(Sonstiges) Nase aus dem Wind


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Beitrag von Jergn vom Mai 19. 2008 um 16:44:58:

Liebe Gemeinde,

hier isser nun, der Gigmarathonbericht.

Los geht es am Freitag, den 9.5., High Noon. Grübel grübel - alles dabei? Egal, wird schon. Also ab ins beste aller Autos, einen 93er Vintagebenz mit 580000 km auf der Uhr. Treffen mit der Cowboykapelle am Rastplatz Holledau, umpacken (ächz) und rein in den Bandbus. Recht enge Geschichte, 3 vorne, 4 hinten - und die Aussicht hinten ist nicht so toll mangels Seitenfenstern. Aber was gibt es auf der Autobahn schon groß zu sehen. Da ist schon schlimmer, daß an Bord ein Zug-Phobiker (mein Rücken mein Rücken…) und ein Berufsallergiker sind, was dazu führt, daß die Fenster zu 99% geschlossen bleiben. Schwitz… immerhin ist noch nicht Hochsommer. Wollte eigentlich noch Saiten wechseln, fällt aber aus wegen kein Bock.
Gegen 17:00 dann Ankunft am AdW, diesmal in der Ausprägung Wiesmühl a.d. Alz, Geschmacksrichtung Bierzelt.
Also Malochmodus an. Bus ausladen, PA aufbauen (H&K Deacon mit 4 Bässen, 2 Tops), Licht, Backline, schwitz, fluch. Gitarrenequipment am Start: Fender B-Bender-Tele, Strat, Fuchs ODS 50 mit 2x12er, Streßbrett. Als Akustik die olle Takamine und ein AER Acousticube. Monitor: ein betagter 15/2er Zeck. Manche Dinge ändern sich nie. Ende Soundcheck dann 19:00. Umziehen spare ich mir, kann mir schon vorstellen, was dann nachher läuft, und ich soll recht behalten. Und die stumpfen, aber noch sauber intonierenden Saiten werden es tun.
Zunächst die Verpflegung. Zur Auswahl: Flachserte Nackensteaksemmeln, Bratwurstsemmeln und - oh Wunder: Sauerbraten. Zum Trinken schieße ich mich auf das Methadon der Biertrinker ein: Bleifreie Radlermaß.
Showstart 20:00, Publikum: was halt im tiefsten Oberbayern so aufläuft: Reaktionen: bis 23:00 keine. Dann lautstarke Rufe nach irgendwelchen Onkelz-Nummern. Fürchterlicher Gig, alle Versuche der Selbstmotivation scheitern kläglich. Irgendwann ist es dann auch

Samstag, der 10.5.

Eine Stunde zu spielen noch, pünktlich 10 Minuten vor Schluß wachen die Besoffenen auf und wollen Party machen. Seufz. Mit Zugaben ist es dann 01:20. Jetzt kommt der netteste Teil: Abbauen und Verladen. Um 03:30 ist endlich alles verstaut, und es geht gleich weiter nach Bad Ischl. Als designated Driver schaukle ich die Chose 2 Stunden lang über finstere Landstraßen bis zum Hotel bei Bad Ischl.
Dort angekommen finden sich die Zimmerschlüssel wie vereinbart in der Ofenschublade vor dem Eingang. Dummerweise passen die aber nicht zur Eingangstür. Also wälzt sich der ganze Troß samt Koffern durch eine zufällig offenstehende Hintertür und durch die stockfinstere Küche (schepper, kling klong) in den Hausflur und diversifiziert sich in die Zimmer. Parole: Frühstück um 11:00, Soundcheck 12:00.

Mit roten Augen, aber pünktlich findet sich die Blase zum Frühstück in der Alpensonne ein, so kann man es aushalten. Um 11:30 Aufbruch zum Festivalgelände (Oskar Zaglmayer Memorial Festival, was ein Name für ein Festival), Ankunft pünktlich 11:45. Backline raus aus dem Bus und Richtung Bühne gezerrt. Da ist der Hauptact noch am Rummachen, und 4 andere Bands sind alle(!) um 12:00 zum Soundcheck bestellt und lungern herum. Her Majesty Carlene Carter ist nicht da, aber Ihre Band. Und die haben so Ihre Probleme. Hat man doch hierzulande tatsächlich 230V, und die Steckdosen sehen auch anders aus als sie sollten. Der Gitarrist bekommt also seine Tretminen nicht ans laufen. Man schickt eine Stagehand auf die Suche nach den lokalen Gitarreros, aber es hat keiner einen 220->110 Konverter dabei - und auch kein Netzteil für ein Mesa Bottlerocket. Nachdem ich mir das Elend eine Weile angesehen habe, biete ich mein Streßbrett an, weigere mich aber, es zu zerlegen und seine Tretmühlen draufzubauen - zumal wir der Opener für Madame Carter sind und nach unserem Gig nur eine Umbaupause von 10 Minuten haben. Also take it or leave it. Zähneknirschend wird mein Angebot dann akzeptiert.
Um 12:30 hat der Hauptact endlich alles am Start. Dann wird soundgecheckt, und dann üben die Herren Backingvocals. Um 14:30 - mit läppischen 2,5h Verspätung war es das dann endlich, und die Herrschaften begeben sich von der Bühne, damit 4 Bands innerhalb von 30 Minuten Soundcheck machen können. Also hopp hopp, und unser Techniker hat den Kram innerhalb von 10 Minuten im Griff. Aus dem Pult auf Stick sichern, dann kann auch nix mehr passieren. Zeit zum Saitenwechseln.
Verpflegung: Hamburger, die aber keine sind. Was Sie sind, will ich nicht wissen.
Wir haben 2 Slots zu spielen, der erste wird um 15 Minuten gekürzt, damit die Verspätung bis zum Hauptact wieder reingefahren wird. Wir liefern eine sehr solide Performance ab und sind guter Dinge. Zwei weitere Bands, und dann haben wir unseren zweiten Slot zu spielen. Ganz das Gegenteil vom Vorabend - jeder ist mit Spaß bei der Sache, und als Resultat ist das Publikum begeistert und gut vorgewärmt für Madame Carter. Auftrag erfüllt. Schnell den Kram von der Bühne. Mein Streßbrett wird nicht benötigt, man hat einen Konverter aufgetrieben.
Carlene Carter fand ich persönlich nicht so prickelnd, da kann Sie 1000 Mal die Stieftochter von Meister Cash sein. Hausmannskost mit mittelprächtiger Band. Aber ich versorge mich ausgiebig am Obstkorb der Dame, der im Backstagebereich drapiert wird, während Sie "Ring of Fire" trällert. Dazu Käse (wohl auch nicht für uns gedacht), Herz was willst Du mehr.
Eine Offenbarung dagegen die österreichische Formation "New West". Jeder Einzelne ein Hammermusiker, da stimmt wirklich jedes Detail. Sehr empfehlenswert.
Gegen 23:00 geht es zurück ins Hotel, diesmal durch den Haupteingang. Feierabend, es ist ein guter Tag gewesen.

Sonntag, der 11.5.

Ausgeschlafen, geduscht und ordentlich abgefrühstückt geht es um 10:00 wieder auf die Straße. Auf der Heimfahrt gucken wir passenderweise "Walk the line"Umsteigen ins beste aller Autos am Rasthof Holledau. Dann nach Erlangen zur Bergkirchweih. 15:00 trudeln wir ein. Ob des Massenbegängnisses können wir nicht direkt anfahren, sondern müssen unsere komplette Backline 300 Meter weit schleppen, und das durch Menschenmassen, die alle Zeit der Welt und nicht das geringste Verständnis dafür haben, daß so ein Amp eben ein gewisses Gewicht hat. Aaaargh. Winzige Bühne, nerv. Ich hasse nichts mehr als Bühnen, auf denen man das Crashbecken direkt neben dem Ohr und den Amp in den Kniekehlen hat. Grummel. Wenigstens steht die PA vom lokalen Beschaller. 17:30 ist der Soundcheck durch, dann Wurstsalat und bleifreie Radlermaß. Spielzeit ist 18-23h, mannmannmann, und das letzte Set am Stück von 21:20 ab. Die Setliste ist dem Publikum angepaßt worden, da geht es dann echt finster zur Sache. Im Wagen vor mir, Who the fuck is Alois und dergl., würg. Aber das trinkende Volk nimmt es gerne. Gegen Ende dann AC/DC, ZZ-Top etc, alles tobt auf den Bänken, aber Punkt 23:00 ist Schluß. Hallelujah!
Das Beste: am Folgetag ist der Gig am gleichen Platz, also nix abbauen. Lasse alles laufen, packe die Gitarren in den Koffer und ab nach Hause - Bamberg ist nicht so weit. Meine Finger zeigen langsam Ermüdungserscheinungen, der Fingernagel des Mittelfingers möchte den Kontakt zum Nagelbett kündigen. Autsch. Feierabend.

Montag, der 12.5.

Schlafen. Aufstehen am frühen Nachmittag, ausgiebig in die Badewanne, was, schon wieder 16:00? Ab ins Beste aller Autos, Ab zum Gig. Die anderen sehen nicht wirklich fit aus, man hat noch bis 5:00 früh getagt. Wurstsalat, bleifreie Radlermaß. Der Gig läuft genau wie am Vortag. Diesmal allerdings Abbau. Am nächsten Tag spiele ich zwar auch wieder auf der Bergkirchweih in Erlangen, aber mit anderer Band und auf einem anderen Keller. Der zunächst friedliche Mittelfinger tut nach dem Gig höllisch weh.
Doch sparsamer mit Bendings umgehen. Die Gage der vergangenen Gigs wird ausgezahlt, da lacht die Gummisau. Zum Abbauen kann man gottseidank vorfahren. Also rein mit dem Mist, und ab nach Bamberg.

Dienstag, der 13.5.

Um 09:00 aufstehen, au mein Kreuz! Jetzt reichts, heute nehme ich mir eine Stehhilfe mit, wurst was wer sagt von wegen Show. Nix wie los, denn man kann nur bis 10:00 anfahren, und ich habe überhaupt keine Lust, den Kram wieder zu schleppen. Den Fuchs lasse ich zu Hause. Edelamps auf der Bergkirchweih ist wie Schlammcatchen im Abendkleid. Und außerdem hat der Twin Rollen. Nachdem ich meine Pappenheimer kenne, wird es in dieser Besetzung auch deutlich lauter. Also Twin. Beim Aufbauen erfahre ich, daß der Gig von 16:00 bis 23:00 Uhr geht. Haben die noch alle an der Mütze? Sieben Stunden?
Aber andere Band, andere Nummern, mehr Konzentration, Freude darüber, mit diesem oder jenem mal wieder zu spielen lassen die Zeit dann relativ schnell vergehen. Verpflegung gibt es - keine.
Aber auch das geht rum, und wir haben uns wacker geschlagen. Dank Stehhilfe beim Gig fühle ich mich beim Abbauen wie der Frühling, und der Finger scheint sich langsam einzukriegen. Am nächsten Tag spielen wir auch wieder am Berg, aber auf einem anderen Keller. Da dann aber zwei Tage hintereinander. Also nach dem Gig das Zeug von Keller A nach Keller B und da wieder aufgebaut. Aber nur Backline, puh! Um 02:00 dann im besten aller Autos Richtung Bamberg.

Mittwoch, 14.5.

Um 09:00 hole ich meinen Kurzen ab, und wir gehen Modellfliegen, Minigolfspielen, Eisessen und alles was man halt so macht. Ist ein schöner Tag, und ich habe keine Lust, Ihn abzuliefern und wieder Mucke zu machen. Aber was hilft es.
16:30 dann auf den Berg, der Strat nochmal neue Saiten spendieren, was anderes kommt in dieser Besetzung eh nicht an den Start. Die Finger der linken Hand scheinen immer kürzer zu werden, die Nagelbetten wenigstens. Eine Stunde üben am Tag ist eben doch nicht das gleiche wie 5 oder mehr Stunden spielen. Wurstsalatbleifreieradlermaß.
Der Gig läuft prima, der Twin tut sehr gut, und schwupps ist es 23:00. Kein Abbauen, und ich bin um 0:30 mit dem besten aller Autos wieder in Bamberg.

Donnerstag, 15.5.

Den Tag dumm vergammelt. Will mir eigentlich die Larry Carlton Videos reinziehen, bin aber zu faul. Bestesallerautos dann Wurstsalatbleifreieradlermaß. SpielenspielenspielenFEIERABEND. Abbau und dann heim nach Bamberg. Ab ins Bett.

Freitag, 16.5.

Ein Tag off. Extremcouching und nicht viel mehr.

Samstag, 17.5.

Heute geht es mit der Kuhkapelle wieder nach Ösiland. Also um 11:00 ins beste aller Autos, unm 11:45 einen Aushilfsmischer in Erlangen eingepackt und dann nach Regensburg, wo man sich trifft. Umstieg/Umladen in den Bandbus, und dann auf nach Pierbach im Mühlviertel. Dort ist nämlich Feuerwehrfest. Mir schwant Übles.
Nach 4 Stunden Sardinenfeeling Ankunft in der tiefsten Walachei. Oh Gott, hier waren wir ja schon mal. Was war denn damals noch gleich los? Irgendwas war…
Anlage aufbauen, Licht, Backline, Soundcheck. Bratwurst, Almdudler.
Um 8 ist noch nichts los, also wird die Show verschoben auf 21:30. Angepeiltes Ende 02:30. WAAAS? Seufz. Ab 21:00 Einzug der Dorfjugend in Balzgewändern. (T-Shirts mit der Aufschrift "Der beißt nicht" und Pfeil nach unten für die Jungmännchen, die Jungweibchen quetschen sich in irgendwas rein, was möglichst alles irgendwo wieder rausquetscht.)
Wir hätten auch türkische Volksweisen spielen können, es interessiert niemanden . Dafür habe ich noch *nirgends* während meiner musikalischen Tätigkeit ein derart brachiales kollektives Preßsaufen erlebt. Sag noch mal einer, Pierbach in der Walachei wäre nicht zu kulturellen Höchstleistungen fähig. Uuuuhn-be-schreib-lich. An den Alkoholtoten vorbei haben wir dann abgebaut und sind nicht mal in eine der stattfindenden Schlägereien verwickelt worden. Dafür war die Gage wirklich fürstlich. Ankunft am Hotel (welches von Plakaten für ein lokales Jack-Daniels-Weekend geschmückt war) 05:30. Daß der Aushilfsmischer schnarcht wie ein Sägewerk ist mir auch schon Wurst.

Sonntag 18.5.

09:00 Frühstück, rein in den Bandbus, Richtung Norden. Es wird Asterix gegen Kleopatra gegeben. Wenigstens nicht die obligatorische Pink-DVD, ich finde diesen Damenturnverein einfach zum Speien. Aber das kommt davon, wenn man zwei Sängerinnen in der Band hat, die auch noch die Herrschaft über die Fernbedienung ausüben.
15:00: Umsteigen in das beste aller Autos, den Leihmischer in Erlangen rausgeschmissen, und kurz vor dem Ziel - der heimatlichen Couch - Vollsperrung der Strecke nach Bamberg Innenstadt. Was ist denn nun los? Und dann kommt sie, die Prozession, in der Mitte die Stretchlimo des Dalai Lama, vorn und hinten Benzen über Benzen. Das war dann das letzte Hindernis, und um 17:00 war der Gigmarathon dann beendet.

Lehren:

Nie irgendwelche Onkelz-Scheiben anhören, dann kann man ruhigen Gewissens sagen - Onkelz? Kenn ich nich, können wir nich.
Das Catering für den Hauptact auf irgendwelchen Festivals ist während dessen Auftritt meist unbewacht. Mnjam!
Im Laufe der Tour werden die Finger der Greifhand kürzer.
Pierbach/Mühlviertel ist die Stelle in Europa, wo der Alkohol durch ein Riß im Raum-Zeit-Kontinuum verschwindet - mit katastrophalen Auswirkungen auf die Bevölkerung. Aber das wird totgeschwiegen.
Ich hasse Bierzelte immer noch.
Gottseidank habe ich einen Bürojob. Ich *muß* das nicht machen.


Gruß Jergn


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