was wir immerschon wußten aber nun schwarz auf weiß haben
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Beitrag von Saidy vom Dezember 06. 1999 um 15:11:00:
Als Antwort zu: Re: (Technik) Hören geschrieben von ullli am Dezember 06. 1999 um 14:29:30:
Hi, Ullli hab im Stern zwar auch nicht genau das was du meinst gefunden..aber dafür was anderes interessantes ;-)) Musik als Medizin Klänge und Rhythmen heilen. Sie lindern Schmerzen auf dem Zahnarztstuhl, entspannen vorm Narkoseschlaf, geben Neugeborenen in den ersten kritischen Lebenstagen Kraft und bremsen den geistigen Verfall von Alzheimer-Patienten. Forscher ergründen, wie das Gehirn auf Töne und Takte reagiert Drei Jahre ist Nathalie alt. Zuckend liegt ihr kleiner Körper im Gitterbett. Nathalie wurde mit einem Wasserkopf geboren, und der Druck in ihrem Schädel hat Teile des Gehirns für immer zerstört. Ein paar Tage zuvor mußte ein Beatmungstubus gelegt werden, um die Kleine vor dem Erstikken zu retten. Doch gegen den Fremdkörper in ihrer Luftröhre wehrt sie sich mit Händen und Füßen. Natürlich könnte Nathalie mit starken Medikamenten ruhiggestellt werden. Aber im New Yorker Beth Israel Medical Center setzen die Ärzte statt dessen möglichst oft auf eine sanfte Alternative. Trüge sie nicht einen weißen Kittel, könnte man Dr. Joanne Loewy bei ihrer Arbeit für eine Schamanin halten. Ganz nah senkt sie ihren Kopf zu der zuckenden kleinen Patientin herunter. Ab und zu schlägt die Therapeutin metallene Klangstäbe in ihren Händen an und führt sie in langsam kreisenden Bewegungen über das Bett. Nathalie taucht in ein Bad aus Tönen ein und beruhigt sich ein wenig, wenn der Klang von der rechten unteren Ecke ihres Betts zu ihr strömt. Dort stellt Joanne Loewy nun eine Holztrommel auf und schlägt sie mit wechselnden Rhythmen. Plötzlich ist Nathalie wie umgewandelt. Ihre Muskeln entkrampfen sich, und wie der Überwachungsmonitor zeigt, sinkt die Herzfrequenz. Ruhig atmend liegt die Kleine in ihrem Bett und bleibt weiter vollkommen entspannt, nachdem die Therapeutin sie zärtlich gestreichelt hat und aus dem Zimmer gegangen ist. 'Sieht aus wie Hexerei, nicht wahr?' sagt Joanne Loewy. Behandlungen und auch - zumindest zeitweilige - Erfolge wie bei der kleinen Nathalie sind für die amerikanische Musiktherapeutin zur täglichen Routine geworden. Drei Studien laufen unter ihrer Leitung derzeit im Beth Israel Medical Center, um zu untersuchen, wie Kindern, die unter Aids, Leukämie, Asthma oder schweren Hirnschäden leiden, das Leben im Krankenhaus mit Musik leichter gemacht werden kann. Dabei geht es nicht nur um eine Verbesserung ihres seelischen Befindens - und das wäre schon viel. Neuere Forschungen beweisen, daß Rhythmen und Klänge - wie bei der kleinen Nathalie - direkt auf das Gehirn wirken können und damit auch auf die Körperprozesse, die von diesem Zentralorgan gesteuert werden. In den USA, aber zunehmend auch in Deutschland, untersuchen Forschergruppen derzeit intensiv die seit Jahrtausenden bekannte heilende Macht der Musik mit den Methoden der modernen Forschung. Während die Musiktherapie lange vor allem als Werkzeug der Psychologen gesehen wurde und nicht selten vom Nebel esoterischer Spintisiererei umhüllt war, reicht das Spektrum therapeutischer Anwendungen von Klängen und Rhythmen inzwischen von der Stabilisierung der kleinen Patienten auf Frühgeborenen-Stationen per Wiegenlied aus dem Mini-Walkman über die Schmerzunterdrückung im Zahnarztstuhl oder Kreißsaal bis hin zur Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten. Und selbst bei immer noch unheilbaren Leiden wie der Alzheimerschen Krankheit kann die Musik offenbar helfen, den unaufhaltsamen geistigen Verfall zu bremsen. Einer der Pioniere des therapeutischen Einsatzes der Musik ist der Lüdenscheider Anästhesist und Schmerzarzt Dr. Ralph Spintge vom Sportkrankenhaus Hellersen. Dort sind inzwischen zum Beispiel nicht nur Krankenzimmer, sondern auch der gesamte Operationstrakt ebenso selbstverständlich mit 'Musikstationen' wie mit Sauerstoffanschlüssen ausgerüstet. Aus sechs Kanälen vom wummernden Techno über swingenden Big-Band-Sound bis zur getragenen Klassik können die Patienten wählen, welche Klänge sie etwa bei einer Operation mit lokaler Anästhesie hören wollen. Denn auch im OP darf der Kopfhörer aufbehalten werden. Und die meisten Chirurgen haben mittlerweile ebenfalls gemerkt, daß mit Musik alles bessergeht: Bei einer Studie der State University of New York in Buffalo blieben die Operateure dann am entspanntesten, wenn sie Musik nach eigenem Gusto hören konnten - Blutdruck und Herzfrequenz stiegen trotz kniffliger Aufgaben kaum über den Ruhepegel. 'Nach nur vier Jahren hatten wir die Kosten für unsere Musikinvestitionen schon wieder eingespart', sagt Ralph Spintge. So sank etwa die für die OP-Patienten erforderliche Dosis von Beruhigungsmitteln vor einem Eingriff um bis zu 50 Prozent. Und da die meisten Patienten mit Musik insgesamt entspannter sind und Untersuchungen wie Eingriffe gelassener erdulden, kommt es zudem seltener zu Komplikationen nach Operationen, und der Aufenthalt im Krankenhaus kann in vielen Fällen verkürzt werden. Spintge, neben seiner Arbeit als Arzt in Lüdenscheid Gastprofessor am Institut für Musikforschung der University of Texas in San Antonio, befaßt sich nicht nur als Praktiker mit dem Einfluß der Musik auf den Menschen. 'Die entscheidende Frage ist noch immer unbeantwortet', sagt der Mediziner. 'Warum ist Musik überhaupt im therapeutischen Sinne wirksam?' Erst wenn klar ist, welche Eigenschaften der Musik den menschlichen Organismus und dabei vor allem das Gehirn beeinflussen, wird es möglich sein, sie noch gezielter als bisher gegen bestimmte Leiden einzusetzen. Nach seinen bisherigen Forschungen und klinischen Beobachtungen vermutet Ralph Spintge, daß der Rhythmus die entscheidende therapeutische Verbindung zwischen Musik und Medizin schafft. 'Musik sehe ich als Folge der inneren Rhythmen des Menschen vom Herzschlag über die Atmung bis hin zu den verschiedenen Zyklen der Hirnaktivität. Umgekehrt ist es darum wohl auch der Rhythmus, der unseren Organismus am nachhaltigsten von außen beeinflussen kann.' Obwohl die Grundlagenforschung noch großen Nachholbedarf hat, gibt es schon Beispiele, wie solche Rhythmus-Steuerungen eingesetzt werden können: So wurden für das Personal in verbunkerten Raketensilos, auf Atom-U-Booten und auch für die Kosmonauten auf der russischen Raumstation Mir spezielle Musikprogramme entworfen, die den Schlaf-Wach-Rhythmus auf ein gesundes Maß regeln können. Zusammen mit Mathematikern und Physikern versucht Spintge, aus seinen Meßdaten zu ergründen, welche biologischen Metronome in uns tikken und wie sie die Medizin verstellen kann. Als ein erstes Ergebnis komplizierter Compu terrechnungen - zur Beschreibung des schlagenden menschlichen Herzens werden sogar von Astronomen entwickelte mathematische Modelle für Pulsar-Sterne herangezogen - zeichnet sich dabei eine ziemlich einfache Regel ab: Im entspannten und schmerzfreien Zustand eines Patienten macht dessen Herzfrequenz über die Zeit einen sanften Wechsel durch. Bei Angst, Schmerzen oder sonstigem Streß dagegen 'friert' der Herzrhythmus offenbar auf eine feste Frequenz ein. Das hat wichtige Folgen für den Einsatz von Entspannungsmusik: Wollte man die Herzfrequenz zum Beispiel bei einem infarktgefährdeten Patienten durch ein gleichmäßig tickendes Metronom absenken, könnte das erheblich schaden. Wird einem solchen Kranken dagegen ein speziell zusammengestellter Musik-mix mit wechselnden Rhythmen angeboten, kann sich der Herzschlag frei ankoppeln und insgesamt beruhigen. Bei Imme Krämer ist die heilsame Wirkung einer so konzipierten Musiktherapie bereits meßbar. Die Frankfurterin leidet an einer seltenen, schmerzhaften und bislang kaum behandelbaren erblichen Bindegewebserschlaffung, die auch innere Organe wie das Herz beeinträchtigt. Drei kleinere Infarkte hat Imme Krämer bereits hinter sich. Deshalb ist tägliche Entspannung für die 48jährige überlebenswichtig. Als sie zur Behandlung in das Schmerzzentrum von Ralph Spintge nach Lüdenscheid kam, zeigten Messungen der Muskelaktivität, daß die Patientin noch nach 15 Minuten streßlösender Berieselung aus dem Kopfhörer auf Hochtouren lief. Nach drei Wochen Behandlung mit Spintges 'anxioalgolytischer' (angst- und schmerzlösender) Musik kann sie sich nun schon nach etwa fünf Minuten Musiktherapie vollkommen entspannen. Daß der Rhythmus die entscheidende therapeutische Komponente der Musik ist, vermutet auch Professor Michael Thaut. Der gebürtige Hamburger und Direktor des Zentrums für biomedizinische Musikforschung und Neuro-Rehabilitation an der Colorado State University in Fort Collins untersucht vor allem die Wirkung von vorgegebenen Rhythmen auf den Bewegungsapparat. Tänzer haben immer gewußt, daß Musik 'in die Beine gehen' kann. Doch erst vor kurzem haben Wissenschaftler begonnen, die physiologischen Mechanismen zu entschlüsseln, die das Gehör mit dem motorischen System des Menschen verbinden. 'Erst ausgereifte Computertechnik, die es uns heute gestattet, exakt definierte Töne und Rhythmen zu erzeugen und die Videoaufzeichnungen von Bewegungen unserer Probanden noch auf kleinste Veränderungen zu untersuchen, hat solche Messungen überhaupt möglich gemacht', sagt Thaut. Der Gehörsinn ist beim Menschen besser noch als das Auge ausgebildet, Informationen schnell aufzunehmen und zu analysieren. Denn zu Urzeiten sicherten vor allem gute Ohren das Überleben, vermuten Evolutionsbiologen: Nur wer schon durch Blätterrascheln und das Knacken von Zweigen auf einen heranschleichenden Berglöwen oder Säbelzahntiger aufmerksam wurde und schnell genug orten konnte, aus welcher Richtung die Gefahr drohte, hatte gute Chancen zu entkommen. Eine der Grundfähigkeiten des Gehörs ist die Wahrnehmung von Rhythmen, beim Embryo etwa des Herzschlags der Mutter. Michael Thauts Arbeitsgruppe in Fort Collins entdeckte, daß das menschliche Gehirn extrem schnell in der Lage ist, einen von außen vorgegebenen Rhythmus aufzunehmen und in Bewegung umzusetzen. So mußten etwa gesunde Probanden ihre Hände zwischen zwei markierten Punkten möglichst gleichmäßig hin und her bewegen. Durch elektrische Kontakte an Fingern und Zielpunkten und eine Computeranalyse der per Video aufgenommenen Bewegungen konnten die Rhythmus-Forscher aus Fort Collins kontrollieren, wie gut die Versuchspersonen ihre Aufgabe erfüllten. Gab ein Metronom den Takt vor, paßte das Gehirn die Bewegung der Probanden sofort an. Die Treffgenauigkeit stieg, und die Bewegung zwischen den beiden Zielpunkten wurde erheblich gleichmäßiger. 'Ein vorgegebener Rhythmus hat auf unsere vom Gehirn gesteuerte Motorik offenbar eine sehr starke Anziehungskraft', sagt Michael Thaut. Für einen Gesunden ist das nicht weiter wichtig, es sei denn, eine Kompanie Soldaten soll per Tschingderassabumm zum Gleichschritt animiert werden. Aus medizinischer Sicht war für Thaut jedoch die wichtigste Frage, ob dieser anregende Mechanismus etwa auch bei Menschen mit Hirnschäden funktionieren würde. Vielen Schlaganfall-Patienten oder auch Parkinson-Kranken bereitet es schon erhebliche Probleme, die Füße Schritt für Schritt zu heben oder ihren Gang so zu koordinieren, daß sie eine Kurve laufen können. Thauts Arbeitsgruppe kam zu erstaunlichen Ergebnissen. Schlaganfall-Patienten zum Beispiel, die ihre Füße normalerweise nicht mehr vom Boden hoch brachten, konnten bei Musik mit passendem Rhythmus fast wieder so gut laufen wie vor ihrer Erkrankung. Die Messungen zeigen dabei, daß diese Verbesserung des Gangs unmittelbar eintritt, so als hätte jemand einen unsichtbaren Schalter umgelegt. 'Die Patienten lernen das Gehen demnach nicht wieder', erläutert Thaut, 'sondern durch den vorgegebenen Rhythmus paßt sich ihr Gehirn sofort an und verändert die Bewegung.' So marschieren Schlaganfall-Patienten in US-Rehabilitations-Krankenhäusern inzwischen zu Militärmusik vom Walkman, weil ein einfacher Zweiviertel- oder Viervierteltakt das Gehirn erfahrungsgemäß besonders gut stimuliert. Ziel der Behandlung ist es, daß die Kranken den Rhythmus 'internalisieren' und ihn dadurch nach Bedarf für ihr inneres Ohr abrufen können. So können sie ihre Bewegungen nach und nach auch ohne Musik normalisieren. Wie Folgeuntersuchungen zudem zeigten, verbessert sich das motorische Koordinationsvermögen eines so trainierten Gehirns auch auf Dauer. W elche Wunder die Musik selbst bei unheilbar Kranken wirken kann, zeigt das Beispiel einer inzwischen verstorbenen Patientin im New Yorker Beth Abraham Pflegeheim. Als sie bereits so schwer an der Parkinsonschen Krankheit litt, daß sie die meiste Zeit des Tages wie eingefroren völlig bewegungslos blieb, konnte sie trotzdem noch Klavier spielen. Vor allem die Werke ihres Lieblingskomponisten Frederic Chopin. Stundenlang saß sie am Klavier, während ihr Leiden wie ausgelöscht schien. Und selbst wenn sie sich ihr Lieblingsstück, die Klavierfantasie in f-moll, nur vorstellte, reagierte ihr Körper. 'Es reichte schließlich, ihr Opus 49 zuzurufen, um sie sofort aus ihrer Lähmung zu lösen', erinnert sich Concetta Tomaino, die Direktorin des musiktherapeutischen Programms am Beth Abraham Hospital. 'Die Musik scheint das letzte zu sein, was einem Menschen bleibt.' Aus ihrer klinischen Praxis fasziniert Concetta Tomaino besonders die Fähigkeit der Musik, Erinnerungen in Patienten hervorzurufen, die ohne den Reiz von Melodien und Rhythmen verschüttet bleiben. 'Wir beobachten zum Beispiel Alzheimer-Patienten, deren Gedächtnis fast völlig verloren scheint. Aber dann spiele ich für sie ein Musikstück, das sie etwa aus ihrer Jugend kennen, und plötzlich sind all die damit verbundenen Erinnerungen an Orte und Menschen wieder wach.' Noch sind solche Phänomene nicht völlig geklärt. Wichtig scheint aber zu sein, daß die Musik fast das gesamte menschliche Gehirn aktivieren kann. Concetta Tomaino, die mit Neurologen und Hirnforschern vom New Yorker Albert Einstein College of Medicine zusammenarbeitet, vermutet, daß das Gehirn durch die musikalische 'Totalstimulation' selbst bei Alzheimer-Kranken in der Lage ist, die Funktion geschädigter Regionen durch musikalisch aktivierte 'Umleitungen' zumindest teilweise zu ersetzen. Diese 'neuronale Plastizität' des Gehirns führt auch bei manchen Schlaganfall-Patienten zu erstaunlichen Phänomenen. So können einige der Kranken zwar nicht mehr sprechen, wohl aber noch einigermaßen singen. Denn Sprache und Gesang werden über unterschiedliche Hirnregionen gesteuert. Dabei gelingt es in Einzelfällen sogar, über den Gesang die Sprachfunktion nach und nach wiederherzustellen. 'Auch wenn wir keine Wunder versprechen können, beschreiten wir hier ein unglaublich faszinierendes Feld therapeutischer Möglichkeiten', sagt Concetta Tomaino. 'Es scheint vor allem darauf anzukommen, ruhende Neuronen-Netze im Gehirn durch eine passende Stimulation zu aktivieren. Und genau das kann die Musik offenbar.' Die kleine Nathalie taucht in ein Bad von Tönen. Dabei entkrampfen sich die Muskeln des Kindes Patienten und Ärzte suchen in der Musik Entspannung. Die Palette der Klänge reicht von Techno bis zum Big-Band-Sound Forscher untersuchen das biologische Geheimnis, wie Töne in die Beine gehen Bei Annie wecken selbsterzeugte Töne die Lebensgeister - trotz Hirnverletzung
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