(Technik) Grenzen des Testens - Ideal und Wirklichkeit


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Beitrag von Matthias Schwarz vom Oktober 14. 1999 um 15:22:16:


Hallo Leute!

Das Posting weiter unten mit der Frage zu unserer Ansicht zu einem bestimmten Verstärker hat mich ein bißchen beschäftigt. So ganz verkehrt finde ich die Frage gar nicht, vorausgesetzt, sie wird vor dem Kauf gestellt! Spinne ich jetzt völlig? Predige nicht gerade ich hier nicht immer von wegen selber hören und dann sowas? Theoretisch ist das ja alles ganz einfach. Da geht man mit seinem Etat in einen Laden, testet alle in Frage kommenden Teile und nimmt mit, was gefällt. Wie aber sieht das praktisch aus?

Kaufen wir doch mal ein Multieffektgerät. Welcher Laden führt denn überhaupt eine AUSWAHL von Geräten in der von mir gewünschten Preisklasse? Die Hersteller von Effektgeräten bringen jedes Jahr "neue" Modelle raus. Das bedeutet, daß ein Laden auch innerhalb eines Jahres die Geräte loswerden muß, damit sie keine Ladenhüter werden. Das Risiko ist nicht zu unterschätzen. Natürlich läßt sich in fast jedem Laden fast alles bestellen. Aber wie erkläre ich dann, daß ich das vielleicht eher exotische Teil doch nicht möchte?

Gehen wir der Einfachheit halber mal davon aus, daß alles da ist. Optimal testen kann ich, indem ich nach längerer Einarbeitungszeit in die Editierfunktionen mehrere Proben mit allen Geräten und mit dem Favoriten dann ein paar Gigs spiele. Wenn ich das einem mir völlig fremden Händler vorschlage, wird er bestenfalls freundlich ablehnen, wahrscheinlicher ist allerdings, daß er mich für völlig abgedreht hält und achtkantig rauswirft.

Also kann ich wahrscheinlich nur im Laden testen. Was predige ich immer? Mit der eigenen Gitarre und dem eigenen Amp. Kein Thema, wenn ich hauptsächlich EINE Gitarre über EINEN Combo spiele. Ahem, wer eine Gitarrenauswahl wie Jochen hat (schaut Euch mal seine Fotogalerie an, da packt mich doch der blanke Neid!) und den wahlweise über zwei verschiedene Stacks fährt, rollt dann mit einem Kombi vor dem Laden an und braucht zwei Stunden zum Verkabeln? Also doch nur EINE Gitarre und irgendein Verstärker mit langweilig cleanem Sound. Wie dann das Effektgerät tatsächlich mit meinem Verstärker harmoniert, ist Glückssache.

Nicht zu vergessen: Gibt es eigentlich im Laden eine Testkabine? Wieviel Zeit und Ruhe habe ich da? Ausschweifende Tests am Sonnabendvormittag im Dezember verbieten sich von selbst. Aber auch an "normalen Tagen" sind die räumlichen Testvoraussetzungen manchmal beschränkt.

Was können wir denn testen? Die werksseitigen Presets in diesen Teilen sind meistens unbrauchbar. Zeitschriften wie Gitarre&Bass schreiben dann gerne "geben aber einen Überblick über die Möglichkeiten". Das halte ich mittlerweile für blanken Unsinn. Ich habe beispielsweise einen Bodenmulti, der für Chorus-Sounds mehrere Stufen anbietet: Stufe 1 bedeutet "wo ist denn der Chorus?" Stufe 2 bedeutet "ich höre den Chorus nur, wenn ich alleine spiele und intensiv darauf achte" Stufe 3 bedeutet "viel zuviel Chorus", die nächsten Stufen legen jeweils noch einen drauf. Das kann ich aber nur herausfinden, wenn ich an den Reglern drehe bzw. auf den Tastern taste. Wenn ich das nach intensivem Lesen der Gebrauchsanleitung (ist die greifbar, lesbar und aussagefähig?) die richtigen Knöppchen gefunden habe wird mir bei komplizierteren Geräten auch der freundliche Verkäufer auf die Finger hauen. Der will nämlich nicht meine individuell "verbogenen" Presets, sondern die werksseitigen behalten.

Ich habe also eine begrenzte Auswahl und massiv eingeschränkte Testmöglichkeiten. Der einzige Trost ist es, daß es so richtig schlechtes Equipment kaum noch gibt. Kann ich mich darauf jetzt verlassen?

Dann kommen noch die Fragen zum Verschleiß von Produkten. Wie will ich beim Kauf eines Effektgeräts wissen, ob beispielsweise die Schalter und Taster auch nach ein paar Mal drauftreten noch ordentlich funktionieren? Fängt die Elektronik an zu spinnen, wenn das Teil ein paar Erschütterungen ausgesetzt war? Wie stark läßt die Leuchtkraft von Anzeigen nach? Was passiert beim Wechsel von Wärme und Kälte? Einige Dinge fallen vielleicht in die Garantiefrist. Prima, wieder zurück in den Laden damit und warten. Bei der zwischenzeitlichen Probe heißt es dann Verzicht üben...

Die Frage in einem funktionierendem Forum "was haltet Ihr vom Modell XY?" ist vielleicht gar nicht so schlecht. Die Antworten könnten beispielsweise lauten "Vorsicht, das Teil rauchte bei mir zwei Stunden nach Ablauf der Garantiefrist ab" oder "nach einer Woche fangen die Potis an zu kratzen" oder "läuft seit zwanzig Jahren ganz problemlos" und so weiter. Ich denke schon, daß das helfen könnte, wie gesagt, wenn VOR dem Kauf gefragt und geantwortet wird.

Was meint Ihr?

Matthias



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