(Outing) Mein erster Fernsehauftritt ;-)


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Beitrag von Saidy vom März 21. 2004 um 22:17:30:


Ich habe heute das dringende Bedürfnis mich mitzuteilen. Warum? Ja, na weil ich euch was erzählen muss, besser gleich, sonst ist es mir zu peinlich. Zur Zeit ist es noch ein Erlebnis, über was ich mit einem breiten Grinsen im Gesicht erzählen kann. :-)

Kai-Peter outete sich als Zuschauer der Sendung „Vorentscheid zum Eurovisions Grand Prix“. Hab mich für den Gewinner Max (mein Favorit) gefreut!
Aber meine kleine Geschichte ist gar nix dagegen: Wer sah am Samstag Abend zur Hauptsendezeit die Sendung: „Deutschland singt“ im ARD? ;-))))
Ich konnte sie mir leider nicht ansehen, denn ich war dabei! Ja, meine Freunde, ihr habt richtig gelesen ;-) In der Leipziger Messehalle sang die Saidy für Deutschland. Nicht nur im Publikum sondern mitten drin im „Chor des Deutschen Bundestages“. Ich weiß, ich weiß...jetzt darf ich nicht mehr mit euch auf einer Bühne stehen, jetzt schmeißt Friedlieb sicherlich jeden Beitrag von mir aus dem Forum...jetzt löscht mich jeder von euch aus seinem Mailadressbuch...bekomme nie wieder einen Anruf von meinen lieben Freunden *heul*.
Ach was jammre ich eigentlich, ich bin doch selbst dran schuld. Dabei fing alles so harmlos mit einem Anruf meines Chorleiters an:
Saidy, ich habe gerade ein Angebot von der ARD bekommen...wir sollen als Chor in einer Fernsehsendung auftreten, wo nur Volkslieder gesungen werden...was sagste dazu? Oh, die Saidy war überrascht! Ich hab ja an sich nix gegen richtige deutsche Volkslieder, aber wir singen die ja nicht im Chor....sondern höchstens in der Kneipe nach paar Bierchen zuviel! :-)

Bei der nächsten Chorprobe legte er alle Informationen auf den Tisch...das war vor 14 Tagen. Unser Repertoire umfasst nur Opern- und Operettenarien. Was sollen wir bei einem Volksliedabend, fragten wir uns. Wir wurden gefragt, basta...egal warum. Jeder hatte die Wahl daran mit allen Konsequenzen teilzunehmen oder falls er das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann, eben zu Hause zu bleiben. Bei mir siegte die Neugierde...hm, ich sollte an mir arbeiten! ;-)
Obwohl wir nur ein kleiner Laienchor und überhaupt keine Bühnenerfahrung hatten, wurden wir engagiert. Wir singen, weil wir Lust am singen haben, immer nach der Arbeitszeit und ohne finanzielle Unterstützung von irgend Jemandem (wollte ich nur mal so erwähnen, weil die Allgemeinheit da sicher was anderes vermutet). Wir proben einmal die Woche für zwei Stunden. Gigs haben wir so drei-vier mal im Jahr innerhalb des Bundestages. Am letzten Jahresende traten wir mit einem Weihnachtsrepertoire sogar in Landesvertretungen in Berlin auf. Das war schon was Außergewöhnliches für uns als Chor.

Wir fuhren also Freitag 14:00 Uhr nach Leipzig. Singen sollten wir die Arie des Gefangenenchores aus der Oper „Nabucco“ von Verdi. Verdi und deutsche Volkslieder...das passt ;-) Es hieß, wir sollen eine Tonaufnahme machen, weil wir als Einzige Mitwirkende der Sendung keine eigene CD hatten und die Sendung zwar Live aber nur Playback gesungen wurde. Danach sollte Kameraprobe sein. Hach, war das aufregend....Tonaufnahme im richtigen Tonstudio...Kameraprobe – was ist das denn?
Aber von wegen Tonstudio...in der riesigen Halle (scheiß Akustik) mussten wir uns auf der Bühne platzieren und 6 Mikros + eins beim Klavier wurden aufgestellt. Dann meldete sich der Aufnahmeleiter aus dem Ü-Wagen und sagte das wir einfach mal singen sollten. OK...wir sangen.....absolut scheiße! Sorry
Jeder war so aufgeregt, das wir weder aufs Klavier noch auf den Chorleiter achteten. Der Aufnahmeleiter sagte, na ja...der Sopran war nen halben Ton zu tief und der gesamte Chor fast einen Takt schneller wie das Klavier, aber ansonsten ganz ok. Wir sangen noch mal...hm lange Pause des Aufnahmeleiters, dann endlich der Satz von ihm: war nicht schlecht, aber zu leise. Es war zwar keine Zeit mehr, aber wir durften noch mal. Das fand der Aufnahmeleiter dann perfekt, der Chor fand den Gesang Mist und der Chorleiter war vor Enttäuschung ne Weile nicht mehr zu gebrauchen. Danach die Kameraprobe. Wir standen auf der Bühne, so wie wir dann beim Auftritt stehen sollten und mussten unsere Arie 3-4 mal hintereinander singen und die 7 Kameras bekamen ihre Anweisungen, wie und wann sie uns ins Bild nehmen mussten. Zum Ende hätten sie noch mal ne Tonaufnahme machen sollen, denn mittlerweile legte sich die Aufregung und wir waren wirklich gut im Gesang...ja, aber unser Wunsch wurde nicht erhört. Ich glaube, dafür gibt’s ne andere Sendung ;-)

Es war mittlerweile 21.30 Uhr. Wir ins Hotel und bei einem lecker sächsischem Bierchen wurde der Frust weggespült. Am Samstag ging es 13:00 Uhr zur Generalprobe. Anziehen und schminken war angesagt. Wir treten normalerweise ohne Chorkostüm auf...sondern nur in schwarz....egal ob Rock, Kleid oder Hose. Das gefiel den Herren vom Fernsehen nicht, also bekamen unsere Tenöre und Bassisten hellblaue Hemden mit Fliege und wir Mädels einen hellblauen Seidenschal. Naja...wir ertrugen langsam alles mit viel, viel Humor. Das Schminken war krass. Die Maske war nur für die VIP’s ...wir gehörten da natürlich nicht dazu *grins* (die Wildecker Herzbuben brauchten sicher den Platz in der Maske), also hieß es Schminksachen raus und selber bemalen. Echt...ein anderes Wort fällt mir dazu nicht ein. Das Licht auf der Bühne machte uns so blas, das wir uns wirklich bemalen mussten. :-)

Dann wurde es ernst! 20:00 Uhr ging’s an die Bühne. Wir erfuhren am Nachmittag erst, das wir von Beginn an auf der Bühne stehen und „Alle Vögel sind schon da“ mitträllern sollten. Na Klasse! Oh Gott...wie ging der Text noch mal? Ich dachte nur, das ist nicht wahr, das bin nicht ich...das mach ich doch nicht wirklich hier. Aber ich tat es. Es wurde noch viel schlimmer mit mir. Vom ersten Bühnenauftritt bis zu unserem Hauptauftritt mit unserer Arie hatten wir über eine Stunde Zeit. Also setzte ich mich mit noch paar Chorsängern ins 2000 Menschen zählende und zahlende Publikum, klatschten und trällerten die Volkslieder wie bissel bescheuert mit. Echt, ich fand’s sogar richtig Klasse! *schäm? nein*
Dann kam unser Auftritt. Das Tonstudio gab sich im Vorfeld große Mühe und schnitt die Aufnahmen ganz gut zusammen, so das wir nach unserem Auftritt ganz zufrieden waren. Dann mussten wir bis zum Finale am Bühnenrand warten...mit all den Chören die mitmachten. Der Chor neben uns hatte allerdings noch vorher einen Auftritt. Es war ein Lehrerchor. Mitglieder dieser Gattung waren nicht so angetan von unserem herrlichen Gesang, sie meinten, die Arie würde nicht in dieses Programm passen. Ph, Lehrer! Alles müssen die besser wissen. Wir wussten das selber, ätsch. ;-)
Auf einmal wurde es hektisch, der Lehrerchor sollte auf die Bühne. Der Regieassistent verwechselte die Chorleiter, zeigte immer auf unseren und winkte wie wild...wir sollen auf die Bühne. Allgemeine Verunsicherung! Der Lehrerchor wusste, das sie auf die Bühne mussten und gingen natürlich prompt ohne Anweisung hoch...unser Chorleiter fühlte sich aufgefordert und gab uns unser Signal....oh Gott wie peinlich! Wir gingen auf die Bühne, obwohl Jedem von uns klar war, das wir dort nix zu suchen hatten! Noch dazu stellte sich der Lehrerchor auf unsere Plätze! Was nun? Plötzlich sagte unser Chorleiter: runter von der Bühne. Irgendwie versuchte ein Teil unseres Chores von der Bühne zu flüchten. Doch plötzlich ging die Musik los und die Kameras hatten uns im Bild. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Hinter dem Lehrerchor stand nun dicht gedrängt der kläglich Rest von uns, die es nicht bis zum Bühnenrand geschafft hatten. Die Lehrer schauten verächtlich zu uns, und uns war klar, das wir deren Bühnenshow geschmissen hatten. Ich dachte nur...ich bin kein Star – holt mich hier raus! Ich kannte den Text nicht von dem Lied das die Lehrer sangen und versteckte mich nur hinter einem - Gott sei Dank - breitschultrigem Mann. Ich konnte mir das Lachen kaum verkneifen, ihr kennt mich, als mir klar wurde, was wir hier in einer Livesendung angerichtet haben, hätte ich am liebsten laut los gelacht und durfte nicht. Brutal fand ich das!
Dann endlich die Erlösung...das Lied war zu Ende und wir runter von der Bühne. Der Schock stand dem Rest unseren Chores in den Gesichtern. Die Regieassistentin sagte, das sie großen Ärger bekommen werde. Aber sie beruhigte uns, wir waren nicht Schuld und es sei nur dem Publikum im Saal aufgefallen, die Kameramänner haben schnell reagiert und andere Einstellungen gewählt. Tchja, haben wir wieder einmal mehr dem Klischee gedient, das der Deutsche Bundestag nur Chaos verursachen kann.
Karl Dall, der auch mit bei dieser Sendung auftrat, fand es geil, das wir den „Scheiߓ durcheinander gebracht haben. Ich fragte ihn dann am Ende, ob er VON MIR ein Autogramm haben möchte. Er lachte und verstand den Spaß.
Ja meine Lieben, das war unserer erste Fernsehauftritt...4,21 Mio. Zuschauer sahen diese Sendung! Kommt, gebt zu, das ihr am Schirm dabei ward... gebt mir bitte das Gefühl, das wir diese Sendung mit unserer Arie aufgewertet haben ;-)

hier noch zwei Links: der Gefangenenchor

Pressemitteilung vor der Sendung




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