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(Meinung) wenn Klingeltöne mehr sind als ein Song

Hi Leutz,
da habe ich heute im Radio von einem Produzent gehört der gar keine Bands mehr produziert, sondern Klingeltöne !
Da bleiben ihm pro download bis zu 1,99 Euronen im Gegensatz zur "richtigen Band Musik" blablabla !!!
Ich sag mal meine Meinung ganz offen, jedem seinen
persöhnlichen ..g..s..m....j..a..m..m..e..r...
Mal im Ernst, es kann doch nicht angehen das sogar die Macher auf windelweich gehen.
So hätte niemand die Eurythmics jemals gehört.
OK

Re: (Meinung) wenn Klingeltöne mehr sind als ein Song

Hi.

Sind "die Macher" der "eine Produzent" von dem Du gehört hast? Und wieso geht er auf "windelweich"? Produzenten sind ja nicht per höherer Berufung die Grals-Hüter eines künstlerischen Anspruchs. Sie sind au Nachfrage angewiesen.

Es ist halt Gebrauchsmusik. Warum diesen Markt nicht bedienen? Er unterscheidet sich nicht vom Pop-Single-Business: Man braucht eine flotte, schnell erfassbare Melodie und einen tanzenden visuellen Imageträger. Das kann Britney Spears sein oder Sweety das Klingelton-Küken.

Beides erfreut schlichte Gemüter und deswegen kaufen sie es und deswegen wird es marktgerecht hergestellt.

Ich habe etwas Sorge weil es dem Stellenwert von Musik im Allgemeinen schadet, als Kulturträger, als subjektivem Ausdruck, als sinnlichem Erleben.

Aber so isset.

Da reißen Klingeltöne kein Loch ins Boot.


Gruß,
groby
*

Re: (Meinung) wenn Klingeltöne mehr sind als ein Song

: Ich habe etwas Sorge weil es dem Stellenwert von Musik im Allgemeinen schadet, als Kulturträger, als subjektivem Ausdruck, als sinnlichem Erleben.



Hallo groby!

Die Sorge teile ich. Aber ich denke, dass Schlimme ist, dass eben *auch* die Klingeltöne (und Britneys Wackelarsch) unsere Kultur widerspiegeln. Sie schaden ihr nicht, sie _sind_ unsere Kultur. Zumindest ein Teil davon.

Und das Spielchen "Klingelton als subjektiver Ausdruck individueller Persönlichkeit" ist auch schon in vollem Gange. Man muss halt nur schnell genug sein und vor den anderen den neuesten Jamba-Müll runtergeladen haben - und voila, ist man für wenigstens ein bis zwei Tage wieder mal etwas individueller als die anderen.

Sinnlich erleben muss ich den Kram dann immer im Sieben-Uhr-Bus...

Klingeltöne gehen mir ehrlich gesagt nur deshalb auf den Keks, weil Kinder und Jugendliche damit über den Tisch gezogen werden. Ansonsten ist mir die Sache herzlich egal. (Letztens lief zum Film "Jumanji" ein Lauftext durch: "Laden Sie sich das Trommeln von Jumanji als Klingelton runter" - lol, wer das macht ist selber schuld)
Schlimm finde ich persönlich dagegen diese Ballermann-Mucke a'la Willy Herren und J.Drews. Da ist armselige Musik gepaart mit armseligen Texten, gesungen von armseligen Gestalten, bejubelt von Besoffenen... Klingeltöne sind dazu doch vergleichsweise harmlos, oder?

Gruß,
Hokey

Re: (Meinung) wenn Klingeltöne mehr sind als ein Song

Hi.

Schlimm finde ich persönlich dagegen diese Ballermann-Mucke a'la Willy Herren und J.Drews. Da ist armselige Musik gepaart mit armseligen Texten, gesungen von armseligen Gestalten, bejubelt von Besoffenen...

Ich finde das eigentlich nicht so schlimm. Es ist sozusagen die prototypische Gebrauchsmusik: Sofort in Melodie erfassbar, für Partyzwecke und zum Mitpfeifen beim Bügeln beschwingt es locker und leicht das Gemüt ohne zu belasten und textlich ist es dem einfachen Zweck angemessen - nicht zuletzt da es auch im alkohol-umnebelten Zustand gesungen werden können muß.

Es hilft der Partylaune wenn der Text auch noch als besonders ausgelassen, zotig und schlüpfrig empfunden wird. Das verstärkt das Gefühl, jetzt aber ganz besonders toll ausgelassen zu sein.

Und das Spielchen "Klingelton als subjektiver Ausdruck individueller Persönlichkeit" ist auch schon in vollem Gange. Man muss halt nur schnell genug sein und vor den anderen den neuesten Jamba-Müll runtergeladen haben - und voila, ist man für wenigstens ein bis zwei Tage wieder mal etwas individueller als die anderen.

Tja, aber darin leben wir alle ein bißchen, nämlich in der leicht amerikanischen - und etwas paradoxen - Idee dass wir unsere Individualität durch einen Schnittpunkt verschiedener Markenloyalitäten und anderer sichtbar gemachter Symbole demonstrieren.

Ein zünftiger Marshall gehört halt zum Rockerbild. Man fühlt sich einer Gemeinde von Mit-Marshallern zugehörig. Die Eigenwerbung von Marshall unterstreicht diesen Gemeinschaftsaspekt: "Come join the Marshall Army". Sei ein Teil der Marshall In-Group.

Angus Young setzt ein Zeichen durch seine Marshall-Armada auf der Bühne. Die braucht er nicht alle aus klanglichen Gründen.

Anderes Beispiel: Gurte werden nicht besser durch Conchos dran. Sie wirken nur mit Conchos anders. Sie modifizieren das transportierte visuelle Image wenn ich damit auftrete.

Nun gibt es eine Gruppe die es sich zum Zeichen der Dazugehörigkeit gesetzt hat, dass man hippe Klingeltöne zu haben hat. Je hipper und aktueller der Klingelton, desto gesicherter ist die Stellung in der Gruppe.

Schade nur dass auch diese gering-innovativen, zweckkomponierten, marktgruppenzugeschnittenen Geräuschsequenzen schon als "Musik" bezeichnet werden, eine Kategorie die sonst auch Frank Zappa und Chopin mit erfasst.


Gruß,
groby
*

Re: (Meinung) wenn Klingeltöne mehr sind als ein Song

Hi groby,

: Ich finde das eigentlich nicht so schlimm. Es ist sozusagen die prototypische Gebrauchsmusik: Sofort in Melodie erfassbar, für Partyzwecke und zum Mitpfeifen beim Bügeln beschwingt es locker und leicht das Gemüt ohne zu belasten und textlich ist es dem einfachen Zweck angemessen - nicht zuletzt da es auch im alkohol-umnebelten Zustand gesungen werden können muß.

Mir gefällt an dieser Art Entertainment halt nicht, dass da wirklich jeder Hampel (siehe Willy Herren) sich zu 'nem Playback auf die Bühne stellen und zu "Coverversionen" losjodeln darf. Da fehlt für mich alles, was irgendwie mit Kunst (logischerweise nach meiner Definition) zu tun hat und Musik ist eben: Kunst.

Für mich ist das halt nix.



: Tja, aber darin leben wir alle ein bißchen, nämlich in der leicht amerikanischen - und etwas paradoxen - Idee dass wir unsere Individualität durch einen Schnittpunkt verschiedener Markenloyalitäten und anderer sichtbar gemachter Symbole demonstrieren.


Das stimmt, aus diesem Dilemma werden wir uns wohl auch nicht befreien können. Musik alleine ist ja schon so ein Symbol.


:Schade nur dass auch diese gering-innovativen, zweckkomponierten, marktgruppenzugeschnittenen Geräuschsequenzen schon als "Musik" bezeichnet werden, eine Kategorie die sonst auch Frank Zappa und Chopin mit erfasst.

Das dachte ich mir bei Techno auch. Mittlerweile finde ihn gar nicht uninteressant. Und die Musik "scheitert" bei Klingeltönen ja mehr an der Technik als an der Musik. Aus den Minipiepslautsprechern kommt halt nicht mehr raus als Gepiepse.

Bei Zappa-Klingeltönen würde wahrscheinlich auch die Handy-Software abstürzen. 5/8 Takt? Peng! ;-)

Erschreckend finde ich auch, wie innovationslos die Musiksender ihr Programm abspülen. Ich gucke wirklich schon lange keine Musiksender mehr, aber ich wette, alleine vom Durchzappen kenne ich die drei Videos, die mir dann immer wieder(!) begegnen, mittlerweile auswendig. Gibt's denn da nicht mehr als diese drei Sachen? Bei "uns" gab's doch damals mehr Videos, oder? Hab' ich da 'nen verklärten Blick in die Vergangenheit? Ups, jetzt wird's Offtopic...