Aussensaiter Forum

Diskussionen mit neuen Beiträgen

Hier darf jeder frei heraus seine Meinung sagen, solange niemand beleidigt wird. Auf Postings von Vollidioten sinnvollerweise gar nicht erst antworten.
Extrem unerwünscht sind reine Werbe-Beiträge. Danke.

(-) Header verbergen



Übersicht

(Privat) Gig-Review


Liebe Gemeinde!

Mag jemand einen kleinen Gig-Review lesen? Okay, machen wir es kurz, gestern hatte ich einen traumhaften Gig.

Wer zu Neid und Eifersucht neigt, sollte nicht weiterlesen. Wer Dramen sucht, auch nicht. Noch jemand da?

Ein weiterer Hochzeits-Gig mit meinem Trio stand an. Wieder eine sehr gute Freundin, absagen nicht möglich, trotz Freundschaft übrigens Gage. Der Gig sollte am Samstag in der Nähe von Göttingen stattfinden. Spielen am Nachmittag, als Tischmusik zum Kuchenbuffet bis zum Abendessen. Göttingen ist anderthalb Autostunden entfernt. Gut, also nüchtern bleiben und nach dem Essen nach Hause fahren, ausladen, Absackerbier, Feierabend. So der Plan. Dann erläuterte die Braut eine Woche vorher, dass für uns ein Hotel gebucht sei, weil wir unbedingt auch mit feiern sollten. Da sagt man doch nicht nein.

Wir proben ja nicht so regelmäßig und beschlossen daher, das am Freitag vorher noch zu tun und zwar bei der Sängerin. Die kam auf die Idee, zu der Probe gleich noch ein paar Leute einzuladen, statt einer richtigen Probe spielten wir also einen kleinen Partygig, wobei wir allerdings die etwas "klappernden" Songs doppelt spielten. Nachdem die Gäste gegangen waren, saßen wir noch bis etwa halb zwei mit Bier auf dem Balkon und genossen einfach unser Leben. Schöner Abend.

Übernachten bei der Sängerin, ausgiebiges Frühstück, Packen und ab dafür! Staufreie, entspannte Anfahrt, nettes Hotel, dann zur Location. Wow, toller Laden, direkt am See. Allerdings die Räume für die Feier im ersten Obergeschoß und die erste Überraschung: Ein Fahrstuhl! Im ersten OG ein traumhaftes Ambiente, Blick über den See, um den gesamten Saal ein großer Balkon, tatsächlich alle Fenster bis zum Boden zu Öffnen und zur Seite zu schieben. Also praktisch Open Air mit Dach. Holzboden, kein Glas. Das Personal total nett, stand schon mit Kabeltrommeln bereit, Getränke gab es auch sofort. Wohlfühlen pur. Also luden wir entspannt aus, als plötzlich jemand erschien und sich als der DJ zu erkennen gab, der nach uns Musik machen sollte und eine fette Anlage mitbrachte. Es war gar keine Frage, dass wir uns auf eine Anlage beschränken würden und zwar seine, wobei wir aber unseren Mischer verwendeten. Verkabelt, angeschlossen, die Regler standen noch vom Vortag richtig, auf einen Einzelsoundcheck hatte keiner Lust, also Einzählen und zusammenzucken. Höllenlaut, Master runter! Und dann ungläubiges Staunen aller Beteiligten, so gut war der Sound. Alle grinsten sich an, jeder genoß auch für sich und ich bekam beim Soundcheck die erste Gänsehaut. Schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass das grandios werden würde.

Bißchen aufräumen, überflüssigen Kram wegräumen und schon stand ein freundlicher Kellner neben uns, sagte uns als erstes, dass wir ihm sehr gut gefallen würden und zeigte einen Nebenraum, in den wir alles reinräumen konnten, was wir nicht brauchten, sprich Gitarrenkoffer, unsere Boxen, Keyboardcase etc. Der Raum stand auch über Nacht zur Verfügung, noch kürzere Transportzeiten nach dem Abbau also und kein Equipment über Nacht im Auto. Wunderbar. Jetzt Umziehen, Anhübschen und dann kam auch schon die Hochzeitsgesellschaft. Showtime! Bißchen zu wenig Zeit, um richtig Lampenfieber zu bekommen, ein bißchen aufgeregt bin ich aber doch. Schnell noch ein Sektchen, einmal zu dritt umarmen, rauf auf die Bühne, Gitarre einstöpseln, kurz nachgestimmt, Angrinsen, Anzählen und los. Mit Menschen im Saal klingt es fast nochmal geiler. Vielleicht liegt es einfach daran, dass wir jetzt auch richtig intensiv spielen. Ein paar Leute hören sofort richtig zu, andere unterhalten sich weiter, wippen aber mit dem Fuß mit. Nur entspannte oder begeisterte Gesichter, definitv niemand, dem wir tatsächlich nicht gefallen.

Der Sound grandios, Gesang, Piano und Gitarre harmonieren prächtig, wir drei strahlen um die Wette. Applaus gibts auch - auch von denen, die sich augenscheinlich während unserer Musik unterhalten. Samstag nachmittag, es ist richtig warm und ich friere - weil ich während des gesamten ersten Sets von 45 Minuten eine Gänsehaut habe. Pause, was zu Trinken holen. Der Typ hinter der Theke ist völlig begeistert und meint, er könne sich überhaupt nicht auf seine Arbeit konzentrieren. Schon jetzt ganz viele Komplimente von Gästen, obwohl wir mit einem sehr zurückhaltenden Set angefangen haben. Zehn Minuten auf dem Riesenbalkon in der Sonne aalen, weiter geht´s. Zweites Set etwas offensiver, ein paar Kinder tanzen und die Anzahl der wirklichen Zuhörer nimmt deutlich zu. Der Applaus auch. Wolke sieben.

Kurz vor Ende des zweiten Sets lässt es sich ein Gast leider nicht nehmen, ein "Hochzeitsspielchen" zu spielen, was zu einem überraschenden Ende des zweiten Sets führt. Auch danach freundliche Worte von allen Seiten. Päuschen. Drittes Set. Der Bräutigam schaut etwas irritiert erst zu uns, dann auf seine Uhr und gestikuliert, was ich aber nicht verstehe. "Frag ihn mal, was er will", sage ich zur Sängerin, "ich spiel ein Solo". Statt um 19:30 sollte das Essen schon um 19:00 beginnen. Das dritte Set bestand also lediglich noch aus drei Songs. Schade.

Servieren bei einer Hochzeitsgesellschaft braucht ja seine Zeit, jedenfalls genug Zeit, um schnell unseren Kram zusammen und dann in den Nebenraum zu packen, die Bühne und Anlage dem angekommenen DJ überlassen und dann in Ruhe zu essen. Soviel zum Gig. Sehr leckeres Essen, dann Party bis drei Uhr morgens. Während der Party noch sehr viele anerkennende Worte über den Gig. Ab ins Hotel, am nächsten Tag noch gemütlich frühstücken, einladen und ab nach Hause. Was für ein traumhaftes Wochenende!

Jetzt werde ich noch die Sonne ein wenig genießen und versuchen, mich zu regenerieren....

Es grüßt ein sehr glücklicher

erniecaster



P.S. Paar technische Daten: Die fette Anlage war von Dynacord, 2 kW Ton laut dem DJ. Zwei Boxen auf Ständer, Subwoofer. Unglaublich feinzeichnend und total dynamisch. Toll. Artcore über Sansamp GT-2 mit etwas Hall aus dem Pult, wunderschöner Cleansound mit Ampgefühl, die Effekte aus dem BOSS ME 50, das geht noch besser. Akustisch die Yamaha APX, so einfach im Handling wie immer, diese Anlage zeigte natürlich die Grenzen dieses Instruments auf. Wohlgemerkt, mehr als brauchbarer, definitiv absolut befriedigender Sound allerdings nicht so gut wie der der Elektrischen.

Re: (Privat) Gig-Review

Hi Matthias,

: Mag jemand einen kleinen Gig-Review lesen?

ja, immer gern. Vielen Dank, daß Du Dir die Zeit genommen hast, diese schöne Geschichte mit uns zu teilen. Und herzlichen Glückwunsch zum gelungenen Gig. Das gönn ich Dir. :-)

Womit sich für mich gleich die Frage anschließt: was können wir selbst tun, um ein Umfeld zu schaffen, in dem diese Athmosphäre der Hilfsbereitschaft und Hingabe entsteht?

Keep rockin'
Friedlieb

Re: (Privat) Gig-Review

Geht doch nix über eine DI-Lösung mit 'ner guten PA... ;-)

Den Gig würde ich mir rahmen lassen. Gibt zwischen solchen Sternstunden wieder genügend von der Sorte, wo man sich anschließend fragt, warum man sich das immer wieder antut.


der onk mit Gruß

Re: (Privat) Gig-Review

Hallo!

Womit sich für mich gleich die Frage anschließt: was können wir selbst tun, um ein Umfeld zu schaffen, in dem diese Athmosphäre der Hilfsbereitschaft und Hingabe entsteht?

Kurz gesagt: Freundlich sein, möglichst niemandem Stress machen und das Personal als Kollegen respektieren.

Ein Patentrezept gibt es sicherlich nicht; was wir dafür tun, sollte an sich selbstverständlich sein. Ein Gig GEGEN das Personal kann nicht gutgehen. Wir packen also nicht gleich Boxenstative oder Boxen oder große Cases aus, sondern gehen ohne jedes Gepäck erst einmal in den Raum, in dem gespielt werden soll. Dort suchen wir jemanden vom Personal, stellen uns freundlich vor und fragen, wo wir uns denn aufbauen sollen. In diesem Fall war das Personal auch gleich freundlich zu uns, fragte wie gesagt nach Getränkewünschen oder ob wir sonst irgendwas brauchen würden, die Kabeltrommel wurde uns unaufgefordert gebracht und gezeigt, wo es Strom gab.

Als ich z.B. das lange Stromkabel verlegt habe, hat einer der Kellner schon recht genau zugesehen und ich habe peinlich darauf geachtet, dass es nicht im Weg lag. Er war sehr zufrieden. Wir achten ohnehin darauf, dass auf, um und neben der Bühne eben nicht Koffer, Cases und Krempel rumstehen, Kabel so verlegt werden, dass weder Stolperfallen entstehen noch irgendwo unordentliche Kabelhaufen rumliegen. Es soll einfach ordentlich und professionell aussehen.

Als der DJ ankam, haben wir das ähnlich gehandhabt. Wir haben die Zeiten abgesprochen, an denen wir weg sein sollten, geklärt, was wir gemeinsam brauchen und die Frage, ob wirklich zwei Anlagen nötig seien, lag ja quasi in der Luft. Als der DJ seine dickere Anlage anbot, haben wir natürlich nicht gezögert. Wichtig dabei war für ihn, dass wir auch nur mit zwei von unseren Kabeln in sein Geraffel mussten. Das war für alle Beteiligten einfach. Nachdem wir uns darauf geeinigt hatten, nur seine Anlage zu benutzen, haben wir drei ihm Einzelkämpfer natürlich auch beim Ausladen geholfen. Und als der Sound dann gut war, habe ich seine Anlage natürlich in höchsten Tönen gelobt. Wir hatten die Übergabe der Bühnenfläche für halb acht vereinbart. Fünf vor halb acht war alles für ihn geräumt und er konnte sofort aufbauen. Dabei habe ich ihm noch mit ein paar Kabelbindern ausgeholfen.

Nach dem Gig haben wir uns auch beim DJ und bei den Leuten vom Personal bedankt, mit denen wir zu tun gehabt haben. Der Zauberspruch muss einfach sein: "Das Personal ist unser Freund." Das bedeutet nicht, dass man alles hinnehmen muss und rechtlos ist. Man kann seine Wünsche auch freundlich vortragen und dabei möglichst sachlich begründen. Wenn das Personal merkt, dass da niemand den (Möchtegern-)Rockstar raushängen lassen will und man die Bedürfnisse des anderen versteht und berücksichtigt, ist man eben kein zusätzlicher Stressfaktor sondern schon fast Kollege.

Viel mehr lässt sich wohl nicht machen.

Gruß

erniecaster