Re: (Gitarre) Der Weg zum guten Sound (do you remember?)


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Beitrag von Harvey vom Oktober 24. 2000 um 11:07:33:

Als Antwort zu: (Gitarre) Der Weg zum guten Sound (do you remember?) geschrieben von Matthias am Oktober 23. 2000 um 22:41:53:

Nach all den Antworten wäre mal eine Liebeserklärung an Saiteninstrumente fällig (eins ganz besonders), oder? warten.

Der Sound kommt nicht nur aus den Fingern, sondern letztlich aus den ganzen Effektketten dahinter und vor allem auch davor (meinetwegen zurück bis zum Urknall).

Diese Kombination von Holz und Draht - manchmal Knochen, Plastik und was weiß ich - bietet ja schon Millionen Möglichkeiten, sich auszudrücken, was das technische Instrumentarium angeht: Verschiedenste Bauweisen - Laute, Dobro, 6-/7-/12-saitig in Nylon oder Metall, mit Fingern/Plektrum/Slide/Magnet zu spielen, natur oder elektrisch mit unterschiedlichstem Equipment usw usw usw ... - aber zusätzlich auch noch durch die Art, wie man das Instrument selbst "physikalisch traktiert" - ich meine nicht spieltechnisch in musikalischem Sinne (in welcher Lage spiele ich welche Töne oder Patterns etc), sondern über die Art, wie man es überhaupt anfaßt. Und in dieser Kombination sind Gitarren unschlagbar, was also die Vielfalt der Ausdrucksmöglichkeiten angeht (IMHO, wie immer).

Wenn verschiedene Personen mit identischem Material unterschiedlich klingen, liegt das möglicherweise auch daran, daß man Gitarren eben mit sehr viel "Körpereinsatz" spielt und sie dann entsprechend unterschiedlich klingen. Es gibt ja beliebig viele Methoden (orthodoxe wie verrückte), ihr Klänge oder Geräusche zu entlocken (siehe Plektrum am Akkuschrauber), und die sind dann oft auch direkter Ausdruck des eigenen Körpergefühls (beim Akkuschrauber mehr indirekt). Das heißt, der "individuelle Sound" ist zum großen Teil sozusagen organisch-sinnlich bedingt. Jim (Hall) greift anders zu als Jimi (Hendrix), vom Musikstil und dem Instrumentarium abgesehen.

Umgekehrt geht es deshalb auch, d.h. eine Person ist u.U. in ihrem Spiel identifizierbar, auch wenn sie unterschiedlichstes Instrumentarium benutzt.

Woran erkennt man nun die Individualität? Vielleicht ist das nur eine Summe von vielen kleinen Gewohnheiten, vielleicht mehr. Wenn ich mir alte Aufnahmen von mir selbst anhöre, fällt mir auf, daß ich u.a. schon immer ein Faible für bestimmte Grund-Sounds hatte (Hendrix z.B.), was sich durch die Jahre nicht verändert hat.

In den Siebzigern ging das mit Strat + Ibanez Phaser + Electric Mistress Flanger + Roland Analog-Echo + Phoenix Hybrid Amp + 4x12-Greenbacks - heute mache ich das anders, klingt auch objektiv besser, vom Charakter her ist es aber mehr als verwandt. D.h. aus dem Schrott von damals habe ich was Ähnliches rausgekitzelt wie aus den Teuer-Teilen von heute: Vorlieben, Gewohnheiten mit Wiedererkennungswert.

Diese Sounds sind aber nicht unbedingt sooooo unverwechselbar individuell, gelinde gesagt. Spielerisch dagegen habe ich seitdem tatsächlich dazugelernt - bessere und erweiterte Technik, anderes Vibrato etc., man hört aber trotzdem im Vergleich mit neuen Aufnahmen, daß es die selbe Person ist, die da spielt.

Vielleicht ist auf den Cassetten und CDs ja mehr drauf als die hörbaren Töne, und das Unhörbare dahinter ist das eigentlich Individuelle, was man hinter oder durch das Gespielte spürt - sowas wie ein Grundcharakter oder eine Grundschwingung, die mehr oder weniger gleich bleibt, egal wie der Mensch sich ansonsten entwickelt und verändert hat.
So wie man im Sandkastenalter ja meist etwas anders aussieht als mit 30 Jahren, aber es bleibt in der persönlichen Entwicklung auch etwas gleich ("Person " kommt ja auch von per-sonare, also hindurch-tönen).



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