(Meinung) PopKomm - Hungertuch2/Klarstellung Hungertuch1
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Beitrag von Nase77 vom August 19. 2001 um 22:20:21:
Hallo Nochmal,
ich möchte hier mal etwas klarstellen:
1. Es ging in meinem Tread NICHT um Eure Meinungen zum Thema "Schwarzbrennerei/Napster/Copykillsmusic... etc, pp...". Vielmehr hatte ich Euch um Eure Meinung zu den Verkaufsrückgängen gebeten.
2. Ich kaufe meine CDs!!! Jeder ernsthaft Musikinteressierte wird Musik nicht nur als reinen Hörgenuß betrachten, sondern sich neben dem Hörerlebnis ebenso am (hoffentlich liebevoll gemachten" Booklet/Klappcover erfreuen. Es ist nämlich NICHT das gleiche, ob ich eine Original- oder eine gebrannte CD in der Hand halte, von Vinyl ganz zu schweigen! Die Musik die ich mir anhöre ist Spartenmusik und somit eher auf Indies (Studio !K7, EFA... usw...) zu Finden. Ich habe keine Lust durch Raubkopien diesen Labels den Garaus zu Machen!
3. Meine Hochachtung an Chico für seinen Hinweis auf den Unterschied Major/Indie, aber leider leicht am Thema vorbei (s.o.).
Jetzt aber zur Sache, falls Ihr meine Meinung überhaupt noch hören wollt... ;-)
Meiner Meinung noch sind die großen Plattenfirmen selber Schuld am Umsatzrückgang, denn die Gründe sind allesamt hausgemacht!
1. Jahrelang machte das Geschäft mit dem Backkatalog einen nicht unerheblichen Teil der Verkäufe aus. Soll heissen, die Leute kauften sich ihre Plattensammlung noch mal auf CD. Dies hatte einen großen Vorteil: geringe Kosten, da alles schon vorhanden, gering bis gar nicht beworben und KAUFKRÄFTIGE Kundschaft (die Generation der 40 bis 50 Jährigen)... Mit einem Wort: Kostengünstig! Zweites Stichwort: Sichere Sache! Ob diese Taktik mit der Einführung der Audio-DVD noch mal aufgeht, mag bezweifelt werden. Denn die Rechnung, bessere (für den "normalen" Konsumenten vom Unterschied zur CD nicht mehr warnehmbare) Audioqualität = entsprechend höherer Preis ( = DM 80,-!!!), wird nach meiner Meinung nicht aufgehen.
2. Die Plattenfirmen haben verstärkt auf die kurzlebigen Trends gesetzt und es versäumt, sich Substanz aufzubauen. Die wird mehr und mehr den Indies überlassen. Das Ergebnis: Zu dem Zeitpunkt an dem ein Trend im großen Stil lukrativ wird, werden entweder die einzelnen Künstler oder komplette Labels übernommen, ausgeschlachtet und danach fallengelassen bzw. dichtgemacht...
Einige Beispiele:
Der unsägliche Deutsch-HipHop Boom und der genauso unerträgliche Boom von billig produzierten Rock-Coverversionen; ...Nu-Metal (LimpB und Konsorten, ganz schlimm: Papa Roach...)
Die Übernahme von Skint und der "BigBeat"-Hype,
Der derzeitige "Bossa Nova vs. Electro / Chillout / Café delMar"-Hype
Die Übernahme von Talkin' Loud und der kürzliche Rausschmiss von Gilles Petterson, der unter anderem mit dem komerziellen Flop des letzten Roni Size/Reprazent-Albums begründet wurde (der blanke Hohn, nachdem was der Mann für die Musik der 90er Jahre geleistet hat und immer noch leistet!)
Die immer noch andauernde Latin Welle (JLo usw).
In jedem dieser Bereiche gibt es natürlich neben den ganzen Geschmacklosigkeiten auch hervorragende Musik (losgelöst von Persönlichen Präferenzen oder Abneigungen), nur leider kann ich hier von Seiten der Plattenfirmen keine Langfristige Planung erkennen, da hier offensichtlich nur auf das schnelle Geld gesetzt wird. Dass Unternehmen keine Wohltätigkeitsvereine sind ist mir klar, jedoch sollte langfristige Planung das A und O sein.
3. Ein anderer Grund für den Rückgang ist eine Art "musikalischer Sozialisation" der sich mittlerweile kaum jemand entziehen kann. Das "Formatradio (Zweihundersuperhitsamstück...)" sowie MTV haben den Musikalischen Horizont extrem schmal werden lassen, da die Radiosender gezwungen sind, die Medio-Control Charts rauf- und runter zu spielen. Den Teufelkreis (Feedbackeffekt) in diesem Zusammenhang, also die selbsterzeugte Nachfrage durch die Mechanismen sowie die Vorraussetzungen durch die Unterschiedlichen Beteiligungen bzw die Aufteilung des Tonträgermartes, muss ich wohl nicht näher erläutern. Von freier Musikauswahl seitens der DJs/Redaktionen kann somit nicht mal im weitesten Sinne gesprochen werden (von Ausnahmen wie "Raum und Zeit" mit Klaus Viehe auf 1Live, sowie Jazz auf WDR4 mal abgesehen...). Das Ergebnis: die Musiksituation die wir heute haben. Ich empfehle in diesem Zusammenhang mal das Interview mit Thomas Anders und seinem Produzentenkollegen in der Keyboards sowie den Artikel im Times-International über den (u. a.) Britney Spears und N'sync Produzenten...
5. Die Musikkonzerne haben die technische Entwicklung verschlafen und versuchen die Syptome zu bekämpfen (Napster/MP3 und CD-Brenner), anstatt sich selbstkritisch mit ihrer Arbeit auseinenderzusetzen. Nur so ein Verhalten hat zu keinem Zeitpunkt an keinem Ort in der Welt funktioniert!
Bleibt nur zu hoffen, dass sich dieser Zustand irgendwann ändert, wenn nicht muss man sich halt weiter an Indies wie z.B. EFA halten oder auf Konzerten nach neuer Musik ausschau halten. Ob das vielgepriesene Internet etwas bewegt, halte ich vor dem Hintergrund solcher Allianzen wie AOL-Time Warner für mehr als fraglich.
So, ich hoffe mal, ich habe nicht allzuviele Aussensaiter verärgert, bzw. gegen mich aufgebracht. Falls doch, tut es mir Leid, aber ich finde dieser Thematik wird einfach zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht.
Unter dem Eindruck eines Wochenendes in Köln
Euer Nasenmann
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