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Re: (Philosophie) Neil Young - Greendale

Also, eins vorweg: Ich bin grosser NY-Fan. Ich habe (fast) alles von ihm und jede neue CD wird mit viel rumgezappel erwartet. Aber er macht es mir nicht einfach. Ist ja auch was, das ich an ihm mag.

"Silver & Gold" hat mir sehr gut gefallen, seit langem mal wieder. Dann: "Are you passionate?". Ein Alptraum. So richtig scheisse, fing schon beim cover an. Da denke ich, naja, nächste halt. "Greendale".

Es gab schon eine Tour, bei der er die Songs rund um ein imaginäres Dorf zusammen mit einer, hüstel, Laienschauspieltruppe, bestehend aus Kumpels und Verwandten, theatralisch umgesetzt hat. Habe ich nicht gesehen, vorstellen will ich's mir auch nicht. Jetzt kam endlich die CD auf den Markt.

Ich kann musikalisch einiges ab. Selbst einigen der merwürdigsten Sachen aus dem Youngschen Oevre kann ich interessante Aspekte abgewinnen ("Trans", "re ac tor"), aber hier bin ich leider am absoluten Ende meiner Geduld. Und fühle mich verarscht. Das tue ich meistens, wenn mir jemand was verkaufen will, in das er keine Mühe investiert hat, und ich kann mir nicht anders erklären, wie man sonst so eine uninspirierte, zähe und zudem noch beschissen abgemischte Scheisse abliefern kann.

Die Story ist... naja, nicht sonderlich gut. Auch nicht gut erzählt. Die Songs haben kaum hooks, mäandern durch Bluesschemata, die man, ahem, durchaus schonmal gehört hat. Dieser hinterm Schlagzeug sitzende Hilfsarbeiter von Crazy Horse dilettiert alles in Grund und Boden wie zu seinen schlechtesten Zeiten (z.B.WELD). Der Gesang klingt wie unkomprimiert im Proberaum aufgenommen. Die Soli, die sich ja sonst gerne zwischen genial und total beknackt eine völlig eigene und gern adaptierte Ästhetik geschaffen haben, klingen fast wie absichtlich scheisse hingerotzt.

WAS SOLL DAS? KANN MIR DAS IRGENDJEMAND MAL ERKLÄREN? Hallo? In diversen Interviews meinte der Meester, dass er die Songs morgens auf dem Weg is's Studio geschrieben hat. Aha. Das Genie wirds schon richten? Ich kann's echt nicht fassen. Auf Radio Eins ist das die CD der Woche. Der ME ringt sich mühsam 3 Sterne ab, es gibt aber auch viele schlechte Kritiken.

Irgendjemand eine Meinung?

MAddin

Re: (Philosophie) Neil Young - Greendale

Hi Maddin,

immerhin hast Du die Geduld gehabt, "Meister" NY bis hier zu verfolgen. Ich bin schon vor geraumer Zeit abgesprungen und behalte die Perlen in meiner Erinnerung.

Sorry, aber ich kann mit all den etwas aktuelleren VÖs von ihm nix anfangen. Selbst für "Silver & Gold" hab ich mich nicht mehr interessiert; für mich war das Thema schon vorher durch. Vielleicht ist es nicht fair, weil ich vieles nicht kenne; aber ich mag es auch gar nicht kennen.

Gute Nacht
burke

Re: (Philosophie) Neil Young - Greendale

Moin Martin!

Mach Dir nix draus. Über Geschmack wird man bekanntlich nicht ernsthaft streiten wollen.
Aber...
Mir ist es selber ziemlich egal, ob ein Künstler gut singen, Gitarre spielen, malen oder Bildhauern kann. Könnte Dylan im herkömmlichen Sinne wirklich gut singen, würde sich um ihn keiner scheren, wäre Young nicht ständig aus der Rolle gefallen, würde ihn keiner mehr kennen, hätte Giacometti seine Figuren ein wenig odentlicher gestaltet, wäre er nicht auf dem 100-Franken-Schein (mal davon abgesehen, dass es ihm sicher egal wäre), hätte sich Cézanne bemüht, Proportionen einzuhalten, würden seine Bilder nicht funktionieren.
Die Hauptsache ist, das Kunstwerk findet Rezipienten, zu denen es irgendwie sprechen vermag. Die Anzahl derer ist nicht entscheident.

Gruss
Micha

Findet "Greendale" deutlich besser als das Vorwerk "Are You Passionate!", auf welchem das beste Stück für meine versauten Ohren dies mörder-ätzende "Goin' Home" mit seinen „Stümper-Kumpels“ Crazy Horse ist, findet "Trans" beinahe doof, "re-ac-tor" cool und den "Ragged-Glory"-"Weld"-Komplex fast genial und die "Ragged Glory" sein bestes Machwerk, wenn ich mich den unter vorgehaltener Pistole entscheiden müsste. *g*
Ist glücklicherweise alles subjektiv, ein jeder hat seine eigenen Resonanzkammern.
(Ausserdem ist Greendale herrlich lang - da knurre ich eher über Dwight Yoghurts neue Kürze, Population:Me, 32 Minuten.)

Re: (Philosophie) Neil Young - Greendale

: Moin Martin!
:
: Mach Dir nix draus. Über Geschmack wird man bekanntlich nicht ernsthaft streiten wollen.
: Aber...
: Mir ist es selber ziemlich egal, ob ein Künstler gut singen, Gitarre spielen, malen oder Bildhauern kann. Könnte Dylan im herkömmlichen Sinne wirklich gut singen, würde sich um ihn keiner scheren, wäre Young nicht ständig aus der Rolle gefallen, würde ihn keiner mehr kennen, hätte Giacometti seine Figuren ein wenig odentlicher gestaltet, wäre er nicht auf dem 100-Franken-Schein (mal davon abgesehen, dass es ihm sicher egal wäre), hätte sich Cézanne bemüht, Proportionen einzuhalten, würden seine Bilder nicht funktionieren.
: Die Hauptsache ist, das Kunstwerk findet Rezipienten, zu denen es irgendwie sprechen vermag. Die Anzahl derer ist nicht entscheident.
:

Jain. Ich denke, man kann den Erfolg von Kunst nicht davon ableiten, wie weit man sich von irgendeiner vonwemauchimmer konstruierten Normalität entfernt. Young hat in den Augen vieler ein paar grosse Songs geschrieben, um deret willen man sich auch sonst an ihn erinnern würde, schätze ich mal.

Es ist mir auch egal, ob jemand gut singen oder gitarre spielen kann, wenn's funktioniert. Bei Young funktioniert es für mich meistens, bei dem Heini hinterm Schlagzeug seltenst.

Wie ist denn die neue DY? Ich kenne eigentlich nichts von dem und dachte, das sei eher so'n Country-Schmierlappen...


Maddin

Re: (Philosophie) Neil Young - Greendale

: Wie ist denn die neue DY? Ich kenne eigentlich nichts von dem und dachte, das sei eher so'n Country-Schmierlappen...

Canntrie stimmt, Schmierlappen nicht. Kann gut abrocken und die Texte haben's in sich (z.B. Since I started drinking again). Anspieltipp: Dwight Live.
Bei Neil ist das so'n e Sache: Für mich kam nach Rust never sleeps der absolute künstlerische und auch moralische Niedergang mit Hawks and doves, einsame Felsen in der Brandung sind danach nur Ragged Glory und Freedom, der Rest zwische Gähn (sleep with angels, Harvest Moon) oder kann man anhören (Mirror Ball, Silver & Gold). Meine Erwartungshaltung ist also schon einschlägig konditioniert und Greendale gehört eindeutig in die Gähn-Ecke.

Schöne Grüße, Mathias

:
:
: Maddin


Re: (Philosophie) Neil Young - Greendale

: Kann gut abrocken und die Texte haben's in sich (z.B. Since I started drinking again). Anspieltipp: Dwight Live.

*g* Stimmt, er lässt eher den Rebellen raushängen.

"Since I started drinkin' again
Since I started drinkin' again
I ain't shed one lousy tear over you
Since I started drinkin' again

I know that the neighbours are all a-talkin'
They swear that I have lost my mind
Ah but they do not know
That I've just gained control
Of all the heartache that you left behind

Since I started drinkin' again
Since I started drinkin' again
I ain't shed one lousy tear over you
Since I started drinkin' again

Well I know that the boss is gonna fire me
When I stumble in late to work again
But surprise will replace that old scowl on his face
When he sees that I do not give a damn

Since I started drinkin' again
Since I started drinkin' again
I ain't shed one lousy tear over you
Since I started drinkin' again

I ain't shed one lousy tear over you
Since I started drinkin'
Since I started drinkin'
Since I started drinkin' again"


Dass jüngst Lucinda Williams ihm seine langjährige Rhythm-Section geklaut hat, merkt man auf der neuen Scheibe nicht. Es geht wie gewohnt flott zur Sache.

Gruss
Micha

Die Dwight Live ist eine gute Einstiegsdroge in Sachen DY. Anschliessend seine ersten beiden Scheiben, frisch und knackig.
Hat auch immer klasse Musiker an seiner Seite. Und Pete Anderson spielt auf allen Produktionen Gitarre und produziert.

Re: (Philosophie) Neil Young - Greendale

habe gestern mal in die population: me reingehört, und fand das ein bischen sehr nashville-mainstreamig, natürlich noch lichtjahre besser als den amerikanischen tom astor, garth brooks... irgendwie ist mir Rosie Flores da näher, aber die hat ja auch mehr so einen rockenroll-ansatz...

maddin

NP: Neil Young - on the beach (wer so eine platte macht, kann eigentlich für den rest seines lebens nur noch grütze machen...>eigentlich< :)

Re: (Philosophie) Neil Young - Greendale

: on the beach (wer so eine platte macht, kann eigentlich für den rest seines lebens nur noch grütze machen...>eigentlich< :)

Kann oder darf? :-)
Wenn einer meiner beiden Filiusse mal etwas ganz besonderes hat kucken lassen, sag ich mir oft: okay, dafür darf er mal wieder ordentlich Bockmist verzapfen. Zerzapft er den, hab ich meinen Gedanken freilich wieder vergessen. :-))

Gruss
Micha

Die "On The Beach" ist eine wirklich ausserordentliche Platte. Hab sie zusammen mit der "American Stars 'n' Bars" auf eine CD gepackt (wie schon auf einem Bootleg geschen). Passen ganz gut zusammen, obwohl die OTB in sich geschlossener ist. (Ich mag auch besonders den frühen Sound des NY: Everybody Knows This Is Nowhere, Tonight's The Night, On The Beach, Zuma. Da war öfter auch mal eine Gretsch am Start.)




Neil Young - Greendale: Meisterwerk

Ein Meisterwerk! So das Fazit einer FAZ-Rezension vom 23.08.

Dem habe ich fast nichts hinzuzufügen. Bin Neil Young Fan der zweiten Stunde (ZUMA war die Einstiegsdroge), hatte mich mit Re ac tor ausgeklinkt um dann wieder mit Freedom einzusteigen. Seit Freedom halte ich nur Broken Arrow für einen Totalausfall, Sleep with Angels ragt heraus, Silver & Gold und Unplugged sind halt einfach ein süßes Muß, auch wenn man sich vielleicht ein bißchen dafür schämt.
Are you passionate ist sicher nur halb gelungen, aber zumindest enthielt sie wieder einige neue Aspekte im Schaffen des Meisters. Ich habe diese "Club der einsamen Herzen"-Atmosphäre in einigen Liedern belustigt goutiert (über Let's Roll braucht man nicht zu diskutieren dafür ist Goin' Home so ein richtig schöner hymnischer Kracher). Überhaupt empfiehlt es sich die N.Y. Werke mit ein wenig ironischer Distanz wahrzunehmen. Er denkt halt nicht allzuviel nach, bevor er seine Kunstwerke schafft, und so entsteht halt immer wieder mal, sowohl bezüglich der Aussagen als auch der musikalischen Form, ziemlicher Schrott. Aber was wiegt das gegenüber der Unmenge an genialen Stücken?
Und die Spontaneität im Schaffen führt halt auch dazu, dass die Werke oft ein bißchen roh und unfertig sind, N.Y. skizziert mehr die Dinge, um dann schnell weiterzuziehen, als dass er sie ins letzte Detail ausarbeitet.

Nach dem wie gesagt etwas zwiespältigen Vergnügen mit Are you passionate? finde ich Greendale absolut großartig. Durchaus simpel, durchaus handwerklich miserabel (der Schießbudenbediener gehörte eigentlich endgültig in die Wüste geschickt, aber wir haltens doch schon so lange mit ihm aus), vor vereinfachter Moral triefend, gibt es doch die eingängigen Melodien und Riffs kombiniert mit Young mehrstimmigem Gesang, die mich seit Tagen nicht loslassen. Grandpa's Interview: Knapp 13 Minuten lang, in denen nicht viel passiert und doch könnte es für mich auch 26, 39, ... Minuten lang sein und ich hätte es immer noch nicht satt. Es ist einfach ein legitimer Nachfolger des Ambulance Blues (wenn auch in anderer musikalischer Besetzung) vom dieser Tage im Vergleich mit Greendale so hochgelobten On the Beach.
Auch finde ich, dass die Lieder im Vergleich mit dem akustischen Konzert eher noch an Kontur gewonnen habe.
In jedem Fall ist es für einen N.Y. Fan eine Freude zu sehen, mit welchem Vergnügen der Alte sich in dieses Projekt stürzt. Diese Mitteilungsfreude in den Konzerten, die man im Booklet zur CD nachvollziehen kann, dieses (kindhafte?) Hineinsteigern in das Schaffen einer eigenen kleinen Welt ... hinreißend! Und gerade in den Zwischentexten findet man auch die Zweifel des Autors an den plakativen politischen Aussagen seiner Akteure.

You're all just pissin' in the wind
Niels

Re: Neil Young - Greendale: Meisterwerk - jenau!

Hi Nils!

Amen. Kein Wiederspruch nicht. :-) Im Gegenteil - prima formuliert.
Bei Senil Young muss man zwischendurch auch mal nachsichtig grinsen können und sollte nicht gleich die Flinte ins Korn werfen.

: You're all just pissin' in the wind

*ggg* Klar doch - nur niemand gibts zu. :-)

Gruss
Micha

NP: Debussy - La Mer.

(Vielleicht hat Martin sich die Scheibe ja bereits GEKAUFT (*g*) und noch nicht laut und oft genug hören können. Ich find den Mix klasse. So hört es sich nun mal an, wenn ich in meinem Haus Holz hacken würde. - Übrigens - wäre der Schiessbudeninhaber wirklich gut, fiele er aus dem Rahmen. *g*)


Re: Neil Young - Greendale: Meisterwerk - jenau!

Hi Rainer,

so spät noch eine Reaktion, schön!

Neil ist trotz sichtbar fortgeschrittenen Alters sicher eher infantil als senil. Und ich stehe auch zu meinen infantilen Momenten. Denke mal es war mein Abschiedsgruß, der zu dieser Einschätzung geführt hat. Der Papa hat's nich so gemeint, aber das ständige "keep on rockin'" is doch nicht mehr soooo orginell.
Hatte mich halt gerade mal wieder in den Ambulance Blues verliebt, in dem Neil sich neben Nixon auch seiner Kritiker annimmt, die nicht verstehen konnten, dass er nicht weiter so schöne Songs wie auf Harvest zum Vortrag brachte. Und so mußte dieses Zitat dann einfach sein.

Selbstverständlich kann jeder seine Meinung über Neil Young haben (die Kritikpunkte kann man objektiv ja kaum widerlegen), ich habe schon lange gelernt mit meiner Hingabe auf einsamem Posten zu stehen.
Übrigens liebe ich Greendale auch nach weiterem zigfachem Hören.

Keep on rockin'

...in the free world
Niels