Re: (Schafscheiße) Heute: Geregelte Schafscheiße
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Beitrag von Kurt vom Mai 20. 2003 um 11:11:16:
Als Antwort zu: Re: (Schafscheiße) Wer Schafscheiße in den Mund nimmt ... geschrieben von groby am Mai 19. 2003 um 13:35:18:
Hallo Groby & rest
: Also ehrlich gesagt finde ich diese Debatte um "Schafscheiße" recht unansehnlich.
So unansehlich kann es nun doch nicht sein, sonst würdest Du es doch nicht bis hierher verfolgen oder? Mir geht es so mit Threads wie "wie kastriere ich meiner single-coil-Poti-split-Verdrahtung das Brummen weg?" - Ich lese sie einfach nicht.
: Gerade Gitarristen bilden sich ja gerne was auf ihr Nicht-Wissen ein, wahrscheinlich in der Vermutung, dass mache einen irgendwie "authentisch" oder verleihe "Street Credibility".
Nun, jedem nach seiner Facon.
: Aber soll doch jeder wissen, wieviel Theorie er für sein persönliches Nutzungsfeld braucht und ob er - falls in seiner Umgebung Musiktheorie gerdet wird - dann mitreden können will.
Genau mein Reden.
: Ich kann das nicht, übrigens. Mitreden. Ich finde das aber nicht "bodenständig" oder sonstwas, sondern schade.
Das muß ja nicht so bleiben! Das Zeugs mit den Modes (in diesem Forum versteht man darunter in erster Linie die Kirchentonarten) ist eigentlich ziemlich easy, das Prinzip, nach dem sie aufgebaut sind, ist simpel. Aber die Modes werden hier in so eine Art Elfenbeinturm hochstilisiert, das ist meines Erachtens völlig überflüssig. Es sind nur kompliziert klingende Namen für Tonmaterial, das jeder mehr oder weniger, bewußt oder unbewußt, verwendet! Wenn ich ein bißchen zur Entmythologisierung dieses Themas beitragen könnte, wäre ich schon sehr zufrieden.
: Auch etwas enttäuscht bin ich, dass bisher einer meiner Lieblingssätze noch nicht gefallen ist, nämlich : : "Regeln sind zum Brechen da" : : Schade, schade. Aber irgendwann kommt der Satz doch noch nichts ahnend um die Ecke gebrummt.
Nun sag ich mal provozierend: wer keine Regeln kennt, kann auch keine brechen! Oder ist allein schon der Umstand, Gitarre (oder sonstein Instrument) zu spielen, ohne Regeln zu kennen, ein Regelbruch? Da fällt mir ein Zitat aus Ödön von Horvath's "Jugend ohne Gott ein": Daß sie (die Jugendlichen) es (die Regeln) ablehnen, ist ja schon schlimm. Schlimmer noch ist aber, wie sie es ablehnen, nämlich ohne es zu kennen. Am schlimmsten ist aber, daß sie es überhaupt nicht kennenlernen wollen!
Ich finde es weitaus cooler, die Regeln zu kennen, zu beherrschen (ich kann es nicht!), bewußt zu brechen ... irgendwann wird die ständige Grenzüberschreitung selbstverständlich und die Grenze wird unwichtig.
Daß die Regeln (die Modes mit ihrer Harmonielehre) von den amerikanischen Schnellspielerkaderschmieden (Berklee?) erfunden wurden, kann schon sein, aber was ist schlimm daran? Ich finde es a) sehr gut, daß damit die ersten Schritte zur Improvisation im Jazz entzaubert wurden und b) auch höchst notwendig für eine Hochschule. Wie sonst sollte Studenten was beigebracht werden können, wenn der Lehrstoff nicht greifbar, also theoretisch aufgearbeitet ist? Um wieviel schwerer war es für Musiker in den 50er und 60er Jahren, im Jazz Fuß zu fassen?
Ich stimme Groby's Motto auch voll zu: Regeln sind zum Brechen da, denn immer nur amtlich, gemäß den Regeln zu improvisieren (inside-Spiel), ist im Vergleich zu einem Solo mit gekonnt (!) gebrochenen Regeln (outside), stinklangweilig. Allerdings merkt man's einem Solisten schnell an, ob er nur wild, regellos (und planlos!) rumfudelt oder ob er weíß, was er spielt, vor allem dann, wenn er von einer outside-Phrase zurückkommt und die Spannung gekonnt auflöst.
Ich muß da Michael (Jacuzzi) ein wenig widersprechen, wenn er sagt, regeln brechen sei der erste Schritt zum Regeln machen (oder verstehe ich ihn falsch?). Denn erst müssen die Regeln gemacht werden (das haben zum Glück schon andere in Berklee getan), dann müssen sie gelernt werden und dann können sie gebrochen werden. Irgendwann wird dann die eine oder andere coole Art, eine althergebrachte Regel zu brechen selbst zur Regel. Im Free Jazz wurden alle damals bekannten Regeln gebrochen. Er hat sich aber nicht etabliert, kaum einer spielt heute noch free. Jazz ist nicht immer nur auf der Suche nach Regelbrüchen.
Aber vorsicht: ich bin gerade auf dem besten & verkehrten Wege, Jazz & Musik allgemein&so auf Modes/Harmonien, ihre Regeln und deren Brüche zu reduzieren. Das ist ja nur ein Teilaspekt von Musik (zwar wichtig, aber auch nicht sooo bedeutend).
Gruß Kurt
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