(Technik) Werkstattbericht: Elektrifizierung einer Archtop


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Beitrag von Kurt vom April 30. 2006 um 00:31:05:

Hallo Kollegen,

ich wurde vor ca. einem halben Jahr durch wunderbare Fügung glücklicher Besitzer
einer alten Framus-Jazzgitarre. Schon seinerzeit faßte ich den Entschluß, diese mit einem
Pickup auszurüsten, zumal sich darauf schon mal einer befunden hatte. Die Gitarre
war daher mit Löchern am Hals für Montage in Floating-Position und Löchern in
der Decke für Kabeldurchführung und ein Vol-Poti schon vom Vorbesitzer präpariert und prädestiniert
für die Re-Elektrifizierung.

Was noch fehlte war die Möglichkeit, ein Tone-Poti zu montieren. Bei dem Gedanken,
ein 8,5-mm-Loch durch eine Gitarrendecke zu bohren, stellt es mir zwar die
Zehennägel auf, aber diese Framus ist (zwar ein Schätzchen aber) nicht extrem wertvoll -
und außerdem waren eh schon Löcher drin ...

Wichtig war mir nur, das Loch für das Tone-Poti so anzuordnen, daß das Herstellerlogo
noch passend liegt und das Poti durch das F-Loch in der Decke mit dem Finger für die
Montage erreichbar ist.

Die Pickup-Auswahl zog sich etwas länger hin (auch um das damalige GAS nicht überzustrapazieren).
In die engere Auswahl kamen (durch Infos auf www.archtop-germany.de und persönliche Tips)
folgende floating (eine andere Montageart kam nicht in Frage) Pickups:

- Shadow Attila Zoller AZ48
- Kent Armstrong D-2
- Häussel Flatjazz

Der Kent Armstrong soll wohl so ähnlich wie ein Gibson Jimmy Smith klingen, der wiederum möglichst
so wie ein P.A.F. Er wird von etlichen Archtop-Gitarrenbauern standardmäßig eingesetzt, z.B.
auch von Stefan Sonntag, der mir diesen PU zwar verkäuft hätte, aber mir davon abgeraten hat, nachdem ich
ihm geschildert hatte, wie die Gitarre rein akustisch klingt: sehr sehr hell, spritzig, fast
blechern-schepprig, kaum Bässe. Ein warm-trocken-samtiger Archtop-Sound wäre mit dem
Kent Armstrong auf dieser Gitarre nicht hinzukriegen. Sehr fair von Herrn Sonntag, diese Auskunft.
Außerdem ist er hierzulande teuer (130 EUR), man müßte schon direkt in USA bestellen. In der
Bucht tummeln sich m.E. viele billige Plagiate aus Fernost.

Der Häussel (120 Tacken bei ACY) soll sehr gut sein, Woody berichtete aus eigener Erfahrung und Vergleich mit dem
Shadow nur Positives. Aber sein Tip war auch ausschlaggebend: wenn die Gitarre nicht für sich genommen schon
einen sehr guten Klang hat und obendrein noch Vol- und Tone-Poti sowie ein Kondensator
das reine Signal "verfälschen" dann lohnt die Mehrausgabe für den edlen Schwaben nicht. Zumal der
AZ48 auch ein guter PU sei.

Also: es wurde der Shadow, bei Thomann für schlappe 75 Oyroh bestellt und 2 Tage später
(heute) war er da.

Ich habe den PU praktisch bündig mit dem Griffbrett montiert, die Luft zwischen PU und
Saiten beträgt nur 3 mm.

Die sonstigen Zutaten hab ich in Dirk's "Röhrenstadt" besorgt:
- 2 x Alpha 500 kOhm logarithmisch, 24 mm
- Klinkenbuchse
- Drehknöpfe
- 22 nF Mallory

Kleines Beschaffungsproblem: ein abgeschirmtes Kabel für die Innenverdrahtung. Sowas gibts
weder bei Tube-Town noch bei Thomann (auch auf Anfrage) nicht. Nur bei Rockinger fände man sowas (oder bei Conrad?). Doof, wenn Kleinteile
bei lauter verschiedenen Läden bestellt werden müssen.
Abhilfe schaffte eine halbierte Stereo-Kopfhörer-Litze aus meiner Restekiste. Die Abschirmung dieses Kabels
ist, so denke ich, ausreichend. Ich habe nach getaner Arbeit einen groben Test mit einer Neon-Handleuchte
als Störquelle unternommen. Brummen fängt sich bei Annäherung der Leuchte als erstes
der Pickup selbst ein, dann in deutlich geringerem Maße die Klinkenbuchse (oder der
Stecker). Potis, Lötstellen und Kabel blieben ruhig.

Verdrahtung: Hier half ein Schema mit den Varianten "heutiger Verdrahtungsstandard" und
"50er-Jahre-Verdrahtung", das ich im Aussensaiter-Archiv (Jochen sei Dank!) gefunden habe.

Ich habe zuerst die 50er-Jahre-Variante ausprobiert (Tone-Kondensator wird mit dem
Ausgangssignal, das vom Vol-Poti zur Klinkenbuchse geht, verbunden). Es fällt sofort
auf: Drehungen am Tone-Poti verändern die Lautstärke.
Dann auf heutigen Standard umgelötet: Kondensator aufs Eingangssignal gelegt, das vom PU auf
das Vol-Poti geht. Ergebnis: Das Tone-Poti hat viel weniger Wirkung, auf
die Lautstärke nämlich gar keine mehr, aber auch auf den Klang, der läßt sich nun
weit weniger verändern. Allerdings klingt es ingesamt auch anders: im 50er-Mode war der
Ton höhenreicher und saftiger, jetzt ist der Ton boxiger,
perkussiver und hört sich mehr nach trockener Jazz-Archtop an (Hat Jochen im AS-Archiv
schon genau so beschrieben). Da ich so einen trockenen Ton
gesucht habe, lasse ich es erstmal so. Tone leicht zurückgenommen auf ca. 8/10 ist
eine gute Einstellung.

Die Saiten könnten über den Saitenhalter auf Masse gelegt werden - ich habe es nicht
getan. Warum nicht? Nun: zunächst nicht dran gedacht und übersehen, und nun funktioniert
es auch so.
Kann mir einer einen Grund nennen, warum ich die Saiten auf Masse legen sollte?


Zur Beurteilung des Pickups - wenn ich auch keinen Vergleich mit einem anderen
auf diesem Instrument habe:
Der AZ48 ist außerordentlich ausgewogen: keine dead spots, alle Saiten reagieren in allen
Tonlagen gleich kräftig. Der Sound ist klar, absolut Null Matsch. Dafür hört man aber
auch jeden noch so minimal unsauber gegriffenen Ton im Akkord raus. Die im reinen
Akustik-Betrieb fehlenden Bässe der Gitarre bringt der PU spielend.
Aus der (trotz 11er Thomastik Nickel-flatwound-Saiten) klimprig-hellen Jazzgitarre
bringt der AZ48 einen runden, schlanken Ton, wie ich
es von einem Jazz-PU erwarte. Aber er nimmt der Gitarre ihren spritzigen Charakter
nicht (kann das ein PU überhaupt?). Es ist beileibe keine L5 geworden, Wunder kann ein PU
nicht vollbringen. Aber der Sound ist sehr gut brauchbar, ich finde den PU richtig gut.
An meinem Blues Deluxe im kleinen Kellerzimmer ist die "Schwester"
etwas feedback-anfällig, aber auch bei kleinerer Lautstärke
macht es richtig Spaß.
Mal sehen wie wir uns auf der Bühne verstehen, bei der Jam-Session
nächsten Mittwoch im Bamberger Jazzkeller.

Und hier noch ein Foto nach getaner "Arbeit".



Groovigen Gruß
Kurt

P.S. Bedanken für außerordentliche Hilfe bei diesem meinem ersten Elektrifizierungsprojekt
möchte ich mich bei:
- Woody für die vielen guten Tips
- Markus (serraris)
- Stefan Sonntag
- 2T
- und Jochen, der mir unbewußt mit seinen Verdrahtungsdiagrammen große Hilfe leistete


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