Re: (Philosophie) musikalische Leichenfledderei


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Beitrag von Friedlieb vom September 23. 2000 um 11:25:53:

Als Antwort zu: Re: (Philosophie) musikalische Leichenfledderei geschrieben von The stooge am September 22. 2000 um 21:39:10:

Hi Stooge,

: [...] teile ich seine Ansicht über den berichteten Tatbestand der musikalischen Leichenfledderei

Das ist ein schwieriges Thema.

: Aber den Antworten entnehme ich, dass dieses (dochwohl für Metheny zentrale) Problem nicht so richtig angekommen ist -

Wir reden halt immer erst über Oberflächliches, bis dann ein holder Ritter daherkommt und uns die eigentlichen Probleme aufzeigt. :-) Für den einen oder anderen mag ja sogar die Musik von Pat Metheny die gleiche Art Fahrstuhlmusik sein wie jene von Kenny G. - bloß daß letztere sich leichter mitsummen läßt und daher auch Radioplay bekommt und die Platten sich besser verkaufen. Aber das wäre nur ein weiterer Aspekt, den man aus diesem Text ziehen könnte.

Also, diese musikalische Leichenfledderei verachte ich auch, bloß ist meines Erachtens die Grenze fließend.

In dem Fall, über den Pat Metheny sich so aufregt, ist die Grenze ganz klar überschritten.

In einem anderen Fall ist sie es meines Erachtens ganz klar nicht: Auf irgendeiner Platte von Peter Frampton (mag 5 Jahre her sein) ist ein Stück gemeinsam mit Steve Marriot drauf, basierend auf einem Vierspur-Demo, was Peter und Steve mal irgendwann aufgenommen hatten. Man hat Steves Gitarre und Gesang übernommen und aufbereitet, Peters Gitarre sowie die Rhytmusgruppe neu eingespielt. Oder so. Ist für mich ganz klar ein Vermächtnis, immerhin zeigt das Demo ja, daß sie dieses Stück zusammen machen wollten. Genauso wie ich heute auf einer Gitarre spiele, die mal meinem Vater gehörte, ohne daß ich das Gefühl der Leichenfledderei bekomme.

Oder im Fall Lynyrd Syknyrd, die sich nie von ihrem Big Boss und All Time Leader Ronnie van Zandt loslösen konnten: Da gibts auch auf der Twenty ein Stück zu Ehren von und mit dem bereits seit 23 Jahren Verblichenen. Leichenfledderei oder Fortführung des Erbes?

Und dann ein weiterer Aspekt, der auch in Harveys Posting (ohne daß Harvey den Unterschied so deutlich machen würde) eine Rolle spielt: Man bedient sich nicht der Stimme oder des Instruments eines Dahingeschiedenen, sondern eines anderen Ergebnisses seiner kreativen Phase, nämlich seiner Noten. Will sagen: Coverversionen.

Betreibe nicht auch ich Leichenfledderei, wenn ich mich mit meinen krummen Fingern an dem Intro von Little Wing versuche und dabei das Andenken des Meisters in den Schmutz ziehe?
Finde ich es wirklich gut, wenn alles und jedes als Rap wiedergeboren wird?
Verabscheue ich James Last für seine Lenorgetränkten Versionen alter Standards oder erkenne ich wenigstens seinen guten Geschmack bei der Auswahl der Stücke an?
Und wie ist es mit der RAP-Version von Kashmir, wo neben Puff Daddy ja immerhin Jimmy Page höchstselbst mitwirkt (und die ich im Übrigen total geil finde)?
Und ist nicht Hey Joe auch von einem unbekannten Billy Roberts geschrieben worden und von Hendrix bloß gecovert? Hat der etwa selbst gefleddert? Und wer zur Hölle kann mir mehr zu diesem Billy Roberts sagen?

Müssen wir nicht den Rappern zugestehen, daß sie unsere geliebten Stücke in ihrer favorisierten Musikrichtung neu interpretieren? Ist das für die nicht auch ein Akt der Ehrerbietung gegenüber diesen Stücken? Wurde Every Breath you take verhunzt oder erweist der Rapper dem Stück seine Referenz? Warum ist die Cover-Platte von Metallica so erfolgreich? Haben wir nicht auch damals gegröhlt, wenn wir eine Hardrock-Version von Jingle Bells spielten? Ein gerngehörtes Stück ins neue (von uns favorisierte) Kleid gepackt? Müssen wir das den Rappern und Technoten nicht auch zugestehen? Oder ist das dann was völlig anderes?

Ist Leichenfledderei nur dann Leichenfledderei, wenn das Ergebnis des Fledderns Geld bringt, es sozusagen aus niederen Motiven erfolgt? Und wer fällt das Urteil?

Wie gesagt, ein schwieriges Thema...

Keep rockin'
Friedlieb

NP: Cover Me/Springsteen Live


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