Re: (Meinung) Isch hannet ja immä gesacht!Beitrag von Pepe vom Oktober 19. 2000 um 21:49:20: Als Antwort zu: Re: (Meinung) Isch hannet ja immä gesacht! geschrieben von Clem am Oktober 19. 2000 um 19:04:41: Tach Clem! Achtung, jetzt wird's ein wenig rechtsphilosophisch und -historisch. Vor ziemlich genau 100 Jahren ist das BGB in Kraft getreten. Damals ist man bei der Ausgestaltung der Vertragstypen davon ausgegangen, daß jeder für seine Interessen verantwortlich ist und diese auch durchsetzen kann, das heißt dann auf juristisch "Privatautonomie". Konsequenz: Wer zu blöd ist, auf sein Vermögen aufzupassen, hat halt Pech gehabt. Ausnahmen: Minderjährige und die, die nicht blöd, sondern krank sind. Im Laufe der Zeit hat man dann gemerkt, daß das nur funktionieren kann, wenn beide Vertragspartner in etwa gleich "stark" sind. Das entspricht aber nun einmal nicht der Wirklichkeit - versuch' mal, einen Kredit zu kriegen und der Bank zu sagen "Übrigens, Punkt X in ihrem Vertrag paßt mir nicht so ganz", dann sind die Verhandlungen ganz schnell zu Ende und du hast immer noch kein Geld. Da hat sich der Staat (nicht zuletzt unter EG-Einfluß) ziemlich eingemischt, sei es durch Gesetze oder durch Rechtsprechung (so sind im Wettbewerbsrecht Werbekampagnen als irreführend bezeichnet worden, die eigentlich nur vollkommene Hinterwäldlern in die Irre führen können). Im Arbeits-, Miet- und Urlaubsrecht sieht das ähnlich aus. Nun besteht in oben genannten Fällen aber eher ein Handlungsbedarf als bei Konzertbesuchen etc. - vergleichen wir mal: Wenn dich dein Vertragspartner aufgrund seiner überlegenen Erfahrung/Marktstellung übervorteilt, stehst du ohne Geld/Wohnung/Job da. Wenn dir das klar ist und du deshalb keinen Vertrag abschließt, hast du aber immer noch kein Geld/Wohnung/Job. Du bist also auf diese Art von Verträgen angewiesen, und der Staat muß das Ungleichgewicht der Vertragspartner ein wenig mildern. Wenn dir klar ist, daß es auf Konzerten oder in der Dizze (zu) laut ist, gehst du entweder nicht hin (was schwerlich mit Obdachlosigkeit zu vergleichen ist) oder du besorgst dir Ohrenstöpsel (2 Stones-Konzerte = ein Top-Gehörschutz). Musikmachen/-konsum ist Luxus, und man setzt sich der Gesundheitsgefahr selbst aus; du wirst ja nicht zum Konzertbesuch gezwungen. Aus diesem Gesichtspunkt der freiverantwortlichen Selbstgefährdung kannst du auch Schadensersatzansprüche gegen die Veranstalter des Lärms vergessen. Der Staat ist hier nur zum Handeln verpflichtet, soweit es um Immissionen geht - die ANWOHNER müssen ihre Ruhe haben können; die Besucher sind es selbst schuld. (@Friedlieb - daß sie trotzdem einen Anspruch auf Unterstützung bei den Behandlungskosten haben, steht auf einem anderen Blatt. Außerdem sind Raucher billiger für's Versorgungssystem, weil sie früher sterben - da werden Milliarden an Rente gespart) Wenn es allerdings so aussieht, daß der Großteil der Leute auf solchen Veranstaltungen zu blöd ist zu merken, daß die laute Mucke ihm gerade in den Ohren wehtut, dann könnte man an eine Handlungspflicht des Staates denken. Sind wir schon so weit? Nos vemos en infierno, Pepe NP: Francis Cabrel, Samedi soir sur la terre
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