Re: (Gitarre) all about that


[ verfasste Antworten ] [ Thread-Anfang ] [ Aussensaiter-Forum ]

Beitrag von Michael (Jacuzzi) vom Juli 06. 2020 um 19:18:17:

Als Antwort zu: Re: (Gitarre) all about that geschrieben von Friedlieb am Juli 06. 2020 um 17:26:07:

Lieber F-Lieb,


: Das wollte ich immer schon mal fragen: Was genau ist eigentlich ein C-Teil?

: Und mir war so, als ob ich Dich als einen starken Kein-Hall-Verfechter in Erinnerung hätte. 

Ha! – C-Teile und Halls: Wenn ich da alles dazu reinschreiben würde, was ich mir dazu immer mal wieder gedacht (und dann wieder verworfen) habe, wäre das Forum voll, und Tom müsste die Erweiterung kaufen.

C-Teile: Ich bastele meine Stücke ja eher konservativ zusammen - vielleicht ungefähr wie ABBA, nur eben bisschen weniger blond. Wenn’s gut läuft, habe ich eine funktionierende A-Strophe und einen B-Refrain (der idealerweise noch eine hook haben könnte). Die packt man dann ein paar mal hintereinander, variiert vielleicht in der Instrumentierung (wie z. B. hier in der zweiten Strophe), möglicherweise verdoppelt man auch den Refrain im zweiten Durchgang, aber spätestens dann wird’s meistens langweilig, und es muss was Neues passieren.

Wenn ich nun eine Band wäre, würde ich sagen: Jetzt muss das Gitarrensolo kommen. Aber wenn es nur um das Stück geht, ist ein C-Teil oft interessanter. Und so versuche ich dann eben, ungefähr nach dem zweiten Refrain-Durchgang noch mal eine neue Tür aufzumachen, die sich vielleicht vorher schon mal kurz angedeutet hat, also nicht völlig zusammenhanglos zum Restlied ist. Wenn man es da schafft, auch harmonisch was neues zu machen, ohne dass der Bruch zu hart wird: perfekt. (In meiner persönlichen Wertung ist das bei „Mach dich frei“ am besten gelungen.)

Yeah, und die Nicht-Gitarre hat nicht nur einen Hall, sondern noch so ein ganz hübsches, nachtropfendes Delay. Das hört man am allerbesten nach dem allerletzten Ton des Stücks: Da klappern links noch so ein paar atmosphärische Töne nach, und die gehören eben zu dieser Nicht-Gitarre. Und du hast völlig recht: Eigentlich versuche ich, so was zu vermeiden, und hayman hat ja auch gleich draufgezeigt.

Ich hab da Spielgefühl vor Dogmatik gewählt, sozusagen: Der Nichtgitarrensound fühlte sich mit diesen Effekten einfach toll an, und wenn ich die rausgenommen habe, war irgendwie der Spaß weg. Ich gestehe auch, dass ich mir einige Male nur diese verklingenden Schlusstropfen am Ende angehört habe, weil ich die eben einfach so nett finde …. reine Lehre ist’s aber nicht.

… Was dann natürlich die Frage nach der reinen Lehre aufwirft, wenn es so was gibt (und wenn man dazu in der Lage ist, undogmatisch damit umzugehen): Ich habe noch vor zehn Jahren versucht, ein Lied nur mit einem einzigen Hallraum auszustatten und die verschiedenen Spuren, einschließlich Gesang, da anteilig reinzupacken, nach dem Motto: Das ist eine gedachte Band, die steht in einem gedachten Raum, und dann klingt das eben so. Das ist aus meiner heutigen Sicht puristischer Blödsinn. Rhythmusgruppen brauchen andere Frequenzen und Signallängen als Gesänge als Gitarren als Bläser etc. Die unreine Lehre, die ich zur Zeit meistens grundsätzlich anwende, ist darum: Einen Hallraum für die Rhythmusgruppe, einen anderen für die Vocals, und der Rest kann sich zwischen einem der beiden Zimmer entscheiden. Das ist mein derzeitiger Kompromiss zwischen Klarheit und Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse der verschiedenen Instrumente (gegen den ich hier natürlich mit der Nicht-Gitarre verstoßen habe).

Wo genau du das übrigens her hast, dass ich Hall 'allgemein‘ ablehnen würde, weiß ich nicht. Ich hab mir ja damals den Carvin schon deswegen gekauft, weil er meinem Gefühl nach so eine fantastische Hallspirale hatte – … Könnte es vielleicht das sein: Wenn ich live spiele und die Person am Mischpult kompetent ist, kriegt sie von mir ein furztrockenes Signal und soll meine Hall-Anteile vom Pult aus bestimmen – und sei es auch auf Kosten meines Spielgefühls. Hintergrund ist, wie sich ja aus diesem ganzen Sermon schon ergibt, dass die Raumanteile bei mehreren Instrumenten idealerweise nicht individuell, sondern über-individuell bestimmt werden sollten.

So, das waren jetzt aber genug Buchstaben (ich bin deutlich unter-predigt, scheint’s), herzlich,

Michael




verfasste Antworten:



Dieser Beitrag ist älter als 3 Monate und kann nicht mehr beantwortet werden.