(Aus deutschen Landen) grobys Tagebucheinträge: Stoppok, Chris Whitley, EoC, Fink, Tomte, Jan Plewka,....


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Beitrag von groby vom März 20. 2002 um 11:22:21:

Moin.

Hier ein kleiner Auszug aus meinem fiktiven Tagebuch. Quasi eine Schnippselsammlung für alle die deutschsprachige Rockmusik mögen. Jeder Schnippsel an sich hätte keinen Forumseintrag verdient aber als Sammlung geht es vielleicht.


Konzertbericht : Stoppok (Bochum, Bahnhof Langendreer). Onkel Stephan in bester Spiellaune mit leckerer Band (also die üblichen Verdächtigen plus neuem aber sehr energetischem Drummer) präsentiert fast 2 1/2 Stunden ordentlich was auf die Ohren. Leider hakt er viele Songs in Potpouris ab, was etwas zwanghaft wirkt und wirklich nach "Abhaken" ausieht. Ansonsten versteht es Onkel Stephan natürlich wieder, seine Zuschauer mit kleinen Anekdoten und lustigen Ansagen zu unterhalten, diesmal natürlich gerne zum Thema Wellness-Tipps, denn schliesslich ist die Band unter der Wellness-Flagge unterwegs. Ich habe seine neueste Platte noch nicht, aber es scheint, als seien die Songs dort wieder etwas deftiger als auf "Neues aus...". Jene Platte fand ich im Schnitt etwas mau. Ein schöner Pluspunkt des Konzertes: Besonders leckere Sounds von Gitarrist Mario.

Vor-"Gruppe" bei Stoppok war Chris Whitley , die wandelnde Unterarm-Vene. Die meisten hier kennen ihn wahrscheinlich sowieso schon, den Mann, neben dem selbst Iggy Popp gut im Saft aussähe. Er krächzte, ächzte, schrammelte, und knarzte einem seine Songs um die Ohren. Musik im Urzustand. Fantastisch. Ich hatte mir damals "Live At Martyrs" als erste Platte von ihm gekauft und habe aber die Songs erst richtig verstanden nachdem ich mir "Living with the Law" gekauft hatte. Irgendwie war es ein "Ach-So!"-Erlebnis, die eine Platte erst durch die Folie der anderen zu erleben. Ein ähnlicher "Ach-So!"-Moment ist das Konzert. Man hört genau das, was auch auf "Live at Martyrs" drauf ist, aber es ergibt auf einmal viel mehr Sinn, dieser - so scheint es - geqälten Seele bei dem Songs direkt ins Gesicht schauen zu können.

Konzertbericht: Element Of Crime Zeche Bochum. Stoppok schafft Stimmung, Element of Crime schaffen Atmosphäre. Ein feiner Unterschied, alleine schon in den Texten, wobei ich Sven Regner für den besten deutschen Lyriker halte, auch außerhalb der Musikszene. Element an diesem Abend in bester Spiellaune, sofern man das von den wortkargen Musikern und dem Lapidar-Ansager Sven Regner vermuten kann. Jedenfalls verstanden auch sie es, 2 Stunden lang die Zuschauer zu fesseln und mit lakonisch, selbst-ironischen Zwischenkommentaren zu unterhalten. Einige mögen jetzt dazwischenwerfen "2 Stunden? In der Zeit hätte ich mir schon 2 Staind Konzerte anschauen können". Stimmt, Element wären auch schon eher fertiggewesen, wenn sie nicht schon recht früh angefangen hätten mit der üblichen Scharade, scheinbar fertig zu sein um sich dann um Zugaben bitten zu lassen. Zugaben gab es dann allerdings auch reichlich.
Schön übrigens, das gerade jene Songs der neuen Platte, die auf Platte vielleicht etwas "ange-kitscht" daherkommen, live um einges wirkungsvoller und direkter kommen. Ungewöhnlicherweise spielten sie einige ihrer ganz ganz alten, noch in Englisch geschriebenen Stücke. Ebenfalls schön anzuhören: Das schöne Zusammenspiel von stellenweise drei Gitarren ohne den Liedern dabei die Luft zu nehmen. Auch der Sound war nicht zu laut, nicht zu leise und gut gemischt.
Ein Minuspunkt hier allerdings an das Verkaufsgebahren der Zeche, weil es wirklich die Atmosphäre stört wenn alle 10 Minuten Biertabletts durchs Publikum getragen werden und deswegen in ruhigen Passagen immer von irgendwoher laut Kleingeld abgezählt wird. Das geht vielleicht bei Konzerten die etwas mehr auf Party gedacht sind, aber oft geht es einem tierisch auf den Nerv.

Vorprogramm: Tomte . Kannte ich vorher nicht, erinnert aber an typisch Hamburger Schule (also deutsche Texte mit einfachem, oft getragenen, verzerrenden Gitarrenpop, wie beispielsweise Tocotronic). Eine sympathische Band, wenn auch stellenweise etwas lustlos wirkend. War als Vorgruppe ganz nett aber kein Vergleich zur Element-Vorgruppe der Vorjahre, nämlich....

..die Band Fink . Schrammelige, knarzende, und vor allem unglaublich spröde deutsche Countrymusik. Quasi in allem die Anti-Materie zu Truckstop. Jeder der mit Element of Crime was anfangen kann, könnte auch in Finks Alben einmal hereinhören. Die Bands sind sich recht ähnlich aber 1.) der Anteil, der bei Element aus dem Bereich des französischem Chanson kommt, ist bei Fink Country und 2.) Fink sind dabei trockener und noch ein Stück "lakonischer".

Und zum Schluss etwas für alle Selig-Fans: das Solo-Album von ex-Selig-Sänger Jan Plewka ist jetzt draussen und bedient die Lücke die Selig hinterliess viel besser als die neue Band des Gitarristen und ehemaligen Hauptsongschreibers Christian Kung Fu. Die nämlich können zwar mit ähnlich guten Songs aufwarten, wie seinerzeit Selig aber leider nicht ganz mit einer derart charismatischen Stimme und kryptischen wie Jan sie verbreitet. Erst dessen jetziges Solo-Album "Zuhause, da war ich schon" lässt mich erkennen, wie gross der Anteil der Texte und der Gesangsstimme an der Faszination Seligs war. Beides (Texte und Stimme) ist auf "Zuhause..." en masse verhanden, wenn auch in etwas gradliniger Form als auf den alten Selig Scheiben. Die psychedelischen Hendrix-Anleihen (Christains Neanders Markenzeichen bei Selig und Kung-Fu) sind hier nicht zu finden, stattdessen sind einige Songs auch mal in Dur und strahlen etwas positiver im Text. Ich hätte erst gewettet, dass Christians schöne Riffs und Hooklines mir hier fehlen würden, dass "Zuhause..." nicht genügend Gitarre hätte oder dass Jan mit einem zu fröhlichem, zu poppigem Album aus seiner Ruhephase zurückkommt. Dem ist nicht so. Sehr schön.

So das war's erstmal.


Weiterhin noch viel Spass mit dem Programm Ihrer Wahl wünscht Ihnen,
groby



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