Re: Linkschreibung, England und Demokratie


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Beitrag von Hokey vom August 11. 2004 um 11:41:42:

Als Antwort zu: Linkschreibung, England und Demokratie geschrieben von Oly am August 11. 2004 um 10:07:26:

Das irgendwelche Änderungen oder Reformen dann immer verwässerter werden ist die Konsequenz - es soll jedem Recht gemacht werden (sonst werden gleich Bürgerinitiativen eingerichtet, Anwälte eingeschaltet, notfalls Attentate verübt :-(( ) - und das funktioniert nicht.

Was einige unserer Zeitungen jetzt machen, ist im Prinzip ein K.O.-Schlag für die Demokratie.


Entschuldige, aber das ist, um es mit den Worten Peter Scholl-Latours zu sagen, Bullshit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist, ebenso wie unsere Anwälte und Bürgerinitiativen, eine wichtige Komponente, durch die Demokratie erst funktionieren kann. Jeder Machthaber muss wissen, dass ihm jederzeit auf die Finger geguckt wird, jeder Entscheider muss wissen, dass seine Entscheidung (jederzeit und von jedermann) hinterfragt werden kann und muss. Demokratie bedeutet eben nicht, dass eine Partei vier Jahre lang machen kann, was sie möchte und nach ihr dann die Sintflut. Demokratie bedeutet Diskurs, Dikurs, Diskurs. Wenn in Frankfurt der Flughafen ausgebaut werden soll, dann haben die Anwohner das gute Recht eine Initiative dagegen zu gründen, genauso, wie die Lobbyisten des Flughafens versuchen, die Politik für ihre Sache zu gewinnen.

Und nebenbei gesagt, wissen wir doch alle, dass Wahlkampfversprechungen nicht bindend sind, d.h. was eine Partei wirklich und konkret in den nächsten vier Jahren macht, das wissen wir alle erst dann, wenn es soweit ist. In diesem Punkt den Bürgern Schuld am Niedergang der Demokratie (ich glaube nicht dran!) zu geben, ist ziemlich einseitig - die Parteien wären daran mindestens im gleichem Maße beteiligt.

Was die Zeitungen zur Zeit machen, ist im übrigen ihr Recht. Die Schreibung ist (bis heute zumindest), kein Gesetz. Jeder (sofern nicht im Staatsdienst) kann schreiben, wie er will. Dieses Recht nehmen sich die Zeitungen. Hat mit Demokratie im Prinzip gar nichts zu tun, und ist nichts weiter als eine Meinungsäußerung. Folge ist nun eine vehemente Debatte (weder Gen-, Klon-, oder PID-Debatte wurden so heftig geführt wie die aktuelle Rechtschreibdebatte...), die vielleicht zu einem produktiven Ergebnis führt. Ist das der Fall, dann hat die Demokratie einmal mehr bewiesen, dass sie funktioniert und doch nicht nur eine Parteienherrschaft mit abnickedem Stimmvieh ist. Interessant sind in diesem Punkt auch die Bestrebungen im Zuge der Einführung von Hartz IV eine neue Linkspartei zu gründen. Natürlich ist das gegen die aktuelle Regierung gerichtet, aber doch wohl eher ein Zeichen gesunder Demokratie, oder? Genauso wie die neuen Montags-Demonstrationen. Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, gerade diese Vorgänge bringen klar zum Ausdruck, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben.

So.

Desweiteren ein Ami, der schon 40 Jahren in Deutschland lebt. Der hat heute in der SZ geschrieben, was wir Deutschen für einen Firlefanz um die Rechtschreibung machen würden, der gesamte anglo-amerikanische Raum schere sich einen Dreck um unterschiedliche Schreibweisen und schaffe es trotzdem führend in Wirtschaft und Wissenschaft zu sein. Recht hat er...aber das hat jetzt nichts mehr mit Demokratie zu tun...


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