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(Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung?

Tach Leute,

in letzter Zeit beschäftigt mich ein Problem zunehmend und geht mir nicht mehr aus dem Kopf:

In den Siebzigern gab' es so richtige Feindbilder - Rocker und (besonders) Liedermacher ("wirkliche" und selbsternannte) zogen über die Schlagerszene her (nicht repräsentatives Beispiel: Udo Lindenberg "... all die ganzen Schlageraffen dürfen hier singen, dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortragen bringen, nur der kleine Udo, nur der kleine Udo darf das nicht ..."); Hannes Wader bezeichnete die ZDF-Hitparade als Fall für die Menschenrechts-Kommission und auch Reinhard Mey wies in seinem Lied über das Vorher-Fotomodell Detlef Kläglich auf die Leute hin, die Noten nicht von Fliegendreck unterscheiden können und ihr Hirn im Tanzbein aufbewahren. Robert Plant soll Slade als die schlechteste Gruppe der Welt bezeichnet haben.
Um gleich alle Klarheiten zu beseitigen: Ich bin ein Fan von allen oben Genannten.
Klar (wieso eigentlich "klar"?!) hab' ich diese Feindbilder übernommen. Die ZDF-Hitparade-Schlagerszene wehrte sich dann mit dem bewegenden Song von Tina York "Wir lassen uns das Singen nicht verbieten", was meine damalige aufrechte Haltung gegen diesen ganzen Mist nur noch bestärkte.

Heute komm' ich mir plötzlich vor, als hätte ich die ganze Zeit über Inquisition betrieben, gegen all das gewettert (hab' ich auch, und wie! - vielleicht erinnert sich der eine oder andere an meine Postings zum Thema "verhunzende Cover-Versionen" im Grünen, lang, bevor es die Aussensaiter gab) und versucht, diese Pestbeulen in unserer Kultur auszurotten. Mittlerweile fühl' ich mich so, als hätte ich meinen Kindern die Spielzeuge aus der Hand geschlagen und gegen Terminplaner, Registrierkassen, Religionsbücher und Tabellen eingetauscht.
Mit einem Satz: Ich schäme mich fürchterlich!

Ich hatte die ganze Zeit über nie begriffen, daß Musik Gefühle berührt, auslöst, steuert. Ich hatte "gelernt", daß Volksmusik widerlich ist (darüber hinaus bestens gerechtfertigt durch die These, daß die hierzulande übliche Volksmusik oft einen nationalsozialistischen Touch haben soll), daß Schlager reine Kacke sind und das ganze Geschunkel Volksverblödung. Sollte mir doch was davon gefallen, kann ich es als adäquate Rechtfertigung geschwind als "Kult" definieren und schon bin ich wieder absolutiert und fein raus.
Das kann's ja wohl nicht sein, denke ich (heute)!
Ich hab' mit dieser Haltung, die ich natürlich (?!) immer und bei jeder Gelegenheit vehement vertreten hab', sicherlich vielen Leuten vor den Kopf gestoßen. Heute kann ich vielmehr als früher nur darauf hören, was meine Seele zu dem sagt, was ich höre (heute "darf" man zugeben, Sweet-Fan zu sein, daß die Disco-Welle durchaus was für sich hatte - zur Neuen Deutschen Welle hab' ich mich aber von Anfang an bekannt!).

Um 's auf den Punkt zu bringen - den Musikantenstadl und vergleichbare Sendungen schau ich mir weiterhin nicht an, denn ich hab' rausgefunden, daß mir dabei rein ästhetisch immer noch der Kamm geschwillt (ich werd' halt nie behaupten, daß Scheiße gut riecht - wie tolerant ich heute wieder bin!). Aber bei manch anderen Sachen stoße ich immer wieder auf das Problem: Find' ich das jetzt Scheiße, weil ich's mal so gelernt hab' oder weil ich's wirklich so empfinde? Und: Wenn ich es Scheiße finde - kann ich dann denen, die sich daran erfreuen, ihren Spaß lassen oder muß ich das in "wohlmeinend"-missionarischer Absicht entsprechend niedermachen?

Habt Ihr da vielleicht auch Probleme? Würd' mich mal brennend interessieren!

Cheerio
Hans-Jürgen

Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung?

Hi Hans-Jürgen,

: In den Siebzigern gab' es so richtige Feindbilder

Ja, war doch gut, oder? Ich bin auch ein Kind dieser Zeit. Im prägenden Sinne. Aber der Mensch kann ja lernen, gegen seine Prägung anzukämpfen.

: - Rocker und (besonders) Liedermacher ("wirkliche" und selbsternannte) zogen über die Schlagerszene her (nicht repräsentatives Beispiel: Udo Lindenberg "... all die ganzen Schlageraffen dürfen hier singen, dürfen ihren ganzen Schrott zum Vortragen bringen, nur der kleine Udo, nur der kleine Udo darf das nicht ..."); Hannes Wader bezeichnete die ZDF-Hitparade als Fall für die Menschenrechts-Kommission

Alles sehr lobenswerte Agitation. ;-) Es ging wohl auch nicht nur darum, die Musik Scheiße zu finden und anzuprangern, sondern auch die dahinterstehende Politik. Zum Einen der Kommerz, die Abzocke, die damit gemacht wurde (und wird), den Leuten ihre primitiven Instinkte zu befriedigen. Zum anderen dieses "Dumme Texte, um das Volk dumm zu halten".

Inzwischen ist die hohe Zeit des Klassenkampfs aber vorbei und man sieht solche Dinge vielleicht ein bißchen anders.

: und auch Reinhard Mey wies in seinem Lied über das Vorher-Fotomodell Detlef Kläglich auf die Leute hin, die Noten nicht von Fliegendreck unterscheiden können und ihr Hirn im Tanzbein aufbewahren.

Kenn ich nicht. Hast Du mal den Text? War damit ein realer Schlagefuzzi gemeint?
- A propos Reinhard Mey: Wenn mich sonst einer aus meiner Altersklasse irgendwas über Reinhard Mey fragt, sag' ich immer "Reinhard Mey? Kann ich nix mit anfangen. So alt bin ich noch nicht!" ;-)

: Robert Plant soll Slade als die schlechteste Gruppe der Welt bezeichnet haben.

Und dabei sind ihre späten Werke Ihrer ersten Phase (The Banging Man, Far Far Away, Everyday) doch geradezu genial.

: Um gleich alle Klarheiten zu beseitigen: Ich bin ein Fan von allen oben Genannten.

Selbst wenn nicht, Toleranz ist angesagt. Ich kann jemanden lieben und seine Handlungen verabscheuen. Ich kann erst recht jemanden mögen und zugleich seinen Musikgeschmack zum Kotzen finden. (Einer meiner besten Freunde ist Chefredakteur bei einem kleinen privaten Radiosender, der hört am franzosische liebsten Chansons (würg), aber der Vorteil ist, daß ich von ihm immer die ganzen Heavy-Platten bekomme, die er Promo-mäßig so zugeschickt bekommt und mit denen er nix anfangen kann...)

Insofern auch eine Herausforderung an das diplomatische Geschick (welches man by the way auch trainieren kann): Klar und deutlich zu sagen, was man mag und nicht mag (in diesem Fall in musikalischer Hinsicht), ohne den Verdacht aufkommen zu lassen, das irgendwie persönlich zu meinen. Ein solch diplomatisches Vorgehen erstickt am Rande bemerkt auch jede POD-Diskussion im Keime. ;-)

: Klar (wieso eigentlich "klar"?!) hab' ich diese Feindbilder übernommen.

Natürlich klar. Prägung. Es waren noch keine Feindbilder da, und Deinem Lebensalter zufolge brauchtest Du welche. Also hast Du die genommen, die gerade in der Luft rumschwirrten.

: Heute komm' ich mir plötzlich vor, als hätte ich die ganze Zeit über Inquisition betrieben, gegen all das gewettert (hab' ich auch, und wie! -

Aufbruch der Toleranz?

: vielleicht erinnert sich der eine oder andere an meine Postings zum Thema "verhunzende Cover-Versionen" im Grünen,

Da hab ich mich inzwischen auch gewandelt. Ich weiß noch, wie Thin Lizzy (The Gordies oder so) unter anderem Namen eine sehrsehr rockige Cover-Version von Jingle Bells rausbrachten. Fand ich total toll. Das war ein Lied, dessen Melodie oder Feeling man gut kannte und wohl auch irgendwie mochte. Und der weihnachtliche Charakter wurde ihm gnadenlos geraubt. Wenn man das mal hinterfragt, stelt man fest, Thin Lizzy diesem Stück all das weggenommen hat, was in den Augen des Rockers störte, und das hinzugefügt hat, was ein guter Rocksong braucht.

Und genau das machen die Rapper oder HipHops oder wasweißichwer ja auch mit "unseren" guten alten Stücken: Sie zeigen damit, daß sie dieses Stück mögen, es aber gern anders spielen möchten, nämlich auf ihre Art. Ist nichts Verurteilenswertes dran. Man muß es ja nicht mögen.

Das Gleiche ist ja auch bei Metallica und Garage, Inc. passiert.

Die neue Kashmir-Variante aus dem Godzilla-Film find ich übrigens klasse.

: Mit einem Satz: Ich schäme mich fürchterlich!

Sei doch froh, daß Du es gemerkt hast. (Immer alles positiv sehen!) Die meisten Leute merken das nie und hinterher nennt man sie dann Spießer. (Meine Definition eines Spießers: Eral wieviel er gesehen, erlebt oder gehört hat, er denkt immer, darin wäre das gesamte Wissen des Universums bereits eingeschlossen und nach diesen Maßstäben könnte er simit alles und jeden beurteilen)

: Ich hatte die ganze Zeit über nie begriffen, daß Musik Gefühle berührt, auslöst, steuert. Ich hatte "gelernt", daß Volksmusik widerlich ist

Ist sie doch auch. Du darfst sie nach wie vor widerlich finden. Du solltest nur nicht die Leute verachten, die sie trotzdem mögen. Sie ist nur für Dich widerlich. Du brauchst Dir selbst gegenüber nicht tolerant zu sein. Wie die Musik für andere ist, darf und sollte Dir egal sein.

: heute "darf" man zugeben, Sweet-Fan zu sein,

Hey, das Synthie-Intro der Single-Version von Fox on the Run war ja wohl eins der geilsten Intros einer ganzen Dekade!

: Um 's auf den Punkt zu bringen - den Musikantenstadl und vergleichbare Sendungen schau ich mir weiterhin nicht an, denn ich hab' rausgefunden, daß mir dabei rein ästhetisch immer noch der Kamm geschwillt (ich werd' halt nie behaupten, daß Scheiße gut riecht - wie tolerant ich heute wieder bin!).

:-))) Es ist nur in Deinen Augen scheiße. Sobald Du es Scheiße nennst und dabei sagst, daß es Deine persönliche Meinung ist, darfst Du es Scheiße nennen, so oft Du willst. Das Spießertum beginnt da, wo einer irgendwas "Scheiße" nennt und zugleich den Anspruch vertritt, daß man das so sehen muß und nur so sehen darf.

: Aber bei manch anderen Sachen stoße ich immer wieder auf das Problem: Find' ich das jetzt Scheiße, weil ich's mal so gelernt hab' oder weil ich's wirklich so empfinde?

Ist das denn wichtig? Ich mein, es ist gut, sich von alten Gewohnheiten zu befreien und sie ständig zu hinterfragen, aber das Bedürfnis, die alten Fesseln abzustreifen, darf nicht dazu führen, daß man sich wieder einengt.

: Wenn ich es Scheiße finde - kann ich dann denen, die sich daran erfreuen, ihren Spaß lassen oder muß ich das in "wohlmeinend"-missionarischer Absicht entsprechend niedermachen?

Was wilst Du da machen? Musikalisch gibt es kein objektives Kriterium, und mit Aussagen wie "Die Wildecker Herzbuben wiegen zusammen knapp eine Tonne" kommst Du auch nicht weiter. Warum läßt Du den Leuten nicht ihren Spaß? Was bewegt Dich dazu, ihren persönlichen Geschmack kritisieren zu wollen? Weil Du willst, daß sie Deine Meinung als die einzig richtige anerkennen? Vergiß es. :-)

: Habt Ihr da vielleicht auch Probleme? Würd' mich mal brennend interessieren!

Ich habe diesen Aufbruch in die Toleranz vor ein paar Jahren erlebt, ich weiß nicht mehr genau, wann das war und wie es kam. Könnte sein, daß es war, als wir im Auto immer "Anne Kaffekanne" und "Benjamin Blümchen" hören mußte (Radikalkur a la Clockwork Orange) - ich weiß es nicht mehr.

Keep frohlockin'
Friedliebus II (Moralisch-Katholische Wochen)

alles fließt

Hi Leute, Hi Hans-Jürgen!

Das war ein schönes "Coming-out" und bestärkt mich in meinem Plan, Euch in den nächsten Tagen mit einer Meinungsänderung massiv vor den Kopf zu stossen!

Zu Deiner eigentlichen Frage habe ich eine pragmatische Haltung: Manche Sachen mag ich manchmal. Ich habe nicht immer die Laune, ein bestimmtes Stück einer bestimmten Band zu hören - das macht dieses Stück Musik aber nicht besser oder schlechter. Und wenn ich es gerade mag, höre ich es und wenn nicht, mache ich eben aus.

Warum mag ich Kirschen? Weil man mir gesagt hat, dass sie lecker sind? Mir egal, ich genieße sie beim Essen und sehe kein Problem.

Bis demnächst

Matthias

Re: (Philosophie) Rat?

Ich grüße dich :Hallo! :--)

Ich kann lieder mit den wenigsten der genannten Namen was anfangen, ersuche euch aber um einen Rat:

Ich (ja ich!) mag die meisten heutigen Sachen in Charts überhaupt nicht, und auch die heutigen sogennannten "Rockgruppen" sind nicht so ganz mein Geschmack.
Lichtblicke sind manchmal Rage against the Machine
(Rock? naja..), ab und zu Offspring (Rock?? naja..) und ja, wen noch??? Ich mag Guns'N'Roses, AC/DC, Van Halen, aber die sind ja auch nich richtig neu oder( :--) ?????Ich mag sonst eigentlich nur "alte Rocksgruppen" bzw. Songs.
Werde auch ich eines Tages aufwachen, und denken das die ganzen Scheiß - milchgesichtigen - Pop - Bravo - Viva - Typen gar nicht soooooooo schlecht waren?????
Werde ich gar die heutigen "Rockgruppen" gut finden??
Werde ich mich piercen??? Nein, das nicht..dann schon Tatoovation :--)


CRasta (mickrige 13 Jährchen alt)

Guns'N'roses Live Era: "Knockin On Heavens Door"

"Gimme some REGGAE!!"

Re: (Philosophie) Rat?

Hey Ho ...

: Ich kann lieder mit den wenigsten der genannten Namen was anfangen, ersuche euch aber um einen Rat:

Der beste Rat wächst dir links und rechts aus deinem Kopf :-)) Vertrau einfach deinen Ohren.

: Ich (ja ich!) mag die meisten heutigen Sachen in Charts überhaupt nicht, und auch die heutigen sogennannten "Rockgruppen" sind nicht so ganz mein Geschmack.

Hmmmm, irgendwie ist mir "Früher war alles besser"-Gerede immer etwas suspekt. Ich denke, es gibt heute eher mehr als weniger "gute" Rockgruppen. Nur die "Legenden" werden natürlich weniger. Heute ist das Angebot einfach weniger fixiert und vielfältiger. Und es gibt schlicht und ergreifend 1000sende von Bands mehr, als in den Sechzigern.

: Werde auch ich eines Tages aufwachen, und denken das die ganzen Scheiß - milchgesichtigen - Pop - Bravo - Viva - Typen gar nicht soooooooo schlecht waren?????

Ich kann da nur für meinen Geschmack sprechen, aber für mich haben die Neunziger einiges an hochkarätiger Musik hervorgebracht. Nur mal so als Beispiele: Chris Whitley, Pat Mc Donald, Little Axe, G.Love, Fugees, Social Distortion ...

die Liste ließe sich nach belieben verlängern. Natürlich gab's auch 'ne Menge Schrott, aber gab's den nicht auch in den vergangenen Jahrzehnten?

Einfach mal die Ohren öffnen und statt Viva gucken mal wieder dem örtlichen LiveMusic Club des Vertrauens einen Besuch abstatten. Manchmal tobt das Leben nämlich schon im Bunker nebenan ;-))

slide on ...
bOOgie

NP: Little Steven >Men without women<

Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung?

Also, zu dem Thema...

ich bin ja nun eher aus der naechsten Generation ( Mitte / Ende 70er geboren ), was ich aber festgestellt habe ist, wie Du schon sagtest, dass diese "Inquisition" aus der Zeit dann doch entschaerft wurde.
Warum ist das so....
Vielleicht komme ich hier zu weit vom Thema ab, aber eines scheint klar zu sein: Die lage hat sich in dem Sinne entspannt ( und wird sich hoffentlich noch weiter entspannen ), da viele Leute ganz einfach akzeptieren, dass andere Schlager oder Boygroups oder was weiss ich gutfinden..
Warum ist das denn so ?
Weil sie vielleicht inzwischen wissen, dass einige Leute andere Anforderungen an "ihre" Musik stellen ? Dass eine 13 jaehrige ihre Musik nach anderen Kriterien waehlt als ein 25 jaehriger oder 70 jaehriger ?
Hat natuerlich nicht nur mit dem ALter zu tun, und trifft auch nicht auf alle zu.
Wie ist das denn bei uns "Muckern" ?
Oft merkt man, wie in den "Gitarrenstammtischen" ueber Boygroups oder oder Schlager oder Interpreten wie ...Gott was weiss ich, Britney Spears oder sonstwen hergezogen wird, wegn wenig musikalischem Anspruch etc.
Ich glaube, dass da ein wenig mehr Lockerheit an den Tag gelegt werden muss. Diese Musik ist halt nicht auf Fans anspruchsvoller Musik oder was weiss ich ausgelegt. Sie soll unterhalten. Sie soll Merchandising verkaufen, und die dazugehoerigen Maerkte ( Bravo, Schl;agerhitparade und den ganzen Kult ) am Laufen halten.
Viele Leute hoeren einfach gerne einfache, gut gemachte Songs, denen ist egal ob der Text wieder mal "I love you, but you don't love me" oder "I want you back"-Gedoens ist, genau wie viele Leute halt "Blaue Berge"-Romantik hoeren.

Und ich denke, diese Toleranz fehlt ganz einfach. Wenn ich diese Musik generell Sch***e finde ( ist manchmal sogar ne ganz falsche Einstellung ) kann ich das meinem Kumpel mit dem gleichen Musikgeschmack erzaehlen, oeffentliche Beschwerden bringen aber nix und draengen mich in meine eigene kleine Ecke.
Ich war eine Zeitlang Mitglied einer Interntdiskussionsgruppe, wo es um eine Fusionband aus den 70ern ging ( wer's wissen will: Dixie Dregs, Steve Morse's ehemalige Kapelle ), und die Leute auf der Liste waren echte Hardcorefans dieser Band, und da die Dregs nun mal einen ziemlich hohen Anspruch an die Musik setzten, ging es auf der Liste manchmal hoch her....
da kamen dann Statements wie "Ich wuerde meiner Tochter nie Boygroupalben kaufen, ich spiele ihr oft Dregs-Platten vor, damit sie auf den Geschmack kommt" ( muss ich das noch kommentieren ?) , und irgendwie wurde mir das dann auch zu bunt.
Ich versuche inzwischen, das ganze ganz einfach entweder zu tolerieren, oder zu ignorieren. Sich drueber aufregen nuetzt doch gar nichts, bekehren kann man schon gar keinen, und wenn man einem Fan von Schlagermusik gerne mal andere Musik "vorfuehren" will, kommt man nicht weit, wenn man vorher Hasstiraden ueber die ach so ruchlose und kommerzielle Schlagerszene ablaesst.
Ricky Martin mag ich immer noch nicht ( obwohl die Gitarre vom Michael Landau....hmmmm =) ), aber wenn die Nichte meiner Verlobten das gerne hoert, ist das ihre Entscheidung...
Oh Mann, ich bin schon wieder vom Thema weg, sorry, ist halt eine Sache ueber die ich in letzter Zeit oefter nachgedacht habe.
Danke fuer's Zuhoeren ( oder ist es Zulesen ? ) =)
Eric

Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung?

Hallo Hans-Jürgen!

Ähnliches beobachte ich bei mir. Ich war früher was das Musik_gut_finden angeht sehr viel dogmatischer. In meiner Teenie Zeit gab es Musik, die ich eigentlich gut fand, aber die ich nicht hörte, weil sie zu einer Richtung gehörte, die ich nicht gut finden sollte oder wollte.

Wenn z.B. auf dem Schulhof über Musik dikutiert wurde, gab es zwei Fraktionen. Die einen hörten Beatles, die anderen Deep Purple. Obwohl mir damals "Live in Japan" saugut gefiel, hab ich bis auf's Messer gegen Deep Purple gekämpft und mir dafür von den Beatles auch die schlechteren Sachen mit geheuchelter Begeisterung angehört. Heute kann ich darüber nur lachen, aber schämen tue ich mich nicht dafür.

Man wird mir den Jahren halt klüger (in Grenzen) und unvoreingenommener. Nach wie vor erlaube ich mir den Standpunkt, bestimmte Sachen schlecht zu finden, aber erst nachdem ich es mir angehört habe. Heute höre ich genauso Deep Purple wie auch das Paul Kuhn Trio und alles was dazwischen liegt. Ich verabscheue - auch wenn es manchmal raffiniert gemacht ist - verrapte Pop-Klassiker (wenn ich "Every Breath You Take" von Puff Daddy höre, dreht sich mir der Magen um, genauso bei "Killing Me Softly" von den Fugees), ich würde aus so etwas allerdings keine Glaubensfrage mehr machen.

Gruß
Bernd

Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Rap-Verwässerung?

Aloha -

:Ich verabscheue - auch wenn es manchmal raffiniert gemacht ist - verrapte Pop-Klassiker (wenn ich "Every Breath You Take" von Puff Daddy höre, dreht sich mir der Magen um, genauso bei "Killing Me Softly" von den Fugees), ich würde aus so etwas allerdings keine Glaubensfrage mehr machen.

Nun, eigentlich bietet sich das doch geradezu als Glaubensfrage an; ich "glaub'" nämlich das wir (manchmal) verbohrten Rockersleut' dem Rap unrecht tun. Oder haben wir bei Cream auch geschrien: "Frevel, Unglaube, Lästerung wider der einzigen Wahrheit", als sie Robert Johnson "verpoppten"?

Ich weiß, die Diskussion um Coverversionen gab's hier schon mal .... nichtsdestotrotz sollten wir einfach mal denen Respekt zollen, die diesen auch verdienen:

- Danke an die Sugarhill Gang ... ihr wart die ersten, die Chic's Le Freak "beerbt" haben ... Queen und Bowie kamen erst Jahre später auf diesen tollen Song.
- Danke an Run DMC ... ihr habt uns zwei der liebenswertesten Drogenköppe der Rockszene wiedergegeben.
- Danke an die Beastie Boys ... für Humor, Parties und die schlimmste Sologitarre der Welt (Kerry King/Slayer)
-Danke an Puff Daddy ... dafür das sich auch die nächste Generation fragen wird, wer den der dünne Mann mit der schwarzen Gitarre und dem lustigen Bierbäuchlein ist.
- Danke an die Fugees .... weil's einfach 'ne tolle Band ist, die mit viel Respekt und Liebe schöne Musik macht.
- Danke an Dee Dee King ... dafür das es auch ein Leben nach den Ramones gibt ;-))

slide on ...
bOOgie

NP: Eric Schrody aka Everlast >Whity Ford sings the Blues<

Re: (Philosophie) Rat?

Tach CRasta!

Keine Aufregung, Puls wieder runter, ist ganz normal, glaube ich. Weil, als ich 13 war, ging's mir genauso. Ich weiß zwar nicht mehr, ob ich die Chartmucke so richtig grausam fand oder nur'n bißchen, aber mit dem, was ich mochte, stand ich eigentlich meistens relativ allein.
Vor allem war mein Musikgeschmack damals extrem einseitig: Mit 11/12 habe ich nur Pet Shop Boys gehört (die ich übrigens immer noch klasse finde - sehr gute Songs teilweise), dann für zwei/drei Jahre nur Depeche Mode, dann für zwei Jahre nur Queen, dann zwei Jahre nur Motörhead, und dann habe ich irgendwann gemerkt, daß es noch Musik neben der gibt, die ich kenne und mag. Und auf einmal wuchs meine Plattensammlung in die wildesten Richtungen.

Ich bezweifle mal, daß du eines Tages die Viva-Milchgesichter gut bzw. nicht schlecht finden wirst, weil sich an den Großteil der Lieder spätestens in vier Jahren keine Sau mehr erinnert. Aus den 60ern sind auch (fast) nur Beatles und Stones in Erinnerung geblieben, aber nicht die vielen BBC-Milchgesichter, die die Chartplätze dahinter belegten ...

Nos vemos en infierno, Pepe

NP: Los Rodriguez, "Salud (Dinero y Amor)"

Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Rap-Verwässerung?

: Aloha -

Gleichfalls, bOOgie


: Nun, eigentlich bietet sich das doch geradezu als Glaubensfrage an; ich "glaub'" nämlich das wir (manchmal) verbohrten Rockersleut' dem Rap unrecht tun. Oder haben wir bei Cream auch geschrien: "Frevel, Unglaube, Lästerung wider der einzigen Wahrheit", als sie Robert Johnson "verpoppten"?

Um Mißverständnissen vorzubeugen - ich habe nichts gegen Rap. Es gibt etliche Sachen, die finde ich richtig gut. Es geht darum, daß mir etliche Produkte der Remix- und Rap-Cover-Welle ganz persönlich überhaupt nicht gefallen. Es ist eine reine Geschmacksfrage.

Ein Glaubenskrieg wäre es wenn ich sagen würde "Rap ist scheiße, das höre ich nicht". Genauso ist das bei Blues und Rock. Es gibt originelle Versionen alter Blues-Songs und welche, die das Original nicht erreichen.

: Ich weiß, die Diskussion um Coverversionen gab's hier schon mal .... nichtsdestotrotz sollten wir einfach mal denen Respekt zollen, die diesen auch verdienen:

Grundsätzlich finde ich es interessant und gut, wenn sich jemand kreativ mit altem Material auseinandergesetzt hat. Deshalb erlaube ich mir, Deine Liste zu ergänzen:


- Danke an Carlos Santana für die schöne Version des Fleetwood Mac - Songs "Black magic Woman"

- Danke an Udo Lindenberg für seine ganzen eingedeutschten Coversongs

...später fällt mir noch mehr ein


und Danke an....

Hallo aussensaiter,

bin back, kann nur leider nicht chatten. :-((

Werde somit zu Oly's "Kackfarben" ein munteres "Scheißchat" in die Runde werfen. :-))

Danke an Cake für "I will survive"

Mit den besten Grüßen

Jochen

Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung?

Hallo Hans-Jürgen!

Eigentlich ist von den andern schon alles Wesentliche gesagt worden, aber ich kann den Mund nicht halten...
Ich denke, Teil des Problems ist folgendes: Wie Frank Zappa schon sagte, dient für viele Leute Musik zum "Lifestyle Enforcement", mit der Musik, die man hört, wird die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe unterstrichen.
Ich mochte in der 5./6. Klasse kein AC/DC, weil ich die Clique, die da drauf abfuhr, nicht ausstehen konnte. Etwas später mochte ich keinen Heavy Metal, weil ich diese Musik für primitiven Poser-Lärm hielt. Da habe ich doch mit meinen Genesis-Platten (natürlich nur die alten Sachen mit Peter Gabriel!) viel wertvollere Musik gehört! Inzwischen sehe ich das ganze auch viel entspannter, und ich kann z.B. auch "Unterhaltungsmusik" ohne schlechtes Gewissen genießen, wenn sie gut gemacht ist. Echte Begeisterung entwickele ich zwar bei anderer Musik, aber das ist auf keine bestimmte Sparte mehr beschränkt. (- und ich gebe zu, bei vielen Stücken, die ich so im Radio höre, kommt mir immer noch das Kotzen...)
Vielleicht hängt es mit unserem Musikerdasein zusammen, daß wir mit dem Musikmachen ein offeneres Ohr für Qualität entwickelt haben - und vielleicht mit einer gewissen Reife, daß wir die Musik als Abgrenzungskrücke gegen ungeliebte andere Gruppen nicht mehr nötig haben.

Johannes

in diesem Sinne NP: Anton Bruckner, 6. Symphonie

Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung?

Hi Friedliebus II,

Mann, da hab' ich Freunde, Bekannte und all solchen Scheiß, labere mir jahrelang den Wolf, ärgere mir die Platze an den Hals und dann schaffst Du es, in einem einzigen Posting all das in Bahnen zu leiten, die für mich plötzlich fast unproblematisch sind. Vielleicht hast Du mir damit ein paar Absolutionen erteilt, aber - nein, Du hast genau die richtigen Punkte rausgegriffen und vieles in's "rechte Licht" gerückt! Danke schon jetzt mal!

Auf ein paar Punkte gehe ich gleich kurz ein, der Rest wird Nachdenken meinerseits sein (vielleicht komm' ich damit mal rüber).
Das "Detlef Kläglich"-Stück hab' ich nur auf einer Live-LP von Reinhard Mey (Mitte/Ende der Siebziger); den Text müßte ich erst rausschreiben. Kurzer Abriß: Reinhard beschreibt hier satirisch, wie ein Produzent einen ziemlich (unter)durchschnittlichen Typen aufgabelt, der Fliegendreck nicht von Noten unterscheiden kann, keine Texte behält, von Singen können ganz zu schweigen, der dafür aber gut mit dem Arsch wackeln kann. Den bringt er dann mit irgendwelchen dilettantischen Stücken auf den Markt. Als das voll einschlägt, wird das ganze vollends ausgeschlachtet und als der Erfolg plötzlich ausbleibt, wird Detlef fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Der Text deutet auf niemand bestimmten hin.

"Ich kann jemanden lieben, aber seine Handlungen verabscheuen." Das habe ich schon ein paar Mal gehört - ich selbst schaffe das einfach nicht bzw. kaum. Dieses Defizit meinerseits ist in den tiefsten Tiefen meiner Erziehung verwurzelt und erst in diesen Tagen jetzt kann ich diesen Gedanken festhalten. Ich hatte ihn immer wieder vergessen - Dein Hinweis darauf ist sehr hilfreich für mich! Denn erst, wenn dieser Gedanke wirklich präsent ist, kann ich ihn auch weiter verfolgen und daran "arbeiten".

Slade - siehste, genau so ging's mir mit The Sweet, Marc Bolan und vielem anderen: Die Urteile meiner Klassenkameraden, Bekannten usw. hab' ich offensichtlich in dem Bestreben übernommen, bei denen keinen Widerstand o.ä. auszulösen. Deswegen kam ich damals gar nicht dazu, mein Gefühl zu befragen; gefallen hat's mir schon, aber das durfte nicht sein, sonst wär' ich wieder irgendwo unten durch gewesen. Die genannten Slade-Titel find' ich jetzt absolut genial, ebenso das meiste von Sweet, Marc Bolan war ein Hammer ... Jetzt sind sie alle fort, denen ich so etwas nicht gestehen durfte - aber der entscheidende Unterschied ist: Wenn jetzt wieder solche Zeitgenossen kommen, lasse ich mich nicht mehr in's Bockshorn jagen - jetzt stehe ich zu meinen Gefühlen, zumindest, was das Behaupten meines Musik-Geschmacks betrifft! (Mann, tut das gut!) Wes' "Alanneh" ist für mich traumhaft, die Girls von Venga Boys sind Spitze (schade, daß die Musik ...)

Aufbruch der Toleranz - ich glaube, Du hast recht! Mein "ich schäme mich" heißt wohl richtig: "Sorry an alle [natürlich relativ zu verstehen], die ich niedermachen wollte - ich wußte nicht, was ich tat." Herr, vergib' ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun ...

"Ich mein, es ist gut, sich von alten Gewohnheiten zu befreien und sie ständig zu hinterfragen, aber das Bedürfnis, die alten Fesseln abzustreifen, darf nicht dazu führen, daß man sich wieder einengt." Das ständige Hinterfragen ist seit langem eine meiner Lebensmaximen. Ich muß hier wohl noch meine Hinterfragungs-Strategien besser in den Griff kriegen ...

Ich freu' mich, daß dieses Thema eine solche Resonanz hervorgerufen hat. Die anderen Beiträge muß ich erst noch durchforsten - ich bin seit meinem eigenen Beitrag heut' das erste Mal wieder im Internet und hab' Deine Antwort als erste gelesen.

In diesem Sinne denn - cheerio
Hans-Jürgen

Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung?

Hi Hans-Jürgen,

: Mann, da hab' ich Freunde, Bekannte und all solchen Scheiß, labere mir jahrelang den Wolf, ärgere mir die Platze an den Hals und dann schaffst Du es, in einem einzigen Posting all das in Bahnen zu leiten, die für mich plötzlich fast unproblematisch sind.

Das bedarf einer sofortigen Relativierung. ;-) Ich hatte nämlich eher den Eindruck, daß ich sehr sehr viel mehr Worte benötigt habe, um das von mir gemeinte auszudrücken, als ich gerne wollte.

: Reinhard beschreibt hier satirisch, wie ein Produzent einen ziemlich (unter)durchschnittlichen Typen aufgabelt, der Fliegendreck nicht von Noten unterscheiden kann, keine Texte behält, von Singen können ganz zu schweigen, der dafür aber gut mit dem Arsch wackeln kann.

Ach, so wie Oli P.?

: Wenn jetzt wieder solche Zeitgenossen kommen, lasse ich mich nicht mehr in's Bockshorn jagen - jetzt stehe ich zu meinen Gefühlen, zumindest, was das Behaupten meines Musik-Geschmacks betrifft!

Da hatte ich das große Glück, auf der FOS einen Lehrer zu haben, der leidenschaftlich gern provoziert hat. Er benutzte z.B. irgendein abgefahrenes Fremdwort, und alle haben ihn mit offenem Mund angestarrt, keiner hat es kapiert, aber erstmal hat sich keiner getraut, nachzufragen. Als ich dann doch fragte, wass denn dieses Wort bitte heißt, meinte er, jetzt hätte ich mich aber blamiert. Weil ich das nicht wüßte und es jetzt alle merken würden, wie unwissend ich sei. Darauf fiel mir nur ein, daß ich keine Blamage darin erkennen könnte, der einzige zu sein, der sich traut, eine Frage zu stellen, die alle interessiert. Das kam so aus mir raus, ich war zu dem Zeitpunkt an sich ein sehr scheues Kerlchen. Aber dieser Lehrer, der hat mit seiner Art so aus jedem von uns das Beste rausgekitzelt, und das war gut so. Jedenfalls habe ich auf diese Art gelernt, zu meiner Meinung zu stehen, auch wenn sie ungewöhnlich erscheint.

Und bei der Musik ist ja eh alles erlaubt. Hey, Hendrix hat zuletzt mit McLaughlin gejammt. Wer weiß was dabei rausgekommen wäre!

Keep rockin'
Friedlieb (NP: Immer noch Peter Green)