Guten Morgen, lieber Sacapuntas,
: Ist es wirklich so ein Spielgefühl wie bei einem Röhrenamp? Bin immer noch skeptisch und habe noch keinen selber ausprobiert ...
"Spielgefühl wie bei einem Röhrenamp" - diese Frage umgehe ich lieber - denn zum einen besteht hier das Risiko, sich ein bisschen zu verzetteln, und zum anderen muss ich ganz ehrlich sagen: Ich spiele jetzt seit 20 Jahren Röhrenamps, und das Spielgefühl ist bei jedem anders. Es gibt (zumindest für mich) eben nicht *das* Röhren-Spielgefühl:
Mein Orange zB ist ziemlich fix und punchy; der Carvin, den ich noch habe, spricht nicht mit der gleichen Massivität an, hat dafür aber so ein nettes Quietschen obenrum und kann sich gut in Bands einfügen, und mein Peavey, der gibt einem so ein leichtes Bluesgefühl (und sagt zu jeder Strat "Ja, bitte!").
Mein Anspruch an die Axe ist aber auch ein anderer gewesen: Sie ist zumindest im Augenblick für mich kein Röhrenamp-Ersatz, sondern steht hübsch verkabelt bei mir im kleinen Studio und dient ausschließlich Aufnahmezwecken. Ich fasse sie auch kaum an, sondern editiere sie nahezu ausschließlich vom Computer aus, was problemlos möglich ist.
Für diese Aufnahmezwecke wäre das "Röhrenamp-Spielgefühl" für mich eher problematisch: Röhrenamps aufzunehmen hieß bei mir meistens, auf dem Boden rumzurutschen und die beste Mikroposition zu suchen, dann gegen das Stativ zu stoßen und sie nochmal zu suchen, um mich dann zu ärgern, dass es offenbar doch nicht die gleiche war wie vorher etc. Außerdem hatte ich immer die Boxenfrage: Meine Webers klingen zwar ab einer gewissen Lautstärke sehr schön rund, haben aber zwei verschiedene Speaker, was mich immer in schwerwiegende Positionierungszweifel gestürzt hat - dann habe ich noch eine Diezel-Box mit V30-Speakern, bei denen bestimmte Frequenzen ein wenig unter- bzw. überbetont sind, die jedoch auch bei geringeren Lautstärken einen Klang abliefern, bei dem man zumindest weiß, woran man ist. Restzweifel ("Welche nehm ich jetzt?") sind dennoch immer geblieben. Und dann kommt natürlich noch hinzu, dass Röhrenamps für die Aufnahme zumindest bei meinen Verstärkern am besten eine gewisse Lautstärke produzieren sollten, was nicht immer hausfriedensfördernd ist. Endloses Gefrickel also.
Von daher war ich also gar nicht auf der Suche nach einer bestimmten Art von Spielgefühl, sondern ich brauchte für die nun in die Mache kommende nächste jacuzzi-CD ein zuverlässiges, gut klingendes, variantenreiches, für individuelle Sounds offenes und leicht zu bedienendes Aufnahme-Tool.
Und das hab ich jetzt.
Ich genieße es, verschiedene Amps mit verschiedenen Boxen und verschiedenen Mikros auszuprobieren und die Sounds, die mir gefallen, auf meiner F-Platte abspeichern zu können. Ich hab schon ein paar echte Überraschungen erlebt, was das betrifft. Und ich kann die verschiedenen Mikros durch einfaches Klicken austauschen, was ein bisschen besser als das Herumgerutsche ist. Außerdem habe ich meine Sounds jetzt so geroutet, dass ich ein trockenes Signal auf die F-Platte schicke, aber in die Abhöre noch ein bisschen Hall oder Delay gebe, so dass ich einerseits ein gutes und lebendiges Spielgefühl habe, andererseits aber alle Sounds erst nachträglich in die jeweiligen Stücke hineinbearbeiten kann. (Das ist mir deswegen wichtig, weil ich normalerweise versuche, pro Lied nur einen Hallraum zu verwenden, und darum keine unterschiedlichen Halls für Gitarren/Gesang etc. nutzen möchte.) Das alles geht in der Axe völlig problemlos, was man u.a. daran sehen kann, dass ein Trottel wie ich das jetzt schon hingekriegt hat. Ich hab das Ding ja erst seit ein paar Tagen.
Wie es klingt? Nun ja: "lebendig, facettenreich, dreidimensional, plastisch". Der Klang ist da, und er ist da, wo er hin soll. Mehr kann ich auch nicht sagen. Irgendjemand hat ja mal gesagt, der Ton käme aus den Fingern, und das ist bei der Axe nicht anders. Sie klingt eben nur um ein Vielfaches reichhaltiger als das, was ich bislang über verschiedene PODs und den Demonizer erlebt habe. Mit "reichhaltiger" meine ich damit nicht die Anzahl der Sounds, sondern jeden Sound an sich: Die sind eben alle so "dreidimensional" oder "plastisch" (ich hab auch kein besseres Wort), dass ich das Gefühl habe, man kann den Klang anfassen.
Ich hab natürlich auch den üblichen Beginner-Test gemacht und mal versucht, meinen eigenen Amp, so wie ich ihn spiele, mit der Axe zu simulieren. In meinem Fall ist das der Rockerverb 50 von Orange, der in der Axe seit neuem ja auch als "Citrus" mit drinsteckt. Und was soll ich sagen? Die Ähnlichkeit ist so frappierend, dass man wirklich schon kichern muss. Übrigens gerade auch mit all diesen kleinen Problemchen, die der RV für mich schon immer hatte, das ist fast schon lachhaft. Das Ding klingt einfach so massiv, dass ich das Gefühl habe, ich würde in der Eifel auf der Aussensaiter-Session stehen und Matthias würde mich böse anschauen, während ich mir überlegen würde, wie ich diesem Stier von Amp das eine oder andere Ei abschneiden kann....
Aber wie gesagt: Ich bin noch am Anfang. Ich hatte auf Sessions ja schon ein paar mal probiert, über die verschiedenen Echsen zu spielen, und war dabei nicht warm geworden. Ich hatte insbesondere im unmittelbaren Vergleich mit dem (laut eingestellten) Rockerverb das Gefühl, dass die Axe ein bisschen später "zündet". Sei es Latenz oder nicht (über Millimeter wurde hier ja schon ein paar mal gesprochen): Ich muss keinen Amp verkaufen; ich will nur vernünftig aufnehmen können. Und es ist ja so, dass Andi, Friedlieb, Jochen und ich schon in der Prä-Echsen-Zeit unterschiedliche Sounds hatten und wollten, und so unwohl, wie ich mich an den Echsen gefühlt habe, hätte ich mich wahrscheinlich auch an manch einem fremden Marshall, Kitty Hawk oder Reu gefühlt. Hier gibt es natürlich allerdings einen gewichtigen Unterschied: An einem Marshall drehst du drei Knöppe und bist deinem Sound schon ein ganzes Stück näher, was an einer Axe nicht so ohne weiteres möglich ist.
Bleibt ein gewisses HiFi-Gefühl, dass ich bei einer Axe mal auf einer Session hatte: Mag sein, ist ja auch digital. Fürs Aufnehmen ist mir das möglicherweise sogar genau willkommen. Wenn wir alle irgendwann mit Echsen auf der Session rumstehen würden, wäre mir das immer noch kein willkommenes Bild, aber bei mir am Computer ist mir die Axe von allen Geräten, die ich bis jetzt kennengelernt habe, mit großem Abstand das liebste.
Gestern hatte ich übrigens Probe mit meiner neuen Lauterer Band, und in deren Ü-Raum steht jetzt der Peavey, den mir Rolli mal verkauft hat. Davor lauter keine Trampelkistchen, und es ist die reine Freude: In dem Raum ist es immer ein bisschen kühl, und wenn man sich auf den Peavey setzt, wird der Arsch warm. Er brummt ein bisschen, dann schauen die Bläser komisch, aber die schauen von Natur aus so. Manchmal knackst ein Kabel, manchmal zickt ein Netzteil, manchmal wünsche ich mir ein bisschen mehr Britzeln im Klang (das ich bei der Axe mit dem kleinen Finger herkriegen würde), aber dann denke ich mir: "Hey, es lebt und macht warm."
Alles an seinem Platz also.
Viele Grüße,
Michael