Re: (Gitarre) Bunt Ding will Weile haben


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Beitrag von Jonas vom Oktober 06. 2021 um 13:27:12:

Als Antwort zu: (Gitarre) Bunt Ding will Weile haben geschrieben von Jonas am September 30. 2021 um 11:10:34:

Hallo zusammen,

Mittlerweile habe ich die Gitarre nach Hause geholt zum Ölen, da kann ich dann 3-4 Aufträge am Tag machen, sehr praktisch. Eine Werkstatt zu Hause....ich muss mal wieder Lotto spielen, oder noch umschulen.

Für den Body habe ich europäische Esche genommen, ein sehr schönes Holz, schwer, aber man kann ja aushöhlen. Leider wird die Esche ja nun immer seltener und es steht zu befürchten, dass wir innerhalb der nächsten 20 Jahre alle Esche Bestände in Europa und Nordamerika verlieren könnten, dem asiatischen Eschenprachtkäfer sei Dank. Das ist für mich tatsächlich bedrückend, dass ein so bekannter und allgegenwärtiger Baum aus dem Alltag verschwinden könnte zu meinen Lebzeiten.

Umso schöner, dass ich dann eben aus einem Stück davon etwas bauen kann, was hoffentlich länger hält, als ein Eschebaum im Durchschnitt lebt.

Überhaupt, nicht das hier ein falsche Eindruck entsteht, bei den bislang gebauten Gitarren habe ich ja ganz schön geaast, was das Holz angeht und das ist mir schon ein wenig unangenehm. Man entwickelt schon recht schnell einen Sinn für Nachhaltigkeit in der Nutzung von Hölzern, wenn man sich mit diesem Material länger beschäftigt (auch teilweise beruflich). Dabei stößt man sehr oft auf eine nicht nachvollziehbare Verschwendungsmaschinerie in der Vaerabeitung von teils sehr selten gewordenen Hölzern. Aus dem Grunde werde ich keine Tropenhölzer mehr kaufen und auch beim mir doch sehr liebgewonnenen Riegelahorn werde ich wohl einen größeren Bogen um solchen aus dem Balkan machen und zusehen, dass ich sowas aus heimischer "Produktion" bekommen kann, oder eben upcyclen kann.

Das mit dem Upcyceln geht ja bei Massivholzgitarren sehr gut, ich erwähnte glaube ich schonmal Treppenstufen aus Mahagoni, die ich teilweise auf dem Müll finde, oder verschenkt werden. Das finde ich nach wie vor unglaublich, aber nüchtern betrachtet kann man das Material leider nicht der gewerblichen Produktion zu einem vetretbaren Handelspreis in Qualität und Mengen, die erforderlich sind, zukommen lassen. Da kann ich nur hoffen, dass DIY Menschen so wundervolle Rohstoffe vor dem Ofen/Müll retten. Man muss sich nur mal vergegenwärtigen, dass ein Handlauf gerne mal 2,30m oder länger ist und dann aus einem einzigen Stück besteht. Stellt euch dazu mal den Baum vor, den es dafür braucht, der muss schon ne Weile wachsen. Und dann nimmt man da ja auch nur astfreie Ware, also, das ist schon eine Wahnsinns Materialverschwendung, wenn man sich das überlegt.

Aber gut, ich will mich da jetzt auch nicht zu sehr darin verrennen, bleiben wir mal lieber beim Thema, grob gesagt: Oberflächen. Ich öle ja meine Gitarren fast ausschließlich, weil das a) umweltverträglich ist, b) nicht gesundheitsschädlich und c) so einfach ist, dass man es eben auch zu Hause machen kann. Der Nachteil beim Ölen ist, man sieht nachher jeden winzig kleinen Kratzer, das ist wirklich heftig, man meint, man sei der letzte Stümper. Da ist Lack schon verzeihender. Aber eine geölte Oberfläche, gerade am Hals, also, ich finde, da geht nix drüber. Und sie ist dünn und atmungsaktiv, der Stradivari hat ja auch mit Öllacken rumgespielt, also, das sollte eigentlich der Boutique / High End Standard sein imho. Ist aber aufwendiger, weil empfindlicher zu polieren, als z.B. Nitro. Das heißt, man kann nicht unbedingt mit Maschinen rangehen und das heißt höherer Handarbeitsaufwand und das heißt, teurer. Und, okay, so ein Schutzpanzer wie Lack, ist es auch nicht, also, für die tägliche Live Performance für die nächsten 30 Jahre ist man da evtl. etwas mehr auf Pflege angewiesen (was man in dem Falle ja denkbar einfach machen kann: nämlich nachölen).

Nun ist Esche ja eher offenporig und man sollte da wohl die Poren füllen, wenn man eine glatte Oberfläche will. Ich bin kein Freund vom Porenfüllen, das ist ja auch nicht so viel anders, als eben mit Harz/Plastik o.ä. das Holz zuzuschmieren und das bedämpft sicherlich suboptimal die 13. Obertonreihe. Also, sowas spare ich mir und finde es auch schön, wenn man Poren in der Oberfläche sehen kann, ehrlich gesagt.

Jetzt habe ich Esche zum 1. Mal geölt und bin ganz erstaunt, wie gut die Oberfläche schon nach ein paar Schichten Öl aussieht, also, ich glaube, da muss ich gar nicht viel schleifen und relativ geschlossen ist die Oberfläche tatsächlich auch, bin positiv überrascht. Natürlich kann und wird da noch was nachsacken, aber das sieht ja bei Schellack behandelten Fichtendecken oder z.B. Stradivaris eigentlich ganz charmant aus, wie ich meine.

Viel Text, da muss jetzt natürlich was mit Bildern kommen.

Die Schönheit von europäischer Esche:

Und falls jemand eine Mahagonitreppe entsorgen will, hüstel, also, ich wäre ja nicht abgeneigt.

Alles Gute!

Jonas




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