, die allesamt zu vergleichbarer Tageszeit wegen Ausfalls der Lichtzeichenanlage auf nämlicher Kreuzung den Verkehr manuell über die Dauer mehrerer Stunden geregelt haben, was bedeutet: diese als einzige der Testpersonen haben diesen Klangeindruck aus der Mitte der Kreuzung zuvor real erlebt! Dann ist folgendes möglich:
Polizist A, der immer die in seinem Beruf nützliche Beobachtungsgabe trainiert hat und sich dabei nicht nur auf optische Eindrücke stützt, erkennt die ebenfalls im Klangbild enthaltenen typischen Geräusche eines nahe der Kreuzung gelegenen Kinderspielplatzes sowie den Glockenschlag der benachbarten Kirche und ist nach kurzer Zeit in der Lage, nicht nur die Kreuzung, sondern auch die Uhrzeit der Aufnahme zu benennen!
Polizist B hingegen scheitert an einem einfachen Phänomen: Dieweil er sich beim Regeln des Verkehrs logischerweise um die eigene Körperachse gedreht hat, hat er in der realen Situation die Anfahrgeräusche der Fahrzeuge immer nur von der Seite gehört, aber niemals von vorne oder hinten oder gar diagonal und somit erkennt er das Klangbild nicht wieder...
>Ist Strukturlosigkeit Gestaltungselement in der Musik, oder ist es Destruktion?
Auch dies würde ich nicht pauschalisieren wollen. In der Reihentechnik wurden kalkulierte, sich überlagernde Abläufe eingesetzt, um klangliche Resultate zu erreichen, die im Sinne traditioneller Komposition übersehen worden wären. John Cage wiederum hat seine Kritik am Serialismaus darauf gestützt, daß dieselben Resultate gleichwohl auch mit einer Zufallsbestimmung der Parameter erreichbar sind. Damit ist sicherlich die Verwandtschaft zwischen Überbestimmtheit und Unbestimmtheit hinreichend deutlich aufgezeigt. Der Schlüssel liegt IMHO darin, daß die gesamte Wahrnehmung einer Art Relativitätstheorie folgt, das heißt, daß eine Struktur ohne eigenen eindeutigen Wiedererkennungswert (der natürlich durch Hörgewohnheiten bedingt unterschiedlich sein kann!) an Erkennbarkeit gewinnt, wenn sie einer andersartigen gegenübergestellt wird. In diesem Zusammenhang kann natürlich auch Strukturlosigkeit eine Struktur repräsentieren.
> Kommen hier nicht antrainierte Begriffe ins Spiel, wie: 'schön = regelmäßige Schallwellen ; schlimm = unregelmäßige = Geräusch?
Das kommt doch logischerweise drauf an, ob man Hörgewohnheiten einfrieren oder erweitern will! >Ist 1 und 3 Stadl und 2 und 4 Rock'Roll?
Anstelle einer ausführlichen und allgemeinen Abhandlung zum Thema "Offbeat" (nee, sorry, da hab ich jetzt echt nicht die Zeit zu!):
Es gibt keine auffälligere Art, die "1" zu betonen, als sie wegzulassen... *sfg*
cu,
Olkmar
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