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(Philosophie) Wann ist man einer schlechter Musiker?

Hallo Leute!

Wann ist man ein schlechter Musiker? Eigentlich soll diese Frage ja eher rhetorisch gemeint sein, denn grundsätzlich will niemand schlecht sein. Aber spätestens auf der Session ist mir wieder mal etwas klar geworden. Die Frage "Wann bin ich ein guter Musiker?".

Nahezu jeder Mensch mit einer normalen Psyche ordnet sich beim Musik spielen/machen als schlecht oder mittelmäßig ein. Warum? Wenn jemand versucht sich selbst zu bewerten, muß er zwangsläufig irgendwelche Maßstäbe ansetzen, die als guter bzw. schlechter Musiker gelten. Nur manchmal, glaube ich, haben wir ein verzerrtes Bild von der Realität. Ich selber habe immer das Gefühl nur von genialen Musikern umzingelt zu sein, weil ich lauter CDs von entweder spieltechnisch hoher Qualität oder von Musikern die vom Feeling her alles in Grund und Boden spielen. Aber was heißt das? Diese CDs sind im Endeffekt ja eine Art Referenz, denn stellenweise sind das ja wirklich die besten Musiker (Wenn in diesem Bereich überhaupt sowas wie der/die/das 'Beste' gibt) unserer Kultur.

Doch als Wohnzimmermusiker kommt man in der Regel selten raus, um mit mehreren Artgenossen zu spielen. Folglich fühlt man sich schlechter als seine ganzen 'Helden', weil die so gut spielen können, um damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Gleich danach kommt der Punkt, bei dem man sich als 'schlechter Musiker' bezeichnet, weil alle anderen (auf ihren CDs...) viel besser drauf sind.

Andererseit kenne ich auch den Typus, der in der Großstadt wohnt, viele Projekte und Bands kennt und auch selber hat, und sich nicht mal ansatzweise mit den Musikern seiner CDs befasst. "Die sind eben eine andere Kategorie" höre ich dann immer. Allerdings sieht er die ganzen anderen Musiker seiner Umgebung, die er (seiner Meinung nach) immer in Grund und Boden spielt, weil er bessere Songs schreibt und mehr Technikspiel beherrscht. Folglich fühlt er sich wie ein guter Musiker.

Das Endergebnis: Wir beide spielen technisch auf einem ähnlichen Level. Keiner ist direkt besser oder schlechter als der andere. Trotzdem denke ich, daß ich ein schlechter Musiker bin, und er glaubt, daß er ein guter Musiker ist.

Was kann man daraus lernen? Als einfacher Bandmusiker oder Wohnzimmermusikant dürfen wir nicht anfangen uns mit Profimusikern und unseren Helden auf CD zu vergleichen. In den meisten Fällen rauben einem solche unnützen Vergleiche eine Menge Motivation. Wir sollten immer mal versuchen auch mit 'normalmenschlichen Musikern' zusammen zu spielen, um diese Perpektive ins rechte Licht zu rücken.

Ähnlich ging es mir auf der Session. Meine Motivation war schon nahe dem Nullpunkt und ich hatte keine rechte Lust da überhaupt meine Gitarre mitzubringen, damit keiner merkt wie schlecht ich bin. Aber spätestens dort habe ich bemerkt, daß ich gar nicht mal so schlecht bin, wie ich immer denke. Die durchschnittlichen Musiker bestehen eben nicht aus Ausnahmemusikern wie Joe Satriani, Steve Vai, John Petrucci und Paul Gilbert (um mal alle wichtigen Ibanez-Endorser zu nennen :-)), sondern aus ganz einfachen Menschen, die auch Montagmorgens wieder zur Arbeit müssen (oder in den Chat..).

Ergo: Ohren steif halten, nicht mit den Profis anlegen, es sei denn, man ist selber einer!
Und: Öfters mal mit normalen Menschen zusammenspielen, um keine verzerrte Perspektive der Musikerwelt entstehen zu lassen.

Das mußte mal gesagt werden! :-)

Benjamin

Re: (Philosophie) Wann ist man einer schlechter Musiker?

Hi Benjamin!

Das ist richtig. Bei der eigenen Beurteilung, wie schlecht oder wie gut ich an meinem Instrument bin, hängt sehr viel davon ab, wie groß die gesammelten Erfahrungen im Musikeraltag sind. Musiker, die nur Wohnzimmermusik machen können sich gar nicht vergleichen, mit anderen Musikern messen. Anders bei Musikern, die in mehreren Bands spielen, Auftritte absolvieren und merken wie das Können auf dem eigenen Instrument ankommt. Sie werden folglich selbsbewußter und erfahrener und was noch dazukommt, sie werden dadurch auch besser auf ihrem Instrument! Sie wirken dadurch überzeugender. Als Haus-Musiker lernt man im wesentlichen, so geht es jedenfalls mir;-), die eigenen Schwachstellen nicht dermassen kennen, da nach meiner Beurteilung etwas unkritischer ans Üben herangegangen wird (wohl bemerkt, das ich jetzt davon ausgehe, daß der Hausmusiker keine Verbindung zur Musiker-Außenwelt besitzt), wie es im Vergleich zum Können anderer Musiker, oder im Bandgefüge stattfindet, wo jeder Fehler sofort auffällt. Zudem gibt es unter Gitarristen immer tausend, die wesentlich besser sind als ich. So gesehen:

play on

Gruß
flowaro

Re: (Philosophie) Wann ist man einer schlechter Musiker?

Hi Benjamin!

Gut oder schlecht, was sind denn die passenden Kriterien?


Zum Thema "gute und schlechte Musiker" ein Beispiel aus meiner Erfahrung:

Vor ungefähr 1 ½ Jahren zog ich in die Gegend wo ich jetzt wohne und dort war ich einige Monate auf Bandsuche. Ich habe in dieser Zeit etliche Musiker kennengelernt: schlechte Musiker, die sich für gut halten (harmlos, weil schnell zu erkennen), gute Musiker, die ihr Licht unter den Scheffel stellen (auch mit denen kommt man klar) und sehr gute Musiker, die sich für brilliant halten (gefährlich). Bei einer Band, wo ich ungefähr 3 Proben mitmachte, habe ich in dieser Beziehung sehr viel gelernt.

Es fing damit an, daß ich eine Anzeige aufsetzte. Ich hab mich da selbst als Hobbymusiker mit durchschnittlicher Band-Erfahrung klassifiziert - also für jeden erkennbar, was er ungefähr erwarten kann. Es meldete sich unter anderem ein Jazz-Gitarrist, der hier in der Gegend recht bekannt ist. Ein Profi, der von der Musik lebt (im wesentlichen vom Unterrichten, wie ich heute weiß). Er suchte für sein Trio einen Bassisten. Die Profi-Bassisten aus der Gegend hätte er schon alle - mit schlechten Erfahrungen - so ziemlich durch. Er hätte lieber einen versierten Ammateur. Der wäre vielleicht nicht ganz so top, aber so jemand würde nicht zuerst nach der Gage fragen und hätte noch richtig Bock auf Musik. Ich bin dann mal hin. Der Gitarrist und der Drummer waren wirklich Sahne. Super-Musiker. Eine andere Liga, und das sagte ich dann auch gleich. Der Gitarrist meinte dann, ich solle mir darum keine Sorgen machen, wir bekämen das schon hin.

Nach drei Proben hatte ich allerdings von den Sahne-Musikern genug, und zwar aus folgenden Gründen:

- während der 4-stündigen Proben wurde im Durschnitt eine Stunde musiziert. Während der restlichen Zeit tauschten die beiden Erfahrungen darüber aus, was sie in der Vergangenheit für tolle Bands hatten, mit wem sie schon gespielt haben und wer von Rang und Namen sie alles schon in seiner Band haben wollte

- ein Stück zu proben lief so ab, daß ich ein Lead-Sheet bekam, das mit "altb13#5sus2..."-Akkorden vollgeschrieben war. Es wurde sofort losgespielt und nach einigen Takten kam Stop, jeweils mit mitleidigen Blicken und Anmerkungen in der Art "Du kennst ja nicht mal die Modes...."

- man hatte ständig das Gefühl, daß es nicht darum ging gute Musik zu machen, sondern darum herauszustellen, was man alles auf der Pfanne hat. Die Musik war reine Nebensache.


Merkwürdigerweise wurde ich trotz meiner drittklassigen Vorstellungen weiter zu den Proben eingeladen. Aber nach der dritten kamen wir zu dem Ergebnis, daß es keinen Zweck hat.

Kurze Zeit später fand ich die Band, wo ich jetzt mitspiele. Leute mit ganz durchschnittlichem Können, also weitaus "schlechtere" Musiker als meine beiden Jazzer. Dafür Leute die das Gefühl vermittelt haben, daß sie die Musik mögen, die sie spielen und daß sie sich darüber freuen, daß ich mitmache. Mit dieser Band trete ich regelmäßig auf, während man hier in der Gegend von der um einige Klassen besseren Band dieses Gitarristen nichts hört.

Und jetzt komme ich endlich wieder zum Punkt. Was ist ein guter bzw. schlechter Musiker. Auf seinem Instrument was zu können ist nicht ganz nebensächlich. Es ist aber nur ein Teil davon, was einen guten Musiker ausmacht. Auch jemand, der in seinen technischen Möglichkeiten beschränkt ist kann gute Musik machen vom Publikum geschätzt werden. Wenn man sich auf die Musik selbst konzentriert, haut es schon hin.

Habe fertig
Bernd

Re: (Philosophie) Wann ist man einer schlechter Musiker?

Warum ist es eigentlich so wesentlich, 'gut' oder 'schlecht' zu sein? Wozu dient diese Unterscheidung eigentlich? Warum können wir nicht einfach hinnehmen, dass wir so sind, wie wir sind?

Ich will jetzt gar keine tiefenpsychologische Betrachtung starten, aber ich habe mich auch selbst oft genug gefragt, warum ich das, was ist, nicht einfach so akzeptieren kann. Und stellt man dann fest, dass andere ein viel positiveres Bild von einem haben als man selbst, schiebt man das dann noch unter den Tepppich oder unterstellt andere Absichten.

Und Bernd's Erfahrungen kann ich auch teilen. Entweder waren es Stümper, die sich für grossartig hielten, oder Übermenschen, die eine biologische 4track-Maschine suchten.

Re: (Philosophie) Wann ist man einer schlechter Musiker?

Eben.... und was sagen die Worte "gut" und "schlecht" denn aus... ist es nicht gut, eine solide RHythmusgitarre spielen zu koennen ( die groovt ) und schoene Melodien, oder muss man um Satriani Kreise spielen koennen um als "gut" zu gelten.
Diese ganzen Unterteilungen finde ich heute hirnrissig, obwohl ich damals genau in diesem Wettbewerb drin war. Und wer sagt denn, was ut oder schlecht ist... die Jazzpolizei in der dritten Reihe ? Die frustrierten, die gerne so gut spielen wollen wie der Typ auf der Buehne und trotzdem ausser "Ganz ok, der Typ" kein Wort herausbringen ?

Ein wenig Selbstvertrauen kann manchmal hilfreich sein... wenn ich so sehe, wie ich damals anderen Leuten Demotapes gegeben hab, oder wenn ich mal einen vorspielen wollte... immer nach dem Motto "Gut, ich spiel jetzt, aber ich biun nicht aufgewaermt...oder ich hab gerade persoenliche Probleme.... oder NORMALERWEISE KANN ICH ES BESSER, ALSO ERWARTE NICHT ZUVIEL !!!"
Wenn ich jemandem ein Demotape in die Hand gedrueckt oder vorgespielt hab, hab ich vorher SOFORt dazugesagt "Wir sind eigentlich besser, die Aufnahem ist schlecht, oder wir waren nicht eingespielt" oder was auch immer, und hab gar nicht gemerkt dass das die Erwartungen und das Urteil des Zuhoerers schon ganz vn Anfang an negativ beeinflusste... und wer hat diese Sprueche denn noch nie gehoert oder sleber angewendet ?????
Ein wenig Selbstvertrauen ist also wichtig, man muss ja nicht gleich wie der Hahn auf dem Misthaufen aufkreuzen und angeben was das Zeug haelt.
Ich hatte mal ein aehnliches problem wie Benjamin...wenn ich auf die Buehne sollte, oder zu einer Jamsession eingeladen war hab ich mich erst gefreut und dann kamen die Zweifel..."Da kann ich doch nich aufkreuzen... so gut bin ich nicht...ich sag ab oder so"... und dadurch hab ich mir, wenn ich dann doch gegangen bin, die laune und das eigene Spiel fuer den Abend versaut. Nach ein paar Minuten dachte ich mir dann "Ey, so uebel bin ja gar nicht, oder zumindest faellt es gar nicht auf !"
Sicher sollte man es nicht uebertreiben, wer mit 2 Jahren Spielerfahrung als neuer Gitarrist bei Whitesnake zur Audition kommt uebertreibt, aber man sollte, neben dem Wunsch sich selbst weiterzuentwickeln und immer weiter an seinem Spiel zu arbeiten, auch den Gedanken im Kopf behalten, dass man zumeist so uebel gar nicht ist.
Ansonsten verpasst man zuviele Chancen und traut sich vielleicht nie auf die Buehne...
Eric

Re: (Philosophie) Wann ist man einer schlechter Musiker?

Sehr richtig!
Hausmusik ist zwar gut und schön, aber so richtig Spaß machts doch erst, wenn man mit anderen Leuten Musik macht. Und wenn ich erst drei Akkorde kann, muß ich halt eine Punkband gründen. Aber so ein Auftritt ist doch immer noch besser als Drogen nehmen (zumindest als die, die ich so ausprobiert habe ;-)
Ich finde immer, es kommt drauf an, das Können, das ich habe, geschmackvoll einzusetzen.

Johannes