(Philosophie) "the star spangled banner" (Hendrix) Versuch einer Analyse


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Beitrag von wilhelm vom Dezember 14. 2003 um 01:33:15:

Hallo,

meiner Kenntnis nach spielten damals diverse US-Fernsehsender zum Sendeschluß die amerikanische Nationalhymne.
Optisch untermalt wurde dies durch Filmsequenzen in denen regelmäßig die neuesten techn. Kriegsgeräte in Aktion gezeigt wurden.
Das alles zusammen stellte sich dann als eine Art martialischer, heroischer, patriotischer Inszenierung dar; so wollten gewisse Kreise US-Amerika gerne sehen, bzw. darstellen.

Dies entlarvte Hendrix mit seiner Woodstock-Darbietung, indem er quasi in der "Verpackung" der Nationalhymne eine Geschichte erzählte, dabei eine (ganz andere) Realität offenlegte, wonach sich die Hymne nicht mehr als "Lobgesang" im Hinblick auf die Ideale, die sie eigentlich assoziieren soll, sondern als reine Heuchelei darstellen mußte.

Er spielte die Hymne an, führte dann quasi akustisch die Kriegsgeräte vor, wie im TV-Spot, leitete aber dann über, im Gegensatz zum TV-Spot, in die Darstellung des Leides, das diese Waffen auslösen.
Das Heulen von Raketen, Granaten, Geschossen und das angst- und leidvolle Stöhnen und Schreien der Opfer jener Waffen verschmolz Hendrix zu einem apokalyptischen Inferno, das die Nationalhymne, deren eigentliche Intention, zu verdrängen, erdrücken versuchte.
Weiter spielte er in einer Art "Endgesang", "Endzeit", jenes melancholische Trompentensolo an (der Namen ist mir entfallen), das beim amerikanischen Militär wohl bei Begräbnissen gefallener Soldaten gespielt wird.
Zum Abschluß kehrt Hendrix aber wieder zur Hymne zurück, als ob er damit die Hoffnung zum Ausdruck bringen wollte, daß vielleicht doch noch nicht alles verloren ist (?), und um die "Verpackung" wieder zu schließen.

Das alles würde ich als Gesellschaftskritik verstehen, die in ihrer Schärfe aber haarscharf als Verunglimpfung einer Nationalhymne und damit eines Staates hätte interpretiert werden können (ich glaube da sind die meisten Staaten ziemlich empfindlich).

Somit stand hier Hendrix wohl mit einem Bein im Gefängnis. Über Reaktionen der Presse oder Öffentlichkeit ist mir nichts bekannt.
Aus Filmauschnitten weiß ich nur, daß Dick Garret in seiner gleichnamigen Talkshow Hendrix`s Darbietung als "unorthodox" bezeichtnet hatte, worauf Hendrix aber lediglich erwiderte, das er sie nicht unorthotox sondern "schön" fände, sich hier offenbar auf eine Diskussion garnicht einlassen wollte (wie gesagt, kenne ich nur Ausschnitte der Talkshows, vielleicht wurde das Thema doch noch vertieft).

Zum Glück ordneten die Verantwortlichen bzw. Machthaber wohl seine Interpretation der Nationalhymne unter künstlerischer Freiheit ein, hatten seine scharfe Kritik wohl garnicht richtig geschnallt, hatten besagte TV-Spots schon so verinnerlicht, als normal angesehen (im waffenstrotzenden US-Amerika wohl kein Wunder), daß sie in ihrer Oberflächlichkeit wohl Hendrix`s Darbietung lediglich als Variante, vielleicht sogar als "Gag" sahen.

Hendrix war sich aber offensichtlich seiner gefährlichen Gradwanderung bewußt, er vermied nämlich auffallend, beim Spielen der Hymne irgendwelche optischen Mätzchen zu machen, er stand ganz ruhig da, wollte wohl damit der Sache eine gewisse Würde, Ernsthaftigkeit verleihen, nicht in den Verdacht geraten, die Hymne, und vor allem auch die Menschen, auch die rechtschaffenen, die respektvoll bei ihr die Hand zum Herzen führen, verhöhnen zu wollen.
Denn diese Hymne (wie andere auch) für sich gesehen, kann ja ruhig stellvertretend für Ideale stehen, dann ist ja in Ordnung, wenn man ihr mit Respekt gegenübertritt.

So gesehen, bekommt ja schon besagter TV-Spott, bei dem die Hymne durch die Waffendarbietung "zweckentfremdet" wird, einen ganz anderen "Tatch" (wie ein Werbefilm für die Waffenlobby), garnicht im Sinne des Erfinders, und stellt schon eine Zweckendfremdung, ja eine Verunglimpfung dar.

gruß, karbes


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