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(Gitarre) Das leidige Problem: Akustikgitarrenverstärkung - meine Wege und Irrwege

Liebe Gemeinde,

wie einige von Euch wissen, habe ich ein Faible für Gypsyjazz und die besonderen "Selmer Style" Gitarren dieses Genres.
Da ich aber meine Gypsygitarre auch für die "unplugged" Blues und Bluesrock Gigs meiner kleinen Kapelle einsetzen will stellte sich eigentlich schon von Anfang an die Frage nach der elektrischen Verstärkung.

(Mir ist klar das ist paradox. Aber ich denke Ihr wisst sicher auch, dass der Verstärkungsaufwand für "unplugged"  weitaus größer ist als für normale Gigs, sofern man nicht in einem Wohnzimmer auftritt. Am einfachsten ist nun mal eine E-Gitarre in einen Verstärker einzustecken und gut..)


Kondensator Kontaktmikro:

Mein erster Versuche dahingehend war mit einem AKG 411, einem kleinen Kontaktmikrophon (kein Piezo!), welches mit einer Art Kaugummi auf der Gitarrendecke befestigt wird.

Schon bald aber merkte ich aber, dass diese Variante für mich eher schlecht funktionierte. Der Sound ist sehr stark abhängig von der Position des Mikrophons, ich habe keine gefunden wo die Bassübertagung für mich befriedigend gewesen wäre. Ein weiterer Nachteil war für mich die fehlende Dynamik. Es war für mich im Zusammenspiel mit (leisen) Drums und zweiter Gitarre nicht möglich Rhythmus- und Solospiel nur mit der Stärke meines Anschlages zu steuern. Letztendlich habe ich dann immer voll an der  (oberen) Grenze spielen müssen, um überhaupt gehört zu werden. Filigranes und lockeres Solospiel war nicht mehr möglich.

Da das Kontaktmikrophon Phantomspeisung benötigte, konnte ich damit nicht direkt in meinen  Verstärker gehen, ich benötigte immer einen kleinen Vorverstärker. Wenn ich damit direkt ins Mischpult ging, brauchte ich dann natürlich wieder einen eigenen Monitor. Ein weiteres Problem war die Feedbackempfindlichkeit. Klar, diese Konstellation war um einiges besser als die Verstärkung über ein konventionelles Mikro, sowohl von der Rückkopplungsempfindlichkeit, als auch von der Handhabung her. Aber sonderlich weit aufdrehen war nicht drin, da die Gitarre ohnehin sehr laut ist, wirkt diese wie ein Mikro inklusive Griffgeräusche. Sehr störend war das auch in den Spielpausen oder beim Wechsel auf eine andere Gitarre, da es leider keine Möglichkeiten gibt das Mikrophon an der Gitarre in der Lautstärke zu regeln, bzw stummzuschalten.
Da ich nicht immer beim Mischpult sitzen konnte bestand mein "Workaround"  darin, in Spielpausen ein Stück Schaumstoff unter die Saiten zu klemmen, damit sich die Gitarre nicht selbständig machte.

Piezo im Steg:

Da ich also mit dieser Abnahmemöglichkeit nicht zufrieden war, habe ich mich mal unter den Profis umgesehen. Viele davon benutzen einen sogenannten "Bigtone"-Tonabnehmer. Dahinter verbirgt sich ein im (Ebenholz-)Steg der (Selmerstyle-) Gitarre verborgener Piezoaufnehmer. So habe ich mir dann in meine Gitarre einen einbauen lassen. Leider wußte ich bis dahin nicht, dass ein Bigtone nicht gleich Bigtone ist, es gibt wohl auch mehrere Hersteller. Jedenfalls habe ich einen komplett neuen Steg inklusive Piezo bekommen. Leider habe ich es nicht sofort überrissen, aber durch den neuen Steg war die Intonation der Saiten zum Teufel. In den höheren Lagen stimmten die D und G Saite nicht mehr zueinander - grausam!

Vom Sound her war's ganz okay, der Piezo-Ton war nicht ganz so aufdringlich wie bei vielen mit Piezo-tonabnehmern ausgerüsteten Flattops.  Nur die hohe E-Saite war ein ganzes Stück leiser und mir fehlte nach wie vor die Dynamik. Auch gab es keine Möglichkeit den Tonabnehmer an der Gitarre laut und leiser zu machen. Aber das Handling war deutlich einfacher wie vorher, ich benötigte nun keinen Vorverstärker mit Phantomspeisung mehr, die Gitarre lies sich jetzt ganz normal in einen hochohmigen Verstärkereingang einstöpseln.

Aber ich war alles andere als zufrieden und fühlte mich nicht wohl. Auf Konzerten spielte ich mir nach wie vor die Seele aus dem Leib, ohne dass jemand die Feinheiten meines Spiels wahrgenommen hätte. Unser anderer Gitarrist dagegen hatte mit seiner Line 6 Akustikvariax überhaupt keine Probleme und konnte mit seinem Regler direkt an der Gitarre seine Lautstärke anpassen wie er wollte.

Deshalb war ich der Sache leid und um den ganzen Problemen zu entgehen setzte ich auf den Gigs meine elektrische Halbakustik ein und war seitdem zufrieden. Nur waren wir damit noch ein Stück weiter vom ohnehin scheinheiligen "unplugged" weg, aber es gibt Schlimmeres. Meine Gypsygitarre habe ich jedenfalls wieder in den Ursprungszustand versetzen lassen. Nun intoniert sie wieder richtig ich spielte sie seitdem wieder mit Freude, allerdings "nur" akustisch zuhause.


Magnetischer Tonabnehmer:

Damit hätte das Thema gegessen sein können.. ja wenn ich nicht letzte Woche auf einem Gypsyjazzfestival gewesen wäre. Gemeinerweise stellten dort auch mehrere Gitarrenbauer und Zubehörhersteller aus.

Ins Auge stach mir dabei sofort der schweizer Herstellers, welcher auf seinem Tisch in edlen Holzkistchen seine magnetischen Tonabnehmer präsentierte. Diese sind Nachbauten der alten französischen Schallochtonabnehmer, die Django Anfang der 50er Jahre noch gespielt hat. Da sie bauartbedingt bei Gebrauch von genretypischen Gypsysaiten die H-Saite überbetonen, sind auch speziell dafür angepasste Tonabnehmer im Angebot. Und zur Krönung gibt's die Dinger auch noch mit einem Lautstärkesteller, welcher in einem schönen kleinen und leichten Gehäuse mit einem kaugummiartigem Kit auf der Gitarrendecke angebracht wird. Ich kannte die Firma Miller und ihre Tonabnehmer, hatte jedoch noch nie die Gelegenheit einen aus der Nähe zu sehen und zu testen. Da sich jetzt die Gelegenheit bot habe ich einen getestet und sofort für gut befunden. Aufgrund des stolzen Preises schreckte ich jedoch zurück, braucht's das denn wirklich? Überzeugt hat mich schließlich meine Frau, die mir diesen Edel Tonabnehmer zum Hochzeitstag geschenkt hat.

Am Abend darauf hatte ich die Gelegenheit den Tonabnehmer gleich bei einem unserer Gigs einzusetzen und so unter Livebedingungen zu testen. Für den Fall der Fälle hatte ich natürlich noch meine andere Gitarre dabei. Der Tonabnehmer wird im Schalloch mit Hilfe zweier Federn, die von unten gegen die Decke drücken befestigt. Bedingt durch seinen geringen Output klingt er sehr offen, aber ich musste natürlich meinen Verstärker weiter aufdrehen als bei einem konventionellen Singlecoil. In Verbindung mit den Gypsysaiten ergibt das einen Sound, welcher irgendwo zwischen dem einer elektrischen Jazzgitarre und dem akustischen Gypsygitarrensound liegt. Über meinen kleinen Tweed Champ klingt die Gitarre jedenfalls sehr gut und sehr spezifisch. Obwohl ich das saitenkompensierte Modell habe ist die Lautstärke über alle Saiten nicht 100 Prozent gleich. Die H und die hohe E Saite sind etwas lauter als die restlichen Saiten, was aber bei meiner unverstärkten Gypsygitarre genauso ist.

Gestern habe ich den Tonabnehmer bei einer Session wieder eingesetzt und bin nach wie vor begeistert. Damit habe ich jetzt endlich das Gefühl mir mit meinem Instrument genügend Gehör verschaffen zu können.

Uff, das war jetzt viel Text, vielen Dank fürs Lesen, hoffentlich habe ich Euch nicht gelangweilt.

Viele Grüße
Dan

und hier noch ein Bild:

Photobucket


Re: (Gitarre) Das leidige Problem: Akustikgitarrenverstärkung - meine Wege und Irrwege

Moin Dan,

>>Uff, das war jetzt viel Text, vielen Dank fürs Lesen, hoffentlich habe ich Euch nicht gelangweilt.

Von Langeweile keine Spur ! Besonders interessant war diese Stelle hier ;-)
>>.. meine Frau, die mir diesen Edel Tonabnehmer zum Hochzeitstag geschenkt hat.

Machs gut
Stoffel (der den Rechner nun laufen lässt, in der stillen Hoffnung, dass seine Frau das auch liest ;-)


Re: (Gitarre) Das leidige Problem: Akustikgitarrenverstärkung - meine Wege und Irrwege

: Moin Dan,
:
: >>Uff, das war jetzt viel Text, vielen Dank fürs Lesen, hoffentlich habe ich Euch nicht gelangweilt.
: Von Langeweile keine Spur ! Besonders interessant war diese Stelle hier ;-)
: >>.. meine Frau, die mir diesen Edel Tonabnehmer zum Hochzeitstag geschenkt hat.
: Machs gut
: Stoffel (der den Rechner nun laufen lässt, in der stillen Hoffnung, dass seine Frau das auch liest ;-)

Hi Stoffel,

wie heisst es doch so oder so ähnlich: "prüfe, wer sich ewig bindet.. :-)

Mach's auch gut

Dan

PS: heute wird wieder mal mit der ganzen Band geprobt, ich freu mich schon


Re: (Gitarre) Das leidige Problem: Akustikgitarrenverstärkung - meine Wege und Irrwege

Vielen Dank für den ausführlichen Bericht!

Ich bin seit wenigen Stunden im Besitz einer Selmer-Style-Gitarre. Und mir ist tatsächlich erst beim Abholen aufgefallen, dass ich ein UST-System dort nur schwerlich einbauen könnte... Ist aber auch noch gar nicht geplant.

Hast du mal über ein System Richtung K&K Pure Western nachgedacht, also mit Pickup(s), die unter die Decke geklebt werden?

Gruß
Oli


Re: (Gitarre) Das leidige Problem: Akustikgitarrenverstärkung - meine Wege und Irrwege

Hi Dan,

eigentlich nicht. Ich habe erst vor kurzem damit angefangen, zusätzlich ein wenig Gypsy Jazz zu spielen, um mein Akkordvokabular und meine Solofähigkeiten etwas zu erweitern. Eigentlich spiele ich Fingerstyle und begleite Sänger (Pop/Rock).

Jetzt ist mir aber bei eBay eine Gitarre über den Weg gelaufen und gestern habe ich sie abgeholt.

Viele Grüße
Oli


Re: (Gitarre) Das leidige Problem: Akustikgitarrenverstärkung - meine Wege und Irrwege


: .. Ich habe erst vor kurzem damit angefangen, zusätzlich ein wenig Gypsy Jazz zu spielen, um mein Akkordvokabular und meine Solofähigkeiten etwas zu erweitern.

Hi,

find ich super, denn etwas über den Tellerrand rauszuschauen bringt einen doch immer wieder weiter.

Ich hab mir allerdings schon lange abgeschminkt den Gypsyjazz "authentisch" nachspielen zu wollen. Da bin ich durch meine Spieltechnik schon zu sehr geprägt.

Gruß

Dan

PS: Schöne Klampfe, viel Spass damit.


Re: (Gitarre) Das leidige Problem: Akustikgitarrenverstärkung - meine Wege und Irrwege

Hallo Dan + Olli,

ich habe das K+K western mini-system gerade brandneu in einer Albert + Müller G2-Steelstring verbaut bekommen. Klingt sehr schön akustisch, ist nicht allzu teuer + relativ leicht einzubauen. Da passiv , entfällt auch der mitunter nervige Batteriewechsel bzw. deren Ausfall im gerade unpassendesten Moment.

Einziger evtl. Nachteil: für manche Live-Anwendungen ein evtl. etwas zu niedriger Ausgangspegel. Ich behelfe mir zu diesem Thema mit meiner altbewährten braunen Kiste:http://www.thomann.de/de/lr_baggs_para_acoustic_di_preamp.htm. Die hat im Übrigen noch den meisten (..weniger tollen...) Akustik-PU´s einen angenehmeren Sound eingehaucht. Sehr zu empfehlen - aber halt wieder ein Teil mehr, was es rumzuschleppen gilt...

Gruß,

teleman

P.S. noch ein gutes, leistungstarkes aktives System: Headway Snake-Pickup; habe ich in einer Furch Dreadnaught eingebaut + bekomme damit auch ohne langwieriges Finetuning am Mischpult oder Ak.Amp sehr schnell zu einem überzeugenden + bei Bedarf lauten Akustiksound. Sollte allerdings m.E. ein Profi einbauen; ich habe mich nicht drangewagt.