Re: (Off topic) Wie motiviere ich mein Kind zum Lernen?


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Beitrag von ferdi vom März 12. 2007 um 23:24:33:

Als Antwort zu: (Off topic) Wie motiviere ich mein Kind zum Lernen? geschrieben von falk am März 12. 2007 um 12:52:48:

Hallo Falk,

ein vielfach übersehenes Detail in der Erziehung - und ich spreche da jetzt als jemand, der mit der Erziehung von 10-19-jährigen sein Geld verdient, ist für mich das hier:

Stufen der Entwicklung des moralischen Urteils nach Lawrence Kohlberg

Ebene 1: Präkonventionelle Moral

1. Stufe: Fremdbestimmte Moral, Egozentrismus; Lust-Schmerz-Orientierung: Vermeiden von Strafe

Es ist rechtens, Regeln einzuhalten, deren Übertretung mit Strafe sanktioniert wird. Gehorsam als Selbstwert. Personen oder Sachen keinen Schaden zuzufügen. Moralisches Handeln um Bestrafung durch Autoritäten zu vermeiden

2. Stufe: Individualismus, naiver Hedonismus; Kosten-Nutzen-Orientierung, Belohnung und Strafe

Ebene 2: Konventionelle Moral

3. Stufe: Beziehungen, Konformität mit anderen; Braves-Kind-Orientierung, Anerkennung gewinnen

4. Stufe: Soziales System und Gewissen; Recht-und-Ordnung-Orientierung, Regeln befolgen

Ebene 3: Postkonventionelle Moral

5. Stufe: Sozialer Kontrakt; Einsatz für die Gemeinschaft, Gesetze sind nicht "absolut"

6. Stufe: Universelle ethische Prinzipien; Vernunft und Moral, Gleichberechtigung aller Menschen


Dieses Stufenmodell beschreibt die kognitive Entwicklung, nicht jedoch zwangsläufig die emotionale oder die Entwicklung des Handelns. Wissen wird nicht unbedingt in Handeln umgesetzt. Nach Kohlberg ist es nicht möglich Stufen zu überspringen oder auszulassen. Niemand kann eine moralische Stufe überhaupt nur als sinnvoll erfassen, die um mehr als eine Stufe höher liegt als die, die man gerade erreicht hat. Mit 16 Jahren sind die meisten Menschen heute auf Stufe 4 angelangt, etwa 25 Prozent erreichen im Laufe ihres Lebens die Stufe 5. Was höhere Stufen laut Kohlberg attraktiv macht, ist, dass sie es ermöglichen, verzwickte ethische Probleme erfolgreicher zu lösen.


Man muss seinen Erziehungsstil individuell an den Heranwachsenden und seine jeweilige Kohlberg'sche Stufe anpassen. Wenn die Kosten/Nutzung-Schiene funktioniert, gut. Dann braucht man einem Kind nicht mit höheren Zielen, Karriereaussichten usw zu kommen - wäre Firlefanz. Hat sich ein Kind jedoch erstmal über dieses Schema hinausentwickelt, wird man es nie wieder so richtig mit Belohnungen ködern können.


Wenn für jedes Kind in der Erziehung dieselben Regeln gelten, hat das weniger mit Gerechtigkeit zu tun als mit Ökonomie. Ich sehe nicht ein, warum ich Kind A genauso behandeln soll wie Kind B, es sei denn in dem Grad, in dem Kind A IST wie Kind B. Ich versuche, jedes Kind individuell zu behandeln. Du tust das auch. Solange es funktioniert, bleibe dabei.

Wir Pädagogen unterscheiden drei Arten des Lernes, die sich mit den Kohlberg'schen Stufen parallelisieren lassen:

1. Lernen aus Erfahrung

2. Lernen am Modell

3. Lernen aus Einsicht

Die vierte Art des Lernens ist nur für den internen pädagogischen Gebrauch.


Hier mein Lieblingszitat von Rousseau, dem wir die antiautoritäre Erziehung zu verdanken haben:

"Unerwünschtes Verhalten muss man nicht verbieten, sondern verhindern."

Für die Kids ist ihr Leben vor allem erstmal normal. Sie hinterfragen das, was geschieht, erstmal nicht (von einer Meta-Ebene aus oder so). Wenn sie erleben (=erfahren), dass ein bestimmtes Verhalten nicht geht, dann nehmen sie das hin. Rebellieren und sich auflehnen tun sie sowieso, völlig wurst, wieviel Freiheit du ihnen lässt. Wer meint, man bräuchte Kindern nur genug Freiheiten lassen, dann würden sie nicht rebellieren, der ist auf dem Holzweg.

Es ist völlig zweckfrei, sich von anderen sagen zu lassen, was richtig ist. Fachmann für dein Kind bist du.

cu, ferdi


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