Re: (Technik) Hören
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Beitrag von Saidy vom Dezember 06. 1999 um 14:02:40:
Als Antwort zu: Re: (Technik) Hören geschrieben von ullli am Dezember 06. 1999 um 13:41:36:
: Ich weiss es naemlich nicht, und suche jetzt schon seit Jahren. : Also, wer hat schon mal davon gehoert, und kann weiterhelfen??? hi Ullli, habe mal geschaut im Spiegelarchiv...aber deinen Artikel hab ich nicht gefunden...leider :-( Ich sehe mal im Stern nach ok? habe aber was anderes interessantes gefunden: "Ich wollte leben wie Elvis" Der amerikanische Popstar Bruce Springsteen über die Idole seiner Jugend, seine Wandlung vom Rocker zum Familienvater und die CD-Box "Tracks" mit bislang unveröffentlichten Songs aus den vergangenen 25 Jahren SPIEGEL: Mr. Springsteen, drei Jahre nach Ihrer letzten Platte präsentieren Sie nun eine Vier-CD-Box mit den Resten vergangener Jahrzehnte. So was erscheint gewöhnlich erst, wenn Musiker ihre Karriere beendet haben oder gestorben sind. Muß man sich Sorgen machen? Springsteen: Keine Angst, ich lebe, und ich bin auch noch nicht in Rente. Begreifen Sie die Box doch einfach als Moment der Selbstreflexion. Mein erstes Album ist vor einem Vierteljahrhundert erschienen, das Jahrtausend neigt sich dem Ende zu ein guter Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme. "Tracks" ist so was wie die AlternativVersion meines Lebens. SPIEGEL: Was haben Sie an der Originalversion auszusetzen? Ihre Songs über die kleinen Leute haben Sie immerhin zu einem der erfolgreichsten Musiker der Popgeschichte gemacht. Springsteen: Vergessen Sie nicht, daß ich 35 war, als ich 1984 mit "Born in the U.S.A." zum erstenmal wirklich großen Erfolg hat- Das Gespräch führten Christoph Dallach und Lothar Gorris. te. Mir war immer klar, daß es im Pop um Größe geht, darum, am Himmel kratzen zu wollen. Als ich von einer einzigen Platte 20 Millionen Stück verkaufte, hat sich für mich ein Traum erfüllt. Verkaufszahlen sind kein schlechter Maßstab, um Grenzen abstecken zu können: Wie gewaltig kann sich eine Karriere noch entwickeln? Und wieviel Karriere erträgt ein Künstler? SPIEGEL: Haben sich nicht gerade die größten Stars der Popgeschichte nie um diese Grenzen geschert? Springsteen: Stimmt. Die Idole meiner Jugend hießen Frank Sinatra, Bob Dylan, Elvis Presley. Ich habe als junger Bursche im Autoradio Elvis gehört und ihn geliebt, weil seine Musik mir eine Vorstellung davon gab, wie ein Leben aussehen kann und das war auf jeden Fall besser als das, was ich damals vor mir zu haben schien. SPIEGEL: Ein Kleine-Leute-Leben. Und wodurch haben Sie es geschafft, selbst ein Rock'n'Roll-Star zu werden? Springsteen: Durch Arbeit und durch meine Mutter. Während mein Vater seine Jobs öfter wechselte als seine Hemden, hat sie ihr Leben lang als Sekretärin gearbeitet und war nur einen Tag krank. Ein mieser Job, den sie da hatte, trotzdem wollte sie ihn so gut machen, wie es nur ging. Morgens, wenn sie sich für die Arbeit schön machte, hörte ich immer die Geräusche aus dem Badezimmer: Parfümflaschen, die auf den Waschtisch gestellt werden, das Wasser, das aus dem Hahn fließt, und wenn sie dann zum Frühstück herunterkam, sah sie wunderschön aus, duftete frisch und sprühte vor Energie. Das rhythmische Klacken ihrer hohen Absätze auf dem Asphalt, wenn sie das Haus verließ, habe ich heute noch in den Ohren, und es weckt in mir auch jetzt ein Gefühl von Sicherheit, von Stolz und Stärke. Sie hat mich vor der Verzweiflung meines Vaters gerettet. Und sie hat mir auch meine erste elektrische Gitarre gekauft für 60 Dollar, eine Menge Geld für jemanden, der keins hat. SPIEGEL: Warum mußte es ausgerechnet die Gitarre sein? Springsteen: Weil eine Gitarre Macht und Magie hat. Da, wo ich in New Jersey aufwuchs, gab es sehr heftige Rassenkonflikte. Unter der Woche schlugen sich die Jungs in den Toilettenräumen der High-School regelmäßig die Köpfe ein. Und genauso regelmäßig tanzten sie Samstag nachts gemeinsam in den Clubs zur Musik von Smokey Robinson, den Temptations und den Supremes. Diesem Versprechen, daß Popmusik für alle da ist, konnte ich mich nicht entziehen. SPIEGEL: Und ein paar Jahre später, 1974, schrieb Ihr späterer Manager Jon Landau, der damals noch als Musikjournalist arbeitete, in einer Konzertkritik: "Ich habe die Zukunft des Rock'n'Roll gesehen, und ihr Name ist Bruce Springsteen." Wie denken Sie heute über diesen legendären Satz? Springsteen: Ich verdanke Jon sehr viel, vor allem für das, was er als Freund für mich getan hat. Sein Spruch damals aber war schon ein bißchen ärgerlich. Ich erinnere mich genau, wie ich 1975 zum ersten- mal in London auftreten sollte. Überall in der Stadt hingen Riesenplakate: "Die Zukunft des Rock'n'Roll". Und auch die Halle war zuplakatiert. Ich bin so wütend geworden, daß ich eigenhändig alle Poster abriß. Natürlich wollte ich die Zukunft des Rock'n'Roll sein, aber mir wäre es lieber gewesen, die Leute schauen sich erst meine Konzerte an und kommen dann von allein auf die Idee. SPIEGEL: Damals waren Sie gleichzeitig auf dem Cover von "Time" und "Newsweek". Springsteen: Und hatte zum erstenmal Angst. Angst, vor einem großen Publikum zu versagen; Angst, von der nächsten Mode ausradiert zu werden. Aber ich war ein Junge mit Biß, und wenn die beiden größten Magazine des Landes anrufen, weil ihnen gefällt, was du da in New Jersey machst, dann sagst du nicht ab oder du bist falsch in diesem Job. Mein Vater sagte damals: "Besser du auf dem Cover als der Präsident". Danach verlief meine Karriere wie eine Achterbahn: Ich war die große Entdeckung, der Geheimtip, doch ein früherer Manager sorgte dafür, daß ich erst mal keine Platten produzieren konnte. Diesen Irrsinn übersteht man nur, in- dem man sich mit Menschen umgibt, die einen in der Realität halten: Freunde und Familie. Und meine Familie war damals die E-Street Band. SPIEGEL: Die Band haben Sie vor ein paar Jahren entlassen. Gefällt Ihnen Ihr Leben mit Ehefrau und Kindern? Springsteen: Das ist auch ein sehr schöner Job, für den ich nun endlich reif bin. Ich habe es lange nicht geschafft, zu Hause das Rock'n'Roll-Leben abzustreifen. Ich wurde melancholisch und wütend, weil ich das Gefühl hatte, eingesperrt zu sein. Das hat mich einiges gekostet: meine erste Ehe, eine Menge Nerven und noch mehr Therapiesitzungen für 200 Dollar die Stunde. Mit 25 glaubst du, dir gehört die Welt, die Verantwortung müssen die alten Knacker über 30 tragen. Aber plötzlich bist du 40, und wenn man dann immer noch keine Ordnung in sein Leben gebracht hat, dann sieht es böse aus. SPIEGEL: Sind Sie deswegen Ende der achtziger Jahren nach Los Angeles an die Westküste gezogen? Springsteen: Zu Hause in New Jersey fühlte ich mich beobachtet, ich brauchte ein wenig Ruhe zum Nachdenken. Los Angeles ist ein perfekter Ort, um sich neu zu erfinden: glamourös und wunderbar anonym. Eines Tages kam meine zweite Frau Patti von einem Schönheitssalon nach Hause und erzählte, daß sie dort eine nette, ältere Dame kennengelernt habe und wir zum Dinner eingeladen seien. Ich hatte keine Lust, aber Patti hat mich trotzdem mitgeschleppt. Wir kamen zu einem prachtvollen Haus, und Pattis neue Freundin empfing uns. Wir wechselten ein paar Worte, bis mir schließlich jemand auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um, und Frank Sinatra sagte zu mir: "Wurde auch langsam Zeit!" SPIEGEL: Hat es Ihre Fans nicht irritiert, daß der Junge aus New Jersey der Heimat den Rücken kehrt, um sich für viele Millionen Dollar eine Villa in Beverly Hills zu kaufen? Springsteen: Ich bin kein Heiliger. Außerdem: Wer anfängt, ein Klischee zu leben, hat verloren. Den größten Teil meines Lebens war ich pleite. Ich wollte einfach mal ausprobieren, wie sich Luxus und totale Verschwendung anfühlen. Solch einen Palast zu kaufen und sich keine Gedanken um den Preis machen zu müssen das ist ein erhebendes Gefühl. Viel besser noch, als ein Auto zu kaufen. SPIEGEL: Lange haben Sie es nicht ausgehalten. Springsteen: Irgendwann bekam ich Depressionen, wenn ich vor die Tür ging. Los Angeles ist voll mit alten Männern, die in ihrem Leben viel Geld verdient, aber sonst nichts zustande gebracht haben. Wenn sie nicht in ihren Häusern hocken und stumpf den Panoramablick genießen, hängen sie traurig in Bars herum und starren 20jährigen Mädchen auf den Hintern. Jugend ist nicht endlos dehnbar. Nirgendwo kapiert man das so gründlich wie in Los Angeles. SPIEGEL: Nun, mit 49, leben Sie wieder in New Jersey, über das Sie Ihre berühmtesten Songs geschrieben haben und haben für das CD-Viererpack "Tracks" Inventur in Ihrem Lebenswerk gemacht. Springsteen: Für "Tracks" habe ich nur einen Bruchteil der Aufnahmen ausgewählt. Es sind immer noch fast 300 übrig, vielleicht mehr. Aber die meisten davon sollten besser nie veröffentlicht werden. Sie lagern gut versteckt in einem Bergwerk, das meine Plattenfirma zum Archiv umgebaut hat. SPIEGEL: Wann landet ein Song im Schacht statt auf Platte? Springsteen: Die wenigsten Songs, die ich schreibe, nehme ich auch auf. Wenn ich dann ein Album zusammenpuzzeln muß, beginnt die Zeit der großen Zweifel: Singe ich gut genug? Was hat die Band da bloß wieder verbrochen? Der letzte Vers ist doch Mist! Und schon muß der Song ins Bergwerk. SPIEGEL: Waren Sie überrascht von dem, was Sie im Archiv aufstöberten? Springsteen: Bei einigen Songs hätte ich auf die Bibel schwören können, daß sie nicht von mir sind. SPIEGEL: Auf "Tracks" findet sich auch eine frühe, sehr düstere Version Ihres größten Hits "Born in the U.S.A.". Warum haben Sie sich damals gegen diese Version entschieden? Springsteen: "Born in the U.S.A." war mein erster Versuch, einen Song über den Vietnamkrieg zu schreiben. Ich war so unsicher, daß ich nicht nur mehrere Versionen aufnahm, sondern mich sogar entschied, den Song überhaupt nicht zu veröffentlichen doch dann schickte ich meinem Manager eine Kassette, um ihn nach seiner Meinung zu fragen. SPIEGEL: Und so kam der Song doch heraus und war sensationell erfolgreich, bescherte Ihnen aber auch viel Kritik. Hat es Sie geärgert, daß Ihr Lied über die Schattenseiten des amerikanischen Traums zur patriotischen Hymne umgedeutet wurde? Springsteen: Eins habe ich gelernt: Ein Popsong steht und fällt mit dem Refrain. Schon deshalb ist es immer schwierig, Pop und Politik zu mischen man begibt sich zwangsläufig aufs Glatteis. Daß ich in "Born in the U.S.A." die Geschichte eines desillusionierten Vietnam-Heimkehrers erzähle, hat kaum einer bemerkt, und, ehrlich gesagt, für den Verkaufserfolg war das eher nützlich. Warum sollte ich mich also ärgern? SPIEGEL: Haben Sie sich deshalb in Ihrer langen Karriere so selten über Politiker geäußert? Springsteen: Meine Songs sind nur dann wirklich gut, wenn ich über das schreibe, womit ich mich auskenne. Sie handeln von vergeudeten Leben, von der Unwirtlichkeit dieser Welt und von Leuten, die 40 oder 50 Jahre ihres Lebens gearbeitet haben, bis schließlich jemand kommt und ihnen sagt: Das war es. Und davon gibt es sehr viele in diesem Land. Ich sehe keinen Politiker, der zu ihnen hält. SPIEGEL: Auch der Wirbel um Bill Clinton kann Sie nicht aus der Reserve locken? Springsteen: Nein. Das ist mir alles zu dämlich. SPIEGEL: Und auf Ihrer Farm in New Jersey führen Sie mit Ihrer Familie das politikferne Leben eines zufriedenen Steuerzahlers? Springsteen: Ich bin dort so eine Art Weihnachtsmann am Nordpol. Wir wohnen nur wenige Meilen entfernt von dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin. Unsere ganze Familie Eltern, Tanten, Onkel, Cousinen, Großeltern lebte dort in einer kleinen Straße. Das kann anstrengend sein, auf Dauer aber ist es wunderschön, und natürlich zeige ich meinen Kindern sooft wie möglich, wo ich herkomme. Wenn ich * Bei der Beerdigung von Frank Sinatra. sie dann ins Auto packe, stöhnt Patti leise: "O Gott, schon wieder die Two-Cents-Tour!" SPIEGEL: Ihren Job als Musiker haben Sie auf ein Minimum reduziert. Führen Sie statt dessen den Haushalt? Springsteen: Das komplette Programm. Ich mache das Frühstück, bringe die Kinder in die Schule, fahre samstags zum Einkaufen in den Supermarkt. Glauben Sie mir, für einen Musiker ist es verdammt hart, jeden Tag um sieben in der Früh aufzustehen. Aber meine Frau zwingt mich dazu, obwohl wir eigentlich einen ganz anderen Deal verabredet hatten. Ich als Nachtmensch sollte mich nachts um die Babys kümmern, sie mußte morgens aufstehen. Aber das war wohl etwas ungerecht geworden: Die Kinder schlafen schon lange durch. SPIEGEL: Das Rock'n'Roll-Leben vermissen Sie nicht? Springsteen: Weniger, als man annehmen könnte. Was die Freizeitgestaltung betrifft, war ich nie der typische Rock'n'Roller. SPIEGEL: Kein Sex, keine Drogen? Springsteen: Okay, ein bißchen Sex, aber absolut keine Drogen. Niemals. Ich weiß, daß mir das niemand glaubt, aber ich habe meinen Job viel zu ernst genommen, um mit einem Kater auf die Bühne zu gehen. Ich bin immer in Topform, und das ist die Garantie, die jeder Fan von mir erwarten kann. Ich habe eine Chance bekommen und sie genutzt. Und wenn irgendeiner meint "Glück gehabt, Bruce", werde ich wirklich böse. SPIEGEL: Mr. Springsteen, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
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