(Amps) Runter vom PODest - Hin zur echten Röhre - Auf dem Weg zum Grundsound Pt 1


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Beitrag von Friedlieb vom Januar 03. 2003 um 19:16:39:

Ja hallo erst mal,

also hierum gehts:



Und es ist ja so, ich schulde Euch allen mehr Dank als Ihr es Euch vorstellen könnt.

Und da ich einen sehr spannenden Aufbruch in neue Gefilde vor habe, dachte ich mir, es ist meine verdammte Pflicht, Euch dran teilhaben zu lassen. Heute also der erste Akt "Auf dem Weg zum Grundsound". Man kann das auch als einen etwas ausführlicheren Amp-Test ansehen, wenn man mag.

Da hatte ich ja nur ganz kurz vor der Übergabe des Reu-o-Grande Amps so schön im Forum über Grundsound fabuliert, von wegen es braucht eigentlich keine Effekte, wenn selbiger erst mal steht. Und dann kam der Amp, den man, hätte er nicht mit "Reu-o-Grande" oder "Spider" schon zwei gute Namen, geradezu "Grundsound" nennen müßte.

Und jetzt muß ich mich plötzlich an meinen Sprüchen messen lassen, jetzt soll ich es plötzlich nur mit "Grundsound" reißen. Kein Verstecken mehr hinter wabernden Chorus-Simulationen und wehenden Hall-Fahnen, nur die Gitarre, ein Kabel, ein Amp (remember, Burke?). Nun gut, ich nehme die Herausforderung an.

Also, ich mach das wirklich jetzt erst mal ne Weile, keine Effekte, nix vor die Füße, nur Gitarre und Amp, mal sehn, wie weit ich damit komme. Unterwegs werde ich regelmäßig hier berichten.


Zum Amp

Herr Reußenzehn gilt ja zu Recht als Verfechter des Purismus. Und so hat der Spider Top dann nun auch keine "normale" Klangregelung.

Denn jene wird bei Röhrenschaltungen üblicherweise passiv ausgelegt, das heißt, das Signal wird irgendwie reduziert, je nach Regler halt an Bässen, Mitten oder Höhen beschnitten. Dabei verliert das Signal viel von seiner ursprünglichen Kraft und muß danach erst mal wieder aufgepäppelt werden. Bei der Gelegenheit wird dann auch gleich Rauschen erzeugt. Deshalb haben die Reußenzehn-Amps keine solche Klangregelung und verhalten sich so wie andere Amps mit voll aufgedrehten Bässen, Mitten und Höhen.

Stattdessen gibt es einen Poti, der eine stufenlose Überblendung von "tendenziell eher Fender-Schaltung" hin zu "eher wie ein Marshall-Amp" ermöglicht, sowie einen Presence-Regler, der irgendwie noch zusätzliche Höhen auf die Endstufe koppelt. Beide Regler scheinen beim ersten, zweiten und dritten Test nur sehr subtil zu wirken, vor allem bei geringen Laufstärken. Nach längerer Beschäftigung merkt man aber, daß zwischen den einzelnen Positionen auch dieser Regler Welten liegen.

Der Amp hat einen eingebauten Power Soak, der in der 25-Watt-Stellung des 25-50-100-Schalters aktiv wird, und dann komprimiert es fein, dann geht auch so richtig highes HiGain.

Bei Pre auf kurz nach halb und Master auf 1/3 hat man einen tollen Crunch-Ton. Bei Pre auf 3/4 zerrt es geil zum Heulen. Pre weiter auf ist nicht mehr meine Welt. Bei Pre auf kurz vor halb und Master auf halb hat man einen superfetten AC/DC Punch, da kommt halt die Endstufe so langsam in die Sättigung und Endstufen-Zerre klingt ja sowas von klasse. Bei Master auf mehr als halb sponsort der Hörgeräteakustiker jede weitere Bogensekunde Poti-Drehung, könnte ich mir vorstellen. Hab ich noch nicht gebraucht.


Gitarren

All das gilt jetzt mal für ne Paula, bei der Tele zerrt es was weniger. Pepe hatte mich ja am Freitag vor zwei Wochen mit dem Problem konfrontiert, mal einen richtig cleanen Ton zu erzeugen, was mir mit Guidos Les Paul nicht so recht gelingen wollte. Mit der Tele geht das problemlos auch in superclean. Dieser Amp ist sehrsehr pur, er scheint sehr großen Respekt vor dem Eingangssignal zu haben und läßt eine Tele definitiv wie eine Tele klingen und eine Paula wie eine Paula. Dabei hat er eine unglaubliche Dynamik, ich kann zB mit der Tele ohne was am Amp oder der Gitarre zu ändern nur durch veränderten Anschlag ganz clean oder auch rotzig twanging brüllend verzerrt spielen. Und das mit einem Wahnsinns-Druck beim Draufhauen. :-)

Der eine oder andere mag sich noch jenes Posting von Claus Bux erinnern. Das Forum war noch jung, keine 4000 Beiträge alt, ist schon ne Weile her. Ich hatte sinngemäß geschrieben, daß der POD nicht so gut geeignet ist, um Gitarren zu testen, weil er sie alle relativ ähnlich klingen läßt. Claus Bux schreib daraufhin die Transparenz/Dynamik/Authentizität geht verloren, was ich natürlich nur unter Einschränkungen gelten lassen konnte. Inzwischen kann ich das fast uneingeschränkt hinnehmen. Um das eine ganz klar zu sagen: mein POD ist keinen Deut schlechter geworden seit vorletztem Freitag. Aber die Relationen haben sich verändert. Tja Claus, Dein Hähä, jetzt hab ich Dich. war was verfrüht, aber jetzt, fast 3 Jahre später, könnte es hinkommen. :-) Übrigens ist der ganze Thread lesenswert.


Was fehlt

Was natürlich jetzt nicht mehr geht, das sind diese ganzen "unechten" Dinge, nämlich zB mit ner Les Paul glockenhelle Töne zu spielen oder mit ner Singlecoil-Strat einen wuchtigen Metallica-Growl.

Ich weine meinem auf Fußdruck zu aktivierenden Stimmgerät nach und überhaupt der ganzen per Fuß steuerbaren Vielfalt. Aber ehrlicherweise muß ich sagen, daß ich die Möglichkeiten der Fußbedienung zuletzt nur noch spärlich benutzt habe. Ich hatte einen Sound, der das Maximum dessen darstellte, was mit dem POD an reussenzehnigkeit möglich war, und den hab ich überwiegend eingesetzt; vom Flooboard hab ich nur noch Wah und Volume benutzt und ab&zu mal irgendwelche Effekte hinzugenommen.

Die Effekte fehlen mir natürlich. Fehlen sie mir? Ja. Aber nicht sooo doll. Ein Effekt ist ein "Effekt", mehr nicht. Ein Effekt wirkt auf etwas, aber er ersetzt dieses Etwas nicht. Was passiert, wenn ich einen Chorus einsetze, der so geil klingt, daß eine von einem absoluten Anfänger angeschlagene leere G- und D-Saite einem eine Gänsehaut den Rücken runter jagt? Was passiert? Der Anfänger versteckt sich hinter dem Chorus, der Effekt überdeckt das Nichtkönnen. Er überdeckt aber auch das Können, denn was zum Uhu soll ich denn noch machen, wenn der Effekt schon "für sich" so wirkt?
Außerdem hab ich mal die Platten meiner Sound-Heroes ein wenig durchforscht auf Effekt-Einsatz (Dank an Jochen für die Anregung) und siehe da, kaum Effekte, und live schon mal gar nicht.

Ich werde mich also jetzt erstmal nicht mehr hinter irgendwelchen Effekten verstecken, wo der Flanger den unsauber gespielten Akkord verdeckt, das Delay einen tighten Anschlag "simuliert" und der higainisierte Hall vergessen läßt, daß ich mich in der Ausklingphase nicht mehr hinreichend um den Ton bemüht habe. Puh.

Ich schrieb ja bereits, der Amp läßt eine Tele wie eine Tele klingen und eine Paula wie eine Paula. Leider auch einen Friedlieb wie einen Friedlieb, und spätestens das bringt uns auch in Verbindung mit dem Effekte-Thema zu dem Stichwort "der Ton kommt aus den Fingern".


Der Amp ist ehrlich

Er verstärkt das, was man ihm vor die Füße wirft. Ehrlich, sauber, gnadenlos. Garbage in, garbage out. Das ist eine Herausforderung, vor allem für ne faule Sau wie mich. Ich muß schnell am Pickup-Schalter sein, das Volumenpoti blind finden und tierisch auf meinen Anschlag achten. Durch die Dynamik kann ich nicht einfach voll draufhauen, ich muß auch leise schnell und sauber spielen. Ich muß die Gitarre passend zu dem Stück aussuchen, anders als beim POD, wo man in weiten Grenzen die natürlichen Gegebenheiten eines Instruments kompensieren kann. Ich habe jetzt keine Ausrede mehr, das ist das größte Problem.

Das alles eröffnet aber auch neue Möglichkeiten, und das ist es, auf das ich mich freue. Der Amp klingt total klasse, für sich, und macht darüber hinaus genau das offenbar, was ich ihm reingebe. Das wird dazu führen, daß ich vielleicht irgendwann wirklich einen charakteristischen eigenen Sound entwickle, immer ehrlich, urtümlich, durchsetzungsfähig. Das wär's doch mal. :-)


Einsatz

Gestern abend hat der Amp einen furiosen Einstand bei seiner ersten Probe mit Band geleistet. Diese (Bewährungs-)Probe wollte ich unbedingt vor "Grundsound Pt 1" abwarten. Und jetzt hab ich schon so viel dazu geschrieben und noch kein Wort über die Probe verloren, tsss tsss.

Also, was soll ich sagen, ich hab mich gut gehört (hehe...), und ich hab den ganzen Abend lang gegrinst. Die anderen aber auch. Wir hatten einen klareren, durchsichtigeren, differenzierteren, aber auch wilderen, eigenständigeren Sound als sonst, der Spider setzt sich gut durch und ist zu diesem Behufe nicht auf "Übertönen" angewiesen. Es war wie eine Belebung für den Band-Ton, Rock'n'Roll halt.

Und die anderen wollen mitmachen auf dem Weg, haben freiwillig erklärt, daß sie mir helfen wollen und nicht nach Chorus und Delay jammern werden. :-) Ach, und Hall, das war meine Befürchtung, daß Hall fehlen könnte, Hall kommt genug über die PA, weil: Gitarre->Amp->Lautsprecher->Gesangsmikros->Pult->Hall. Davon abgesehen hab ich mir bei eBay eine HK Red Box ersteigert und die pumpt das Speaker-out-Signal des Reu direkt 4x12er-Speaker-simuliert DI-mäßig ins Pult. Klingt imho besser als mit nem SM57. Eine zusätzliche PA-Verstärkung des Spider war aber lautstärkemäßig nicht zwingend erforderlich...

Und was wieder da ist: die Singularität der Schallquelle. Beim POD kam ja der Hifi-Sound aus den PA-Lautsprechern und kam dadurch zwar in guter Qualität "von überall", aber die Ortbarkeit der Schallquelle hat mir zunehmend gefehlt, vor allem auch weil der kleine ZOOM Transen-Amp einfach nicht das rübergebracht hat, was ich brauchte und das machte mich mehr und mehr unzufrieden. Und nun ist alles gut. :-)


Ich werde weiter berichten, was noch alles so geschieht. Danke fürs Lesen.

Keep rockin'
Friedlieb


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