Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung?


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Beitrag von Hans-Jürgen vom Januar 16. 2000 um 04:09:00:

Als Antwort zu: Re: (Philosophie) Abneigung, Intoleranz, Weltverbesserung? geschrieben von Friedlieb am Januar 09. 2000 um 11:38:31:

Hi Friedliebus II,

Mann, da hab' ich Freunde, Bekannte und all solchen Scheiß, labere mir jahrelang den Wolf, ärgere mir die Platze an den Hals und dann schaffst Du es, in einem einzigen Posting all das in Bahnen zu leiten, die für mich plötzlich fast unproblematisch sind. Vielleicht hast Du mir damit ein paar Absolutionen erteilt, aber - nein, Du hast genau die richtigen Punkte rausgegriffen und vieles in's "rechte Licht" gerückt! Danke schon jetzt mal!

Auf ein paar Punkte gehe ich gleich kurz ein, der Rest wird Nachdenken meinerseits sein (vielleicht komm' ich damit mal rüber).
Das "Detlef Kläglich"-Stück hab' ich nur auf einer Live-LP von Reinhard Mey (Mitte/Ende der Siebziger); den Text müßte ich erst rausschreiben. Kurzer Abriß: Reinhard beschreibt hier satirisch, wie ein Produzent einen ziemlich (unter)durchschnittlichen Typen aufgabelt, der Fliegendreck nicht von Noten unterscheiden kann, keine Texte behält, von Singen können ganz zu schweigen, der dafür aber gut mit dem Arsch wackeln kann. Den bringt er dann mit irgendwelchen dilettantischen Stücken auf den Markt. Als das voll einschlägt, wird das ganze vollends ausgeschlachtet und als der Erfolg plötzlich ausbleibt, wird Detlef fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Der Text deutet auf niemand bestimmten hin.

"Ich kann jemanden lieben, aber seine Handlungen verabscheuen." Das habe ich schon ein paar Mal gehört - ich selbst schaffe das einfach nicht bzw. kaum. Dieses Defizit meinerseits ist in den tiefsten Tiefen meiner Erziehung verwurzelt und erst in diesen Tagen jetzt kann ich diesen Gedanken festhalten. Ich hatte ihn immer wieder vergessen - Dein Hinweis darauf ist sehr hilfreich für mich! Denn erst, wenn dieser Gedanke wirklich präsent ist, kann ich ihn auch weiter verfolgen und daran "arbeiten".

Slade - siehste, genau so ging's mir mit The Sweet, Marc Bolan und vielem anderen: Die Urteile meiner Klassenkameraden, Bekannten usw. hab' ich offensichtlich in dem Bestreben übernommen, bei denen keinen Widerstand o.ä. auszulösen. Deswegen kam ich damals gar nicht dazu, mein Gefühl zu befragen; gefallen hat's mir schon, aber das durfte nicht sein, sonst wär' ich wieder irgendwo unten durch gewesen. Die genannten Slade-Titel find' ich jetzt absolut genial, ebenso das meiste von Sweet, Marc Bolan war ein Hammer ... Jetzt sind sie alle fort, denen ich so etwas nicht gestehen durfte - aber der entscheidende Unterschied ist: Wenn jetzt wieder solche Zeitgenossen kommen, lasse ich mich nicht mehr in's Bockshorn jagen - jetzt stehe ich zu meinen Gefühlen, zumindest, was das Behaupten meines Musik-Geschmacks betrifft! (Mann, tut das gut!) Wes' "Alanneh" ist für mich traumhaft, die Girls von Venga Boys sind Spitze (schade, daß die Musik ...)

Aufbruch der Toleranz - ich glaube, Du hast recht! Mein "ich schäme mich" heißt wohl richtig: "Sorry an alle [natürlich relativ zu verstehen], die ich niedermachen wollte - ich wußte nicht, was ich tat." Herr, vergib' ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun ...

"Ich mein, es ist gut, sich von alten Gewohnheiten zu befreien und sie ständig zu hinterfragen, aber das Bedürfnis, die alten Fesseln abzustreifen, darf nicht dazu führen, daß man sich wieder einengt." Das ständige Hinterfragen ist seit langem eine meiner Lebensmaximen. Ich muß hier wohl noch meine Hinterfragungs-Strategien besser in den Griff kriegen ...

Ich freu' mich, daß dieses Thema eine solche Resonanz hervorgerufen hat. Die anderen Beiträge muß ich erst noch durchforsten - ich bin seit meinem eigenen Beitrag heut' das erste Mal wieder im Internet und hab' Deine Antwort als erste gelesen.

In diesem Sinne denn - cheerio
Hans-Jürgen


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