Re: (Philosophie) "the star spangled banner"


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Beitrag von Martin Abend vom Dezember 14. 2003 um 16:19:02:

Als Antwort zu: Re: (Philosophie) geschrieben von Patrick am Dezember 14. 2003 um 14:47:40:

: Hallo!
: Ich bin der Meinung, dass solche üppigen Interpretationen oft weit über die eigentliche Intention des Künstlers hinausgehen. In diesem Fall finde ich sie aber interessant und schlüssig. Vielleicht stimmt ja alles :).

Hallo Patrick,

ich kann nicht verstehen, wieso es immer noch Leute interessiert, "was der Künstler damit sagen wollte". Wer einen Text (hier mal strukturalistisch verstanden als jegliche kulturell relevante Äusserung) liefert, hat damit meiner Auffassung nach jeglichen Anspruch auf Deutungshoheit an der Kasse abgegeben. Das war doch die grosse Leistung des Poststrukturalismus, die Textinterpretation in jeglicher Hinsicht zu öffnen und so eben neue Sinnhorizonte an zwei Fronten zu liefern: Zum eine zu Fragen, was ein (künstlerischer) Text mir zu einer bestimmten Fragestellung sagen kann, aber auch: Was kann mir eine bestimmte Fragestellung zu einem Text sagen? Wunderbar exerziert wird das z.B. von Slavoj Zizek, der sich Hitchcock-Filmen mit den Mitteln der Lacan'schen Psychoanalyse nähert, bzw. genau andersrum. Natürlich gibt es Grenzen der Interpretation (siehe das gleichnamige Buch von Umberto Eco), aber die fangen m.E. da an, wo sich Modelle nicht mehr in zureichender Weise am Text festmachen lassen können (was natürlich immer im Einzelfall zu verhandeln ist). Es geht aber auch darüber hinaus: Klaus Theweleit hat im Buch der Könige z.B. den Orpheus und Eurydike-Mythos als Blaupause u.a. zur Untersuchung von Ehen diverser bekannter Leute benutzt und ziemlich interessante Erkenntnisse gewonnen. Ein Mythos ist natürlich ein Sonderfall von kultureller Äusserung, aber ich denke: Wenn's irgendeinen Erkenntnisgewinn bringt, dann ist jedwede Interpretation erlaubt. Ob man das kann Nachvollziehen kann oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. :)

Ich finde die Hendrix-Interpretation auch sehr interessant, auch, weil ich mich noch nie damit beschäftigt habe. Ein paar Parallelen sehe ich zur Tour von Neil Young während des ersten Golfkrieges, bei der er in der Mitte des Konzertes Kriegsgeräusche von Band laufen liess, und dann mehrstimmig "How many roads" sang - eine ziemlich pathetische Angelegenheit, aber auch ein gutes Beispiel dafür, wie man sich auch mit künstlerischen Mitteln effektiv äussern kann, hier in dem Sinne: O.k., dann müssen wir eben nochmal ganz von vorne anfangen, wenn's sein muss bei dem abgenudeltesten Protestsong, den man sich vorstellen kann. Ich halte das für "ehrlicher" als sich hinzustellen und sagen, Bush ist ein Arschloch. Das empfinde ich als Instrumentalisierung der eigenen Populariät und ist nicht weit entfernt vom nächsten Pepsi-Werbevertrag. Natürlich sollen sich Künstler politisch äussern können, aber wenns nicht weiter reicht als zu billigem Popularismus ist das schon ein ziemliches Armutszeugnis.

maddin


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