Re: Trauert mit mir um ...Beitrag von Harvey vom September 19. 2000 um 08:02:51: Als Antwort zu: Re: Trauert mit mir um ... geschrieben von The stooge am September 18. 2000 um 23:09:21: : ...und die dann auch dazu führten, dass die von Hendrix repräsentierte Kultur ihre Unschuld verlor und Rockmusik zum Popbusiness verkam, das heute weitgehend Langeweile poduziert. Rückblickend war für mich sein Tod der Punkt, von dem ab es nicht mehr weiterging. Auf dem Höhepunkt - nicht unbedingt als Musiker, aber als Repräsentant des Lebensgefühls einer ganzen Generation - war er für mich in den drei Minuten, als er in Woodstock "Star Spangled Banner" spielte, die verfremdete Nationalhymne. Als ich das vor kurzem noch mal im Woodstock-Video sah, trieb es mir die Tränen in die Augen (ist auch Sentimentalität dabei). Man sieht im Film die totale Überraschung in den Gesichtern - da kam plötzlich eine "Musik" aus dem Nichts, so völlig unerwartet, die in wenigen Minuten das ausdrückte, was eine ganze Generation empfand - Trauer und Wut über den Vietnamkrieg und wohl auch das Gefühl der Ohnmacht. Da war eine meist unartikulierte Sehnsucht nach einer anderen Art zu leben, die ein Zusammengehörigkeitsgefühl erzeugte - man war sich unausgesprochenerweise darüber einig, was man NICHT wollte, und das hat er in diesem kurzen Augenblick auf den Punkt gebracht, das war nicht nur ein Ausbruch seiner begrenzten Subjektivität, da sprach er für "alle" oder doch viele. Man sieht an der Art des Applauses, wie "ergriffen" alle waren in diesem magischen Moment - das war auch später nicht mehr zu reproduzieren (Machine Gun). Und der Song kam so "beiläufig" - ein kurzer Ausbruch, dann ging´s im "normalen" Programm weiter mit Purple Haze ... Aus solchen Gründen ist er auch aus heutiger Gesicht nicht nur mit musikalischen Maßstäben zu messen. Von jüngeren Gitarristen - die mit dem Manko der späten Geburt ;-) - habe ich oft schon Kritik an seiner mangelnden Technik usw. gehört - klar, wenn man ihn mit formalen Virtuosen aus der Achtziger-Shred-Zeit vergleicht, kommt er natürlich schlecht weg, aber solche Vergleiche werden ihm überhaupt nicht gerecht, von den begrenzten technischen Voraussetzungen, unter denen er gearbeitet hat (Amps, Effekte, Aufnahmetechnik) mal ganz abgesehen. Was er gitarristisch und was seine Bühnen-Performance angeht brachte, war einfach völlig neu, das war im besten Sinne schöpferisch, nicht reproduziert. Zu Lebzeiten wurde er ja auch nicht kopiert - dazu waren die Quellen, aus denen er schöpfte, zu weit weg. Clapton spielte im Prinzip wie seine Blues-Vorbilder, nur lauter, wilder, mit anderem Sound, und wurde damit schon zum Idol ("Claption Is God"), aber das hier war dagegen von einem anderen Stern. Und das spiegelt sich auch in den Aussagen der Rock-Prominenz jener Tage - die waren alle völlig baff, weil man bei Jimi nie wußte, was als nächstes kommen würde - und fühlten sich ihm gegenüber regelrecht unterlegen. Den "Punkt, ab dem es nicht mwhr weiterging", würde ich auch etwa in der Zeit seines Todes ansiedeln - da wurde der Rock zum Pop.
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