Re: (Philosophie) Die Steine auf dem Weg


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Beitrag von Hans-Jürgen vom Dezember 19. 1999 um 04:54:39:

Als Antwort zu: (Philosophie) Die Steine auf dem Weg geschrieben von Alexius am Dezember 14. 1999 um 10:53:17:

Hi Alexius und alle anderen an diesem Thread Beteiligten

Tja, wie war das? So mit zwölf, dreizehn fragte ich meine Leute schon mal nach 'ner Gitarre. "Du bist nicht musikalisch!!!!" hieß es (ja - vier Ausrufezeichen - haben mich gleich richtig niedergemacht, die Herrschaften); heut' weiß ich, daß die Leute bloß keinen Krach haben wollten und sowieso einen Musikverstand wie Arsch und Friedrich besaßen.
Mit achtzehn, am Tag der ersten schriftlichen Abitur-Arbeit, bekam ich dann doch meine früher mal erwähnte Otto-Versand-Gitarre für 85,60 DM oder so.
Vier Jahre später fuhr ich mit einem Kollegen zusammen und hatte eine Cassette im Autoradio, auf der auch ein paar Aufnahmen von mir waren. Fragte der mich: "Bist du Musiker?" Ich stockte erst und antwortete nach einer Denkpause: "Ja, eigentlich schon ..."
Ich schrieb Songs und dachte insgeheim immer: naja, nicht unbedingt hitverdächtig, aber auch nicht schlechter als manch' anderes Zeug. Aber ich dachte auch immer, wenn mich Freunde fragten, ob ich das nicht im größeren Stil machen wolle: wie nun, wenn mir nix mehr einfällt? Ich brauch' 'ne gewisse Sicherheit im Leben und kann nicht nur immer darauf hoffen, daß mir was einfällt und, vor allem, daß die Leute das auch weiterhin mögen.
Heut' weiß ich, daß ich sicherlich gewaltig eingebrochen wäre, denn es war noch die Liedermacher-/Songwriterzeit, in der jeder, der 'n paar Akkorde beherrschte, im Zeitgeist auch erfolgreich sein konnte.

1986 mein erster Computer, einer mit Schwerpunkt auf Musik, von Yamaha. Ein E-Piano im Jahr darauf und 1988 mein Atari 1040 STF und der neue Yamaha DX7-II - Mike Oldfield war angesagt (ja, ich war auch hier ein Spätzünder)! Twenty Four, 1992 Cubase, D100, U220 - aber die Studiotechnik und das Mixen waren meine großen Probleme. Heut' weiß ich auch, daß das alles eigenständige Berufe sind.

In dem Bedürfnis, besonders wegen meiner Musik gemocht zu werden, träumte ich immer insgeheim von meinem Auftritt, nur ich konnte mir nie sicher sein, daß auch die Leute da sind, die das mögen. Ich konnte es auch nie ausprobieren, denn ich hatte zuwenig Zutrauen zu meiner "Kunst" und zu viel Mißerfolgs-Angst. Und damit blieb dann auch die Kreativität auf der Strecke.

Die Story bleibt unvollständig, offensichtlich habe ich es immer noch nicht aufgegeben. Richtig in's Profi-Geschäft einzusteigen kann ich mir kaum vorstellen (nicht nur wegen meines Alters, was ja eigentlich nicht viel heißen will), denn heutzutage zählt ja nur noch die Fähigkeit der Marketing-Strategen. Du kannst so gut sein wie du willst - wenn du's nicht an den Mann bringen kannst, nutzt es dir zum Leben einen feuchten Scheiß. Von einer "musikalischen Botschaft", von der "Kunst" ganz zu schweigen.
So gewinne ich zur Zeit wieder Zuhörer im ganz kleinen privaten Bereich, nur mit der Akustischen, mit dem Banjo, meiner Lapsteel-Guitar und ich spüre unmittelbar, wie sie es mögen. Gewünscht hatte ich mir sicher irgendwann mal die Gruga-Halle als Auditorium, aber da klatschen sie alle oder sie grölen oder pfeifen. In diesem kleinen Kreis kann ich mich mit den Leuten direkt über die Musik unterhalten.

Musik machen zum davon Leben ist heute ähnlich einem Lottogewinn. Und selbst wenn's klappen sollte - wenn ich Musik machen m u ß , um leben zu können, ist es dann immer noch das, was ich machen w i l l ? Sicher ist so gut wie nichts "ideal", aber ich möchte nicht enden wie ein Reinhard Fendrich oder Mike Krüger, die irgendwelche Spielshows und ähnliche Kacke machen, um im Geschäft zu bleiben.

Unter'm Strich bleibt für mich derzeit folgendes übrig:
Rock 'n Roll I gave you all the best years of my life (zumindest zeitweise!), aber ganz sicher weiß ich jetzt eines:

Music was my first love and it'll be the last,
Music of the future 'n music of the past.
To live without my music is impossible to me
'Cause in this world of trouble my music sets me free.

Ich habe meinen Beruf als Auskommen, aber nichts würde ich lieber tun als Musik machen und davon leben zu können. Aber ich weiß nicht, ob ich dann noch sagen könnte: "... my music sets me free."

Greetings to all of you
Hans-Jürgen
(nicht zu vergessen für die nächste Session: quietschjaulrückkoppelfiepverzerr !)


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