Re: OT: Pearl Jam - da ist eine schlecht Band oder?!?!?


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Beitrag von Cleemens vom Juni 24. 2009 um 15:21:25:

Als Antwort zu: Re: OT: Pearl Jam - da ist eine schlecht Band oder?!?!? geschrieben von muelrich am Juni 24. 2009 um 08:34:35:

Hallo Uli,

ich hab über die ganze Sache jetzt imer wieder nachgedacht und kann inzwischen etwas sachlicher und ohne mich aufzuregen formulieren, wie ich das sehe.

Natür hör auch ich, dass Mc Cready in diesem Solo etliche Töne recht schief spielt. Dass er es anders auch kann, weiß aus den Pearl Jam Alben, die ich mit einer Ausnahme alle habe und sehr gut kenne. Ich glaub nicht, dass er in diesem Live-Video bewusst so schief spielt. ich glaube vielmehr, dass es ihm egal ist, bzw. dass er zugunsten der unbändigen Energie, die ich da höre, das Risiko eingeht den einen oder anderen Ton am Ziel vorbeizuspielen. Ich kenn das bei mir selber vom Singen. Wenn ich mich zu sehr auf die exakten Tonhöhen konzerntriere verliere ich an Intensität. Deshalb muss ich das Risiko eingehen, mal den einen oder anderen Ton zu versemmeln. Immer bezogen auf eine Live-Situation. Da kann es dann halt auch mal passieren, dass sich diese Töne (wie im Fall dieses Solos) etwas häufen. Warum mich das Solo so berührt, kann ich Dir auch nicht wirklich erklären, nur ist es eben so dass mich die schiefen Töne deswegen nicht im geringsten stören. Ich finde das Solo toll. Vielleicht sogar ein wenig wegen der schiefen Töne. Ich hab ein Faible fürs schräge und kaputte in der Musik. Es gibt haufenweise technisch und handwerklich einwandfrei, hochvirtuos und mit außergewöhnlichen Skalen gespielte Gitarrensolos, die mich völlig kalt lassen. Warum mich das etwas schief gespielte auf simpler Pentatonik basiernde Solo dieser Aufnahme so berühert, weiß ich nicht.

Man kann nun also wohl wenn man so will sagen, der spielt falsch. Ob man sagen kann, der spielt schlecht, halte ich für sehr fraglich. Objektiv gesehen mein ich. Subjektiv kann natürlich jeder das ganz grausig finden, drum sind die Geschmäcker ja verschieden. Aber da ist und bleibt es eben persönliche subjektive Meinung, die man nicht so einfach zur alleinigen Wahrheit erklären kann. Dieses Solo mag handwerklich lausig sein, ob es musikalisch gut oder schlecht ist, steht imo auf einem ganz anderen Blatt und ist wesentlich schwieriger zu beurteilen. Schon deshalb, weil das jeder etwas anders sehen wird. Das handwerkliche kann man recht gut an technischen Dingen festmachen, das musikalische nicht wirklich. Da kommen solche Sachen wie die Gefühlswirkung der Musik auf dem Hörer mit ins Spiel und die kann man nur für sich selbst beurteilen. Anyway, ich fang glaub ich langsam an mich zu wiederholen.

Mit dem Vergleich mit Zappa und dessen irren Timings schneidest Du eine Thematik an, die mit dieser Diskussion eigentlich gar nichts zu tun hat, die ich aber trotzdem hier aufgreifen will, weil sie zu jenen gehört, die mich in letzter Zeit an Musik sehr beschäftigen. Ich hab in den letzten eineinhalb Jahren angefangen Musik wieder mehr mit dem Kopf zu betrachten. ich hatte das Gefühl, wenn ich nur die bauchebene anschaue, entgeht mir etwas, das sehr interessant sein könnte. Und das hat mich dann letztendlich zu der Frage geführt, was berührt an Musik denn eigentlich. Sind es die Gefühle die ausgedrückt werden, sind es die reinen Klänge, sind es vielleicht sogar auch die Strukturen? Für mich ein sehr schönes Beispiel (auch weil ich Teile seines Werks sehr gut kenne) ist die Musik von J. S. Bach. Bachs Musik ist meist keine besonders gefühlige Musik, eher strukturell und oft fast mathematisch. Als ich angefangen hab mich wieder mehr mit dem Kopf damit zu beschäftigen wurde seine Musik für mich noch viel interessanter. Trotzdem berührt mich wenig so sehr wie vieles von Bach und seltsamerweise grade seine sehr streng strukturierten Werke wie z. B. die Kunst der Fuge. Ja wie? Das ist keine Musik die vordergründig Gefühle ausdrückt. Auch Bach hat das nicht unbedingt geschrieben, um etwas auszudrücken, sondern eher weil er zeigen wollte, was die Form der Fuge alles kann, was ich mit einer so strengen Form wie der Fuge alles machbar ist. Warum berührt mich das dann so? Obwohl es von gefühlvoller Musik so weit entfernt ist. Ich weiß es immer noch nicht und bezweifle sehr, ob ich es ergründen kann. Aber es beschäftigt mich sehr und hat Musik im allgemeinen für mich noch faszinierender gemacht.

Es loht sich übrigends wirklich, grade wenn man bluesige Sachen mag, sich mit dem Werk von Pearl Jam auseinanderzusetzten, denn der Blues spielt eine immer größere Rolle in ihren Songs. Vorausgesetzt man mag die Stimme von Eddie Vedder. Die ist halt recht eigen und man mag sie oder man mag sie eben nicht. Deren blusigste Scheibe ist imho Riot Act. Wenn Du willst, kann ich gern eine Sicherheitskopie bei Dir lagern.

viele Grüße

Clemens




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